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Britische Wahlen: Umfragen sehen die Labour-Partei weit vor den Tories

Arbeiter legen den roten Teppich vor der Tür von Downing Street 10 aus. Dienstag, 9. April 2024.
Arbeiter legen den roten Teppich vor der Tür von Downing Street 10 aus. Dienstag, 9. April 2024. Copyright Alberto Pezzali/Copyright 2024 The AP. All rights reserved
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Von Mared Gwyn Jones in London
Zuerst veröffentlicht am
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Dieser Artikel wurde im Original veröffentlicht auf Englisch

Meinungsumfragen zufolge könnte Labour die größte Mehrheit aller Nachkriegsregierungen erringen.

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In Großbritannien werden am Donnerstag 650 neue Mitglieder des Unterhauses gewählt. Meinungsumfragen deuten auf eine Labour-Dominanz hin. Das hätte nach den Wahlen 2019 kaum jemand für möglich gehalten.

Bei dieser Wahl sicherte sich der damalige Premierminister Boris Johnson eine solide Mehrheit der Konservativen im Parlament und erlangte ein symbolisches Mandat, um den Brexit zu "vollziehen". Das gelang ihm, indem er wichtige Labour-Hochburgen im traditionell von der Arbeiterklasse geprägten "roten Gürtel" in Nordengland und den Midlands für sich gewinnen konnte.

Inzwischen ist das Vereinigte Königreich formell aus der Europäischen Union ausgetreten. Das Leben nach dem Brexit wurde für die Konservative Partei dennoch nicht einfacher.

Nun hoffen die Labour-Partei und ihr Vorsitzender Sir Keir Starmer darauf, die Brexit-Befürworter, die sie 2019 verloren haben, zurückzugewinnen. Die Konservative Partei von Premierminister Rishi Sunak könnte hingegen das schlechteste Wahlergebnis in ihrer 200-jährigen Geschichte erzielen.

Einige Umfragen sehen Labour mit einem Vorsprung von 20 Prozentpunkten vor den Konservativen. Das bedeutet, dass Keir Starmer mit einer Mehrheit von über 200 Sitzen Premierminister werden könnte – die größte aller Nachkriegsregierungen.

Den Tories droht derweil in einigen Landesteilen ein Wahldebakel. Sunak könnte der erste amtierende Premierminister in der Geschichte werden, der seinen Sitz verliert.

Eine Krise der Konservativen

Die Unterstützung für die Tories, die in den vergangenen 14 Jahren unter fünf verschiedenen Parteivorsitzenden regiert haben, ist seit 2021 stetig gesunken: Ausschlaggebend waren unter anderem Untersuchungen zum "Partygate" von Premierminister Johnson in 10 Downing Street.

Auf Johnsons Sturz folgte eine kurze und erfolglose Amtszeit von Liz Truss, deren "Mini-Haushalt" das Pfund auf ein 37-Jahres-Tief stürzen ließ. Sunak, ein ehemaliger Investmentbanker, trat in ihre Fußstapfen, konnte aber die Wähler nicht davon überzeugen, dass er der richtige Mann ist, um die britische Wirtschaft wieder auf Kurs zu bringen.

Neben der Wirtschaft, dem Wohnungsbau und dem nationalen Gesundheitsdienst war die Migration eines der heißesten Themen im Wahlkampf. Sunak wollte Wähler mit dem Plan gewinnen, illegale Flüchtlinge nach Ruanda abzuschieben.

Die geplanten Abschiebungen lösten jedoch Gegenreaktionen aus und spalteten die Nation, der Oberste Gerichtshof hat den Plan für unrechtmäßig erklärt. Die Befürworter sind frustriert, weil zwei Jahre nach seiner Ankündigung noch keine Rückführungen stattgefunden haben.

Der britische Premierminister Rishi Sunak geht nach der Ankündigung der Neuwahlen für den 4. Juli zurück in seinen Amtssitz 10 Downing Street, 22. Mai 2024
Der britische Premierminister Rishi Sunak geht nach der Ankündigung der Neuwahlen für den 4. Juli zurück in seinen Amtssitz 10 Downing Street, 22. Mai 2024Kin Cheung/Copyright 2024 The AP. All rights reserved

Sunak kündigte die Neuwahlen im strömenden Regen vor der Downing Street aus. Im Hintergrund ertönte der Song "Things Can Only Get Better", mit dem Tony Blair 1997 einen erdrutschartigen Wahlsieg errang.

Seitdem gab es eine Reihe von PR-Fehlern. Sunak sah sich einer Welle der Kritik ausgesetzt, als er eine Feier zum 80. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie vorzeitig verließ, um ein Fernsehinterview zu geben.

In jüngster Zeit wurden fünf Insider der konservativen Partei – darunter Sunaks Leibwächter – mit Vorwürfen konfrontiert, sie hätten auf das Datum der Wahl gewettet, kurz bevor es vom Premierminister selbst bekannt gegeben wurde. Das wurde als weiterer Schlag gegen das öffentliche Vertrauen in die Partei gewertet.

Wird Labour einen Erdrutschsieg erringen?

Obwohl ein Sieg der Labour-Partei schon seit Monaten prognostiziert wird, ist aus Parteikreisen zu hören, dass man nervös sei, dass ein so komfortabler und konstanter Vorsprung in den Umfragen die Wähler selbstzufrieden machen und sich zum Nachteil der Partei auswirken könnte.

Aber mit einem so souveränen Vorsprung scheint es fast sicher, dass die Partei in wenigen Tagen an der Regierung sein wird.

Der Hauptschwerpunkt ihres Wahlprogramms liegt auf der Bekämpfung der Lebenshaltungskostenkrise durch die "Schaffung von Wohlstand" für die Arbeiterklasse. Die Konservativen haben ihre Vorschläge jedoch sofort angegriffen und behauptet, dass Labour im Falle eines langsamen Wachstums unweigerlich die Steuern erhöhen würde.

Zu den weiteren Versprechen der Labour-Partei gehören die Verkürzung der Wartelisten des Nationalen Gesundheitsdienstes, der Bau von 300.000 neuen Wohnungen pro Jahr zur Bekämpfung der Wohnungsnot und Investitionen in Höhe von 24 Milliarden Pfund (28,5 Milliarden Euro) in grüne Technologien.

Der Vorsitzende der Labour-Partei, Sir Keir Starmer, macht ein Selfie mit Mitarbeitern während eines Besuchs bei der Window Supply Company in Bathgate, West Lothian, 21. Juni
Der Vorsitzende der Labour-Partei, Sir Keir Starmer, macht ein Selfie mit Mitarbeitern während eines Besuchs bei der Window Supply Company in Bathgate, West Lothian, 21. Juni Jane Barlow/PA

Starmer nahm auch eine harte Haltung in der Migrationsfrage ein und versprach, gegen Menschenschmuggler vorzugehen, die Migranten illegal über den Ärmelkanal bringen. Er sagte auch, dass Labour die Nettoeinwanderung in das Vereinigte Königreich reduzieren werde, nannte aber kein konkretes Ziel (die Konservativen hatten zuvor versprochen, die Nettoeinwanderung auf "Zehntausende" zu reduzieren).

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Reform UK und Liberaldemokraten streben Gewinne an

Bei den Wahlen könnte auch der Brexit-Aktivist und ehemalige Europaabgeordnete Nigel Farage zum ersten Mal ins Unterhaus einziehen. Anfang Juni schockierte er die Nation, als er ankündigte, für seine Partei Reform UK in seinem Wahlkreis Clacton in Essex zu kandidieren. Das wäre seine achte Kandidatur für ein Parlamentsmandat.

Farages Ankündigung hat dazu geführt, dass Reform UK in den Umfragen stark zugelegt hat und den Konservativen dicht auf den Fersen ist. Doch selbst wenn es ihm gelingen sollte, rund 16 Prozent der Stimmen zu erringen, wie einige Umfragen nahelegen, wird er aufgrund des britischen Mehrheitswahlrechts keinen einzigen Sitz erringen können.

Seine äußerst umstrittenen Äußerungen in einem vor kurzem gegebenen Interview, in dem er behauptete, der Westen habe die russische Invasion in der Ukraine provoziert, haben zu einem Rückgang seiner Unterstützung geführt.

"Es war für mich offensichtlich, dass die ständige Erweiterung der NATO und der Europäischen Union diesem Mann [Putin] einen Grund gegeben hat, seinem russischen Volk zu sagen, dass es uns wieder angreifen und in den Krieg ziehen wird", sagte Farage dem BBC-Sender Panorama.

"Wir haben diesen Krieg provoziert", fügte er hinzu.

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Der Vorsitzende der britischen Reformpartei Nigel Farage während eines Treffens im Wahlkampf in Boston, England, am Donnerstag, den 27. Juni 2024.
Der Vorsitzende der britischen Reformpartei Nigel Farage während eines Treffens im Wahlkampf in Boston, England, am Donnerstag, den 27. Juni 2024.Paul Marriott/AP

Farages Partei schlägt vor, alle "nicht notwendigen" Einwanderungen einzufrieren, das Netto-Null-Ziel aufzugeben und aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (ECHR) auszutreten, die die Partei als "ausländisches" Gericht in Straßburg bezeichnet.

Auch die Liberaldemokraten, die einigen Umfragen zufolge mehr als 60 Sitze erringen könnten, hoffen nach den schweren Verlusten bei den jüngsten Wahlen auf einen Wiederaufstieg.

Die Partei hatte sich zuvor für einen Stopp des Brexits eingesetzt und gehört zu den stärksten Befürwortern engerer Wirtschafts-, Handels- und Sicherheitsbeziehungen mit der EU.

Die Partei hat einen Vier-Stufen-Plan entwickelt, der eine schrittweise Integration in europäische Programme und schließlich in den EU-Binnenmarkt vorsieht. Der Parteivorsitzende Ed Davey hat den Wiedereintritt in die EU zum langfristigen Ziel erklärt.

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