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Wohnungskrise in Großbritannien: Menschen rutschen in Armut und Obdachlosigkeit ab

Ein Obdachloser schläft vor einem geschlossenen Geschäft in London, Donnerstag, 14. Mai 2020.
Ein Obdachloser schläft vor einem geschlossenen Geschäft in London, Donnerstag, 14. Mai 2020. Copyright Kirsty Wigglesworth/Copyright 2020 The AP. All rights reserved
Copyright Kirsty Wigglesworth/Copyright 2020 The AP. All rights reserved
Von Johanna Urbancik
Zuerst veröffentlicht am
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Stetig steigende Mieten und teure Lebenskosten: Viele Menschen in Großbritannien rutschen in die Armut ab und manche landen in der Obdachlosigkeit.

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In Großbritannien sind die Briten demnächst dazu aufgerufen zu den Urnen zu gehen, um ein neues Parlament zu wählen. Ein Thema, das vielen Wählern besonders wichtig ist, ist die Wohnungskrise. Beide Parteien, die konservativen Tories und die sozialdemokratische Labour-Partei haben sich des Themas bereits in ihrem Wahlkampf angenommen und in ihren Wahlprogrammen angegeben, wie sie gegen steigende Mieten und einen Mangel an erschwinglichem Wohnraum angehen wollen.

Wahlprogramm der Labour Partei: Wie wollen sie gegen die Wohnungskrise angehen?

Es wird erwartet, dass die Labour-Partei die nächste Wahl aufgrund der hohen Unzufriedenheit mit der Konservativen-Partei gewinnt. Bezüglich der Wohnungskrise plant die Partei laut ihrem Wahlprogramm den größten Anstieg im Bau von Sozial- und erschwinglichen Wohnungen seit einer Generation, indem sie verspricht, 1,5 Millionen neue Häuser in der nächsten Legislaturperiode zu bauen. Dazu sollen verpflichtende Wohnungsziele für Kommunen eingeführt und hunderte neue Planer eingestellt werden, um Rückstände zu bewältigen. Labour möchte außerdem den bestehenden Bestand an Sozialwohnungen besser schützen.

Ein sofortiges Verbot von Section 21-Kündigungen soll eingeführt werden, um Mieter besser zu schützen und ihnen die Möglichkeit zu geben, gegen unangemessene Mieterhöhungen anzugehen. Eine Section 21-Kündigung ist ein rechtliches Mittel, um ein befristetes Mietverhältnis ohne Angabe von Gründen zu beenden. In England ist die sogenannte "fixed term tenancy" üblich. Darunter versteht man zeitlich befristete Mietverträge, meist für ein Jahr, die jährlich neu unterzeichnet werden müssen.

Wie wollen die Tories gegen die Wohnungskrise vorgehen?

Die seit 14-Jahren regierende Konservative Partei hat sich in ihrem Wahlprogramm verpflichtet, in der nächsten Legislaturperiode 1,6 Millionen neue Wohnungen in England zu bauen, indem sie den Bau in den 20 größten Städten beschleunigen. Sie wollen den Schwellenwert, ab dem Erstkäufer Stamp Duty zahlen müssen, bei 425.000 Pfund belassen und ein neues, verbessertes "Help to Buy"-Programm einführen, um Erstkäufern mit einer Eigenkapitalanleihe von bis zu 20 Prozent zu helfen. Die "Stamp Duty" ist eine Steuer, die in Großbritannien auf den Kauf von Immobilien erhoben wird.

Zudem planen die Tories, sozialen Wohnraum vorrangig Menschen mit einer "lokalen Verbindung" oder einer "Verbindung zu Großbritannien" zur Verfügung zu stellen, um dafür zu sorgen, dass diese begrenzte Ressource fair zugeteilt wird.

Wohnungskrise treibt Menschen in die Armut und Obdachlosigkeit

Die Lebenshaltungskosten im Vereinigten Königreich sind insgesamt etwa 20 Prozent höher als in Deutschland. Die Mieten in Großbritannien sind rund 24 Prozent höher als in Deutschland, so Expatistan.

Steigende Mieten und ein Mangel an erschwinglichem Wohnraum treiben demnach immer mehr Menschen in die Obdachlosigkeit. Neue Untersuchungen zeigen, dass mehr als 300.000 Menschen im Vereinigten Königreich ohne festen Wohnsitz sind.

Nick Bradshaw, Leiter des Krisenzentrums für Obdachlose bestätigte dies und gab an, dass in den letzten sechs Monaten die Zahl der Menschen, die sich mit der Bitte um Unterstützung an uns wenden, um 40 bis 50 Prozent gestiegen ist. "Wir sehen in letzter Zeit viel mehr ältere Erwachsene, also Menschen in ihren 60ern, 70ern und 80ern, die in unsicheren Unterkünften leben und dort nicht mehr bleiben können, die auf dem Sofa surfen", fügte er hinzu.

Auch Studenten und junge Menschen sind von der Wohnungskrise betroffen

Aufgrund teurer Mieten und niedrigen Löhnen haben auch junge Menschen und Studenten oft keine dauerhafte Bleibe. Viele sind deswegen gezwungen, bei Freunden oder Bekannten auf dem Sofa zu schlafen. Die Unsicherheit und die beengten Verhältnisse beeinträchtigen ihre psychische Gesundheit und Studienleistungen und die das Suchen nach einer bezahlbaren Unterkunft kann zu instabilen und stressigen Lebensbedingungen führen.

Wohnungskrise geht Hand in Hand mit Lebenskostenkrise

Der Mangel an erschwinglichem Wohnraum fällt mit der anhaltenden Lebenskostenkrise im zusammen, da Lebensmittel- und Energierechnungen immer noch mehr kosten als vor der Pandemie.

Die steigenden Energiepreise haben erhebliche Auswirkungen auf Haushalte und die Gesellschaft gehabt, vor allem in den Wintermonaten. Viele Menschen konnten sich das Heizen ihrer Häuser nicht mehr leisten, was zu gesundheitlichen Problemen und erhöhten Sterblichkeitsraten führt. Im Winter 2022/23 starben in Großbritannien etwa 4.950 Menschen aufgrund von kalten, feuchten Wohnverhältnissen.

Kritiker werfen der Tory-Regierung Untätigkeit vor. Die Einführung von Prepaid-Zählern und fehlende Energiepreisreformen hat die Lage zusätzlich verschärft. Anders als in Deutschland haben Mieter in England die Option, ihre Gasrechnung per "Pay-As-You-Go" zu bezahlen. Diese wird wie eine Handy-Pre-Paid-SIM-Karte mit Guthaben aufgeladen.

Jahrelang konnten Energieversorgungsunternehmen Vorauszahlungszähler in Wohnungen einbauen, wenn Rechnungen unbezahlt blieben. Letztes Jahr wurden Vertreter von British Gas bei der unsachgemäßen Installation dieser Zähler erwischt. Sie haben die Zähler installiert, ohne, dass die Bewohner Bescheid wussten. Sie drangen somit entgegen den Vorschriften gewaltsam in die Wohnungen von schutzbedürftigen Menschen ein. Nachdem die Times dies in einer Recherche enthüllt haben, hat der Chef von British Gas angegeben, dass diese Einbrüche und unsachgemäßen Installationen untersagt werden.

Kinderarmut in Großbritannien gestiegen

In Großbritannien leiden auch viele Kinder unter Armut, was erhebliche soziale und wirtschaftliche Kosten verursacht. Die jüngsten Statistiken zeigen, dass im letzten Jahr geschätzte 350.000 Kinder zusätzlich in die Armut abrutschten, hauptsächlich aufgrund der Halbierung des £20 Universal Credit-Zuschlags durch die Konservative Regierung.

Universal Credit ist ein Sozialleistungssystem in Großbritannien, das mehrere staatliche Unterstützungsleistungen, wie beispielsweise Arbeitslosengeld und Wohnkostenhilfe, zu einer einzigen Zahlung zusammenführt. Wer Universal Credit bezieht, erhält je nach Situation einen festen Betrag pro Monat: £311.68 (€368.21) für Alleinstehende unter 25 Jahren, £393.45 (€464.82) für Alleinstehende ab 25 Jahren.

Im Jahr 2021 bis 2022 lebten insgesamt 4,2 Millionen Kinder in Armut. Diese Zahl dürfte aufgrund von Kürzungen im Sozialsystem weiter steigen. Besonders betroffen sind Kinder unter fünf Jahren.

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