Myanmar wurde von einem starken Erdbeben erschüttert, bei dem nach Angaben der Militärjunta mehr als 2.000 Menschen ums Leben gekommen sind. Seit 2021 herrscht dort Bürgerkrieg. Hilfsorganisationen plädieren für einen Waffenstillstand, um die Versorgung abzusichern.
Die Zahl der Todesopfer des schweren Erdbebens von vergangener Woche in Myanmar ist auf über 2.000 gestiegen. Die UNO und Hilfsorganisationen warnen, dass die Katastrophe den Hunger und den Ausbruch von Krankheiten verschlimmern könnte. Myanmar befindet sich seit 2021 im Bürgerkrieg und ist auf internationale Hilfe angewiesen, um die Nahrungsmittelknappheit zumindest geringfügig zu bekämpfen. Viele Bewohner sind auf der Flucht.
Bei dem Beben der Stärke 7,7 am Freitag kamen nach Angaben der regierenden Militärjunta mindestens 2.056 Menschen ums Leben. Das Epizentrum des Erdbebens lag in der Nähe von Mandalay, der zweitgrößten Stadt des Landes. Mehr als 3.900 Menschen seien verletzt worden, 270 weitere würden noch vermisst, hieß es weiter.
Das Erdbeben zerstörte Hunderte von Gebäuden und riss Straßen in der zentralen Region Myanmars ein. Aufgrund des andauernden Bürgerkriegs und der schlechten Infrastruktur war Myanmar bereits zuvor eines der herausforderndsten Länder der Welt für Hilfsorganisationen. Nun droht sich die humanitäre Krise zu verschärfen.
"Diese jüngste Tragödie verschlimmert die ohnehin schon schlimme Krise und birgt die Gefahr, dass die Widerstandsfähigkeit von Gemeinschaften, die bereits durch Konflikte, Vertreibung und frühere Katastrophen geschwächt sind, weiter untergraben wird", erklärte das UN-Länderteam für Myanmar und forderte ungehinderten Zugang für Hilfskonvois, medizinisches Personal und Bewertungsteams.
"Schon vor diesem Erdbeben waren fast 20 Millionen Menschen in Myanmar auf humanitäre Hilfe angewiesen", sagte Marcoluigi Corsi, der UNICEF-Vertreter in Myanmar.
Auswirkungen des Militärputsches von 2021
Die Rettungsbemühungen werden durch den blutigen Bürgerkrieg erschwert, der 2021 nach dem Militärputsch begann und die gewählte Regierung von Aung San Suu Kyi absetzte.
Der Putsch löste zunächst landesweite Proteste aus, die sich jedoch bald in einen bedeutenden bewaffneten Widerstand verwandelten.
Nach Angaben der UNO wurden bisher mehr als drei Millionen Menschen durch die Kämpfe vertrieben. Lauren Ellery, stellvertretende Direktorin für Programme in Myanmar beim International Rescue Committee (IRC), sagte, dass der vom Erdbeben am stärksten betroffene Teil des Landes bereits im vergangenen Jahr durch Überschwemmungen schwer beschädigt wurde.
In diesem Gebiet haben auch viele der Binnenvertriebenen des Landes Zuflucht gesucht. Seit dem Erdbeben schlafen viele Menschen im Freien, entweder weil ihre Häuser zerstört wurden oder weil sie befürchten, dass die anhaltenden Nachbeben sie zum Einsturz bringen könnten.
Angesichts der im Mai einsetzenden Monsunregenfälle werde es eine große Herausforderung sein, die Menschen unterzubringen, sagte Ellery.
"Diese Überschwemmungen führen zu Krankheitsausbrüchen, zu Vertreibung und Ernährungsunsicherheit, und mit den beschädigten Krankenhäusern und den eindeutig beschädigten Abwassersystemen erhöht sich das Risiko von Krankheitsausbrüchen noch weiter", fügte sie hinzu. "Das ist eine beispiellose Belastung für viele, viele gefährdete Menschen."
Ausmaß der Verwüstung ist noch nicht klar
Die Hilfsorganisationen in Myanmar sagen, dass ihre Teams vor Ort noch kein genaues Bild der Verwüstung haben. "Wir sind uns über das Ausmaß der Zerstörung noch nicht im Klaren", sagte Ellery.
"Sie sprachen von einer Stadt in der Nähe von Mandalay, in der 80 Prozent der Gebäude eingestürzt sein sollen. Das war bisher nicht in den Nachrichten zu sehen, weil die Telekommunikation nur langsam funktioniert. Gruppen, mit denen das IRC zusammenarbeitet, berichteten, dass einige Orte durch Erdrutsche von der Außenwelt abgeschnitten sind, sagte die stellvertretende Direktorin.
Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) liegen Berichte über drei zerstörte und 22 teilweise beschädigte Krankenhäuser in der Region vor.
"Das Ausmaß der Todesopfer und Verletzten ist noch nicht vollständig bekannt, und es wird erwartet, dass die Zahlen noch steigen werden", so die WHO in einem Bericht. "Die Verwüstung durch das Erdbeben hat die Gesundheitseinrichtungen in den betroffenen Gebieten überfordert, die mit der Bewältigung des Zustroms von Verletzten zu kämpfen haben", heißt es weiter.
"Es besteht ein dringender Bedarf an traumatologischer und chirurgischer Versorgung, Bluttransfusionen, Anästhetika, wichtigen Medikamenten und psychologischer Betreuung." Eine von Microsofts AI for Good Lab durchgeführte Analyse von Satellitenbildern in Mandalay ergab, dass 515 Gebäude zwischen 80 und 100 Prozent beschädigt sind und weitere 1.524 zwischen 20 und 80 Prozent.
Es war dabei allerdings nicht klar, welchen Anteil der Gebäude dies in der Stadt ausmachte. Die Hilfsbemühungen wurden durch schwere Schäden an Straßen, Brücken und Krankenhäusern sowie durch Stromausfälle, Treibstoffmangel und lückenhafte Kommunikation behindert.
Der Mangel an schweren Maschinen hat auch die Such- und Rettungsarbeiten verlangsamt, sodass viele Menschen gezwungen sind, von Hand nach Überlebenden zu suchen.
Die Regierung der Nationalen Einheit erklärte zudem, dass das Militär seine Bodenangriffe in den vom Erdbeben betroffenen Gebieten fortgesetzt hat. Die Nationale Einheit soll die abgesetzte Regierung Suu Kyis vertreten. Hilfsorganisationen und die UNO rufen zu einem Waffenstillstand auf, damit Hilfsgüter richtig verteilt werden können.