US-Präsident Donald Trump hat angeordnet, den Großteil der Auslandshilfe für 90 Tage auszusetzen, bis die Regierung die Projekte überprüft hat. Hilfsorganisationen auf der ganzen Welt sind besorgt über die Folgen für notleidende Menschen.
Von der lebensrettenden HIV-Behandlung über die Unterbringung von Flüchtlingen bis hin zu Nahrungsmitteln für unterernährte Kinder werden von den USA finanzierte Hilfsprojekte auf der ganzen Welt aufgrund des beispiellosen Einfrierens fast aller Auslandshilfen durch die Trump-Administration ausgesetzt, verkleinert oder gestrichen.
US-Präsident Donald Trump hat vergangene Woche eine Durchführungsverordnung (Executive Order) erlassen, mit der die Finanzierung der Entwicklungshilfe durch die US-Behörde für internationale Entwicklung (USAID) für 90 Tage ausgesetzt wird. In dieser Zeit wird seine Regierung prüfen, welche der Tausenden von humanitären, Entwicklungs- und Sicherheitsprojekten weiterhin Geld erhalten.
Laut US-Außenministerium soll mit diesem Schritt sichergestellt werden, dass alle ausländischen Hilfsprogramme "effizient sind und mit der US-Außenpolitik im Rahmen der America-First-Agenda übereinstimmen".
Von der ersten Anordnung waren Nahrungsmittelsofortprogramme ausgenommen, und angesichts des wachsenden Protests von Hilfsorganisationen weltweit erließ US-Außenminister Marco Rubio am Dienstag weitere Ausnahmen für "lebensrettende humanitäre Hilfe" - einschließlich der Bereitstellung von Medikamenten, medizinischer Versorgung, Nahrungsmitteln und Unterkünften - auf vorübergehender Basis.
Während einige Hilfsorganisationen ihre Hoffnung ausdrückten, dass Rubios Schritt Programme aufrechterhalten wird, die Millionen Menschen in Not auf der ganzen Welt am Leben erhalten, folgten bei US-finanzierten Operationen Entlassungen, Arbeitsniederlegungen und Projektpausen oder -stopps.
"Die Hilfsorganisationen sind sich darüber im Klaren, wie existenziell diese Aussetzung der Hilfe ist", erklärt Abby Maxman, Präsidentin von Oxfam America - eine der wenigen Vertreterinnen und Vertreter von Hilfsorganisationen, die sich öffentlich über die Auswirkungen des Einfrierens äußern wollten. Die Entscheidung könne für Kinder und Familien auf der ganzen Welt "Konsequenzen auf Leben und Tod" haben, so Maxman.
Die USA sind mit Abstand der größte Geber von Auslandshilfe, auch wenn andere Länder einen größeren Teil ihres Budgets zur Verfügung stellen. Im Haushaltsjahr 2023 gaben sie 68 Milliarden Dollar (65,4 Milliarden Euro) für Auslandshilfe aus - den größten Teil davon über USAID, wie die jüngsten Regierungsdaten zeigen.
Speziell für humanitäre Hilfe stellten die USA im vergangenen Jahr fast 14 Milliarden Dollar (13,5 Milliarden Euro) bereit, was 42 % der gesamten von den Vereinten Nationen für 2024 ausgewiesenen Hilfe entspricht.
Am Montag beurlaubte die Trump-Regierung mehr als 50 hochrangige Beamte von USAID mit dem Verdacht, dass diese sich der Anordnung widersetzten und Hilfsgruppen bei der Bewältigung des Finanzstopps halfen. Die Mitarbeiter der Agentur wurden angewiesen, nicht mit den Partnern zu kommunizieren, außer um ihnen mitzuteilen, dass die Finanzierung gestoppt wurde.
Leben oder Tod
Eines der größten Projekte, die von dem Einfrieren der Mittel betroffen sind, ist der President's Emergency Relief Plan for AIDS Relief (PEPFAR).
Das bahnbrechende HIV-Programm hat seit seiner Einführung durch den republikanischen Präsidenten George W. Bush im Jahr 2003 in mehr als 50 Ländern 25 Millionen Menschenleben gerettet, darunter 5,5 Millionen Kinder.
"Hier geht es um Leben oder Tod", warnt Beatriz Grinsztejn, Präsidentin der Internationalen AIDS-Gesellschaft. "Wenn die Finanzierung eingestellt wird, werden Menschen sterben und HIV wird wieder auftauchen."
In Simbabwe macht sich Gumisayi Bonzo, die Leiterin einer Nichtregierungsorganisation im Gesundheitsbereich, Sorgen um ihre Organisation - und um sich selbst. Sie habe noch nicht erfahren, ob die Mittel für ihre Organisation, Trans Smart Trust, gekürzt würden. Trans Smart Trust fördert Gesundheitsdienste für intersexuelle und transsexuelle Menschen in einem Land, in dem Diskriminierung und Stigmatisierung viele Menschen davon abhalten, sich behandeln zu lassen.
Rubios Ausnahmeregelung für "lebensrettende humanitäre Hilfe" umfasst keine Projekte, die sich mit Abtreibung, Familienplanung, Konferenzen oder irgendetwas, das mit Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration oder Geschlechtsumwandlung zu tun hat, befassen.
"Alle sind im Moment einfach verwirrt", klagt Bonzo. Die 54-Jährige erhält seit 23 Jahren eine HIV-Behandlung - dank der PEPFAR-Unterstützung, die die Medikamente erschwinglich gemacht hat. "Ich habe die Medikamente über zwei Jahrzehnte lang eisern genommen, ich lebe wieder ein normales Leben, und plötzlich müssen wir aufhören. Das ist für viele Menschen ein Todesurteil", sagt sie.
Gyude Moore, ein ehemaliger Kabinettsminister in Liberia, der jetzt Stipendiat des in den USA ansässigen Center for Global Development ist, klagt, das Einfrieren der Hilfe werde sich auf Projekte in ganz Afrika auswirken - von der Förderung der Bildung von Mädchen über die Unterstützung von Landwirten bis hin zur Stärkung der Gesundheitssysteme. Der Schritt würde den USA schaden, weil er "keinen Unterschied zwischen Verbündeten, Partnern und Gegnern macht", so Moore.
Jahrzehntelang vertrat Washington die Auffassung, dass sich die Auslandshilfe durch die Verbesserung der nationalen Sicherheit, die Stabilisierung von Regionen und Volkswirtschaften und die Verbesserung der Beziehungen zu Partnern auszahlt. Die Trump-Regierung und viele republikanische Politiker argumentieren jedoch, dass die Auslandshilfe von den Partnern im Ausland oft verschwendet wird und das Geld stattdessen im Inland ausgegeben werden sollte.
US-Rivalen wie China könnten aus dem Einfrieren der Hilfe Kapital schlagen, indem sie in afrikanische Gebiete vordringen und Einfluss und Geschäftsverträge in rohstoffreichen Ländern gewinnen, warnen Moore und andere politische Beobachter. "Hungernde Kinder in Liberia oder unterernährte Kinder in Kenia zu ernähren, lebensrettende antiretrovirale Medikamente in Uganda bereitzustellen - nichts davon untergräbt die amerikanischen Interessen", so Moore weiter.
Schmerzvolle Einschnitte auch für die Ukraine?
Während das Einfrieren der Auslandshilfe keine Auswirkungen auf die lebenswichtige US-Militärhilfe für die Ukraine hat, wie Präsident Wolodymyr Selenskyj am Samstag bestätigte, besteht laut Aktivisten und politischen Beobachtern die Gefahr, dass der Schritt das Land auf andere Weise behindert. Die USA unterstützen beispielsweise die ukrainische Regierung mit Gehaltszahlungen, um die Wirtschaft nach der russischen Invasion im Februar 2022 am Laufen zu halten, und USAID hat mehrere zivile Programme für den Kriegsfall finanziert.
Eines dieser Programme ist Veteran Hub, eine Nichtregierungsorganisation, die eine Krisenhotline betreibt. Bei dieser gehen monatlich bis zu 1.300 Anrufe ukrainischer Veteranen ein, die soziale und psychologische Unterstützung brauchen.
Ivona Kostyna, die Leiterin der NRO, fürchtet, aufgrund der Anordnung die Hälfte ihrer 31 Mitarbeiter zu verlieren: "Hätten wir eine Vorwarnung von, sagen wir, einem Monat oder sogar zwei Wochen gehabt, wäre es für uns viel einfacher gewesen. Wir hätten es schaffen können, uns für diese Zeit irgendwie abzusichern. Aber es gab einfach keine Warnung."
Auch UN-Hilfsorganisationen schnallen den Gürtel enger
Auf globaler Ebene waren große UN-Hilfsorganisationen wie das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) und das Welternährungsprogramm (WFP) ebenfalls gezwungen, ihre Aktivitäten nach Trumps Durchführungsverordnung einzuschränken oder neu zu überdenken.
Der Leiter des UNHCR, Filippo Grandi, schickte am Montagabend eine E-Mail an alle Mitarbeiter der Organisation, in der er sie über einen Ausgabenstopp für internationale Flugreisen, Workshops und Veranstaltungen sowie einen 90-tägigen Einstellungs- und Vertragsstopp und andere Sparmaßnahmen informierte.
"Wir müssen in den nächsten Wochen sehr vorsichtig vorgehen, um die Auswirkungen dieser Finanzierungsunsicherheit auf Flüchtlinge und Vertriebene, auf unsere Operationen und auf unsere Teams abzumildern", heißt es in der E-Mail, die Euronews von einer Quelle in Kopie zur Verfügung gestellt wurde. "Diese Schritte werden uns helfen, die Ressourcen zu verwalten, während wir diese schwierige Zeit durchstehen."
Die USA sind mit Abstand der größte Geber des UNHCR und haben im vergangenen Jahr 2 Milliarden Dollar (1,9 Milliarden Euro) für die Organisation bereitgestellt. Dies entspricht etwa 40 % der fast 4,9 Mrd. USD, die das UNHCR nach den neuesten verfügbaren Daten der Organisation im Jahr 2024 erhalten wird .
Ob das Einfrieren der Hilfe länger als 90 Tage andauern wird, bleibt abzuwarten, aber Pessimismus und Panik haben sich in den letzten Tagen bei zahlreichen ausländischen Hilfsorganisationen in der ganzen Welt breit gemacht.
"Es ist eine unglaublich beunruhigende Zeit, es ist eine beängstigende Zeit, und viele Organisationen haben Angst, sich zu äußern und darüber zu sprechen, was vor sich geht", klagt Jeremy Konyndyk, Präsident von Refugees International und ehemaliger USAID-Beamter unter den Regierungen der früheren demokratischen US-Präsidenten Joe Biden und Barack Obama.
"Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass die Umsetzung dieser Politik viele Menschen töten wird", schrieb Konyndyk auf X.