Deutschland vollzieht Kehrtwende in der Zuwanderungspolitik

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Von Monica Pinna
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Mit Migrationspolitik kann man Wahlen weder gewinnen noch verlieren: Laut Experten haben langfristige strategische Pläne mehr Aussicht auf Erfolg als drastische Sofortreaktionen.

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Im Vergleich zu den einladenden Maßnahmen der "Ära Merkel" hat Deutschland in der Migrationspolitik eine Kehrtwende vollzogen. Euronews-Reporterin Monica Pinna war in Berlin, um herauszufinden, wie die Lage ist, was sich ändert und warum.

Deutschland ist ein Einwanderungsland. Mehr als drei Millionen Flüchtlinge und Asylsuchende leben dort. So viele wie in keinem anderen europäischen Land. Migranten träumen von Deutschland, angelockt von einem interessanten Arbeitsmarkt und großzügigen Sozialleistungen. 

Doch im vergangenen Jahr stiegen die Asylanträge um mehr als 50 Prozent. Das Aufnahmesystem ist an seine Grenzen gestoßen. Rechtspopulisten werfen der Regierung vor, die Migrationskrise nicht in den Griff zu bekommen. Vor diesem Hintergrund traf Bundeskanzler Olaf Scholz die historische Entscheidung, das Zuwanderungsrecht zu verschärfen.

Verschärftes Zuwanderungsrecht

Am deutlichsten wird die Migrationskrise in Tegel, einem ehemaligen Flughafen, den die Behörden in ein Flüchtlingszentrum umgewandelt haben. Es wurde 2022 eröffnet, als täglich Tausende ukrainische Flüchtlinge in Berlin ankamen. Heute sind es über eine Million.

Tegel ist zum größten Flüchtlingslager Deutschlands geworden. Rund 5.000 Flüchtlinge und Asylsuchende leben dort. Es wurde mehrfach erweitert und kann heute bis zu 7.000 Menschen aufnehmen. Es wird nicht mehr weiter ausgebaut.

Fast 300.000 Menschen haben 2023 in Deutschland Asyl beantragt. Das ist die höchste Zahl seit 2015, als Deutschland mehr als eine Million Menschen, vor allem aus Syrien, aufgenommen hat. Hauptherkunftsländer sind die Türkei, Syrien und Afghanistan. Der Zustrom ist so groß, dass die Flüchtlinge sogar in Hotels untergebracht wurden, in denen wir nicht filmen durften.

Das gesamte System der Flüchtlingsaufnahme in Deutschland ist überfordert, die Integration leidet darunter. Aber es geht um mehr. Mit dem historischen Sieg der rechtspopulistischen AfD bei den Kommunalwahlen im vergangenen Jahr hat sich die politische Rhetorik über Einwanderung verschärft.

Abschreckung ist die neue Linie

Grenzkontrollen zu Polen, der Schweiz und Tschechien sind bereits in Kraft. Die Leistungen für Asylsuchende werden gekürzt. Abschreckung von Neuankömmlingen ist die neue Linie.

"Mit diesen wirklich hohen Zahlen und auch mit dem Gefühl des Kontrollverlustes bei vielen Menschen in der Wählerschaft ist der Diskurs sehr viel aufgeregter geworden", sagt David Kipp, Migrationsexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

Im Januar gingen mehr als eine Million Menschen im ganzen Land auf die Straße. Die Enthüllung, dass die rechtspopulistische AfD mit Neonazis über Massenabschiebungen diskutiert hatte, löste einen Aufschrei aus. Die große Protestwelle hatte Auswirkungen auf Kommunalwahlen im Januar, bei denen die AfD eine knappe Niederlage erlitt.

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