Was nun, Türkei: Hat sich Erdogan vom Westen abgewandt?

Nach der ersten Wahlrunde in der Türkei: Erdogan-Fans in Ankara
Nach der ersten Wahlrunde in der Türkei: Erdogan-Fans in Ankara Copyright Ali Unal/AP
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Von Euronews mit AFP, AP
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Internationale Beobachter schauen mit Sorge auf die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen in der Türkei. Ist das Land für den Westen schon verloren?

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In der Türkei macht sich bei der Opposition nach der hoffnungsvollen Aufbruchstimmung am Wahlsonntag Ernüchterung breit.

Weder der islamisch-konservative Amtsinhaber Recep Tayyip Erdoğan noch sein Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu kamen auf eine absolute Mehrheit. Nun müssen beide in einer zweiten Runde in zwei Wochen erneut gegeneinander antreten.

Wirtschaftswissenschaftler Arda Tunca erklärt: "Das ist eine große Niederlage für die Opposition. Und deshalb werden vielleicht einige der Mitglieder der Nationalen Allianz, das Bündnis verlassen".

Meinungsumfragen hatten Kilicdaroglu einen leichten Vorsprung vor Erdogan vorausgesagt. Der 69-jährige hat die Türkei seit 2003 zunächst als Ministerpräsident und dann als Präsident regiert.

Die Medien sind fast alle für die Regierung

Die türkischen Medien sind regierungsfreundlich dominiert, und Wahlbeobachter aus dem Ausland haben einen Mangel an zuverlässigen Informationen und unfaire Bedingungen für die Parteien und Kandidaten beklagt.

Ilke Toygür, Professorin für Europäische Geopolitik an der Universität Carlos III in Madrid meint:

"Es gab keine freien Medien, keine unabhängige Justiz. Staatliche Mittel wurden zugunsten des Amtsinhabers eingesetzt. Das Wahlsystem wird häufig geändert, und wenn man all das berücksichtigt, kann man ein bisschen besser verstehen, warum die Umfragen bei den Wahlen in der Türkei nicht unbedingt so aussagekräftig waren."

Die westlichen Staats- und Regierungschefs beobachten weiterhin gespannt die Lage in der Türkei, denn die Wahl hat große internationale Auswirkungen.

Erdogan hat sich in den letzten Jahren nicht gerade gut mit der Europäischen Union verstanden. Im Jahr 2018 fror die Union die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ein, weil das Land nach Ansicht der EU-Staats- und Regierungschefs "bei der Rechtsstaatlichkeit und den Grundrechten Rückschritte gemacht hat." Und Kılıçdaroğlu hat versprochen, die Beziehungen zu den NATO-Verbündeten der Türkei wiederherzustellen, die unter Erdogan auf einen historischen Tiefstand gefallen sind.

Türkei kein Teil der westlichen Welt?

Arda Tunca sieht die Türkei für den Westen verloren. "Die Türkei bricht mit dem Westen, obwohl sie NATO-Mitglied ist, ist die Türkei geistig nicht mehr Teil der NATO. Die Türkei ist mit Russland, mit China und mit einigen anderen Ländern im Osten verbündet. Aber ich kann nicht erkennen, dass die Türkei noch ein Teil der westlichen Welt ist oder auch nur versucht, ein Teil der westlichen Welt zu sein."

Die Türkei leidet unter einer Krise der Lebenshaltungskosten. Nach den jüngsten Daten liegt die Inflation bei rund 44 %, obwohl sie im November letzten Jahres einen Höchststand von rund 86 % erreicht hatte.

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