Das Gericht in Hamm hat entschieden: Der Energiekonzern RWE muss nicht für Klimaanpassungen in den Anden zahlen. Für den Bauern trotzdem ein Teilerfolg: Internationale Konzerne können für ihre Rolle zum Klimawandel verantwortlich gemacht werden.
Kann ein Energieunternehmen für die Gletscherschmelze in einem anderen Land verantwortlich gemacht werden? Ein peruanischer Bauer glaubt, dass die Antwort "Ja" lauten sollte. Da die Kraftwerke des deutschen RWE-Konzerns besonders viel CO₂ ausstoßen, hat er das Unternehmen verklagt.
Nun hat ein Gericht in Deutschland entschieden: Der Energiekonzern muss nicht für Klimaanpassungen in den Anden zahlen. Die Gefahr für das Eigentum des klagenden Bauerns sei nicht groß genug, um Schadenersatz zu rechtfertigen. Das Gericht wies seine Klage ohne die Möglichkeit einer Berufung ab.
Die Kläger werten das Urteil dennoch als Erfolg. Nach Ansicht von Experten hat das Urteil des Oberlandesgerichts jedoch bewiesen, dass Gemeinden, die eine konkrete Bedrohung durch den Klimawandel nachweisen können, nach deutschem Zivilrecht Entschädigung von fossilen Brennstoffkonzernen verlangen können.
Klimaklage: "Heute haben die Berge gewonnen"
Der Landwirt Saul Luciano Lliuya, ein Quechua sprechender Bauer und Bergführer aus der peruanischen Region Ancash hatte bereits vor knapp zehn Jahren Klage gegen den deutschen Energieriesen RWE erhoben. "Heute haben die Berge gewonnen", sagte er in einer Erklärung.
Der Bauer ist sich sicher: "Dieses Urteil zeigt, dass die großen Verursacher des Klimawandels endlich rechtlich für den von ihnen verursachten Schaden verantwortlich gemacht werden können." Es wäre nie nur um ihn gegangen, sondern alle Menschen, die mit den Folgen des Klimawandels konfrontiert seien. "Dieses Urteil öffnet die Tür für andere, Gerechtigkeit zu fordern."
Der 44-Jährige Landwirt aus Peru behauptet, dass RWE Mitschuld an den Überschwemmungsrisiken für seine Heimatstadt Huaraz trägt. Der Ort liegt am Rande eines Gletschersees, welcher durch Schnee- und Eisschmelze zuletzt deutlich an Volumen zugenommen hatte. Das Risiko tödlicher Überschwemmungen steigt.
Der Bauer verlangt in der Klimaklage Schadensersatz. Das Energieunternehmen RWE (Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk) gilt als einer der weltweit größten Verursacher von klimaschädlichen Emissionen und soll sich an den Kosten für Schutz- und Präventionsmaßnahmen für die Stadt Huaraz beteiligen.
Anklage aufgrund von Mitverantwortung für den Klimawandel
Lliuya hat RWE zum ersten Mal verklagt, nachdem eine Studie von 2013 festgestellt hatte, dass das Unternehmen für 0,5 Prozent des Klimawandels seit Beginn der Industrialisierung in den 1850er Jahren verantwortlich ist. Das ergab sich aus der Datenbank Carbon Majors.
Er fordert, dass das Unternehmen für etwa 0,5 Prozent der Kosten für den Schutz von Huaraz vor der drohenden Gefahr von Überschwemmungen und dem Überlaufen des Palcacocha-Sees aufkommt. Dieser Betrag wird auf etwa 17.000 Euro geschätzt.
"Ich verlange, dass das Unternehmen die Verantwortung für einen Teil der Baukosten übernimmt, in diesem Fall für einen Deich", erklärte er Reportern in Peru.
Im Jahr 2015 reichte Lliuya eine Klage gegen das Unternehmen ein, die später von einem Gericht in Essen abgewiesen wurde. 2017 ließ das Oberlandesgericht Hamm eine Berufung zu. Nach pandemiebedingten Verzögerungen konnte dann die Anhörungen stattfinden.
Müssen globale Konzerne Verantwortung übernehmen?
Auch wenn der Fall in Deutschland verhandelt wird, hat er internationale Bedeutung. Die Klage könnte einen folgeschweren Präzedenzfall schaffen und richtungsweisend für zukünftige Klagen sein. Bislang hatten Gerichte von vornherein ausgeschlossen, dass von Vielen verursachte Emissionen einzelnen Verursachern zugeordnet werden können.
RWE besteht darauf, dass das Unternehmen die staatlichen Richtlinien für Treibhausgasemissionen stets eingehalten hat und bis 2040 kohlenstoffneutral sein will. Doch sein historischer Beitrag zur Erwärmung des Planeten hat das Unternehmen ins Fadenkreuz gerückt und Fragen nach der Verantwortlichkeit von Unternehmen für den Klimawandel und der grenzüberschreitenden rechtlichen Verantwortung aufgeworfen.
Die Richter erklärten, dass sie in diesem speziellen Fall keinen Schadenersatz zusprechen konnten, weil das Überschwemmungsrisiko für Lliuyas Haus nicht hoch genug war. Sie machten aber auch einige wichtige Aussagen, die für künftige Klagen in Ländern mit ähnlichen gesetzlichen Bestimmungen wie Japan und den USA hilfreich sein könnten.
Sie bestätigten, dass große Umweltverschmutzer wie RWE im Prinzip für ihre Rolle beim Klimawandel verantwortlich gemacht werden können, auch wenn ihre Emissionen nur einen relativ geringen Anteil am weltweiten Gesamtausstoß haben.
Sie verwahrten sich auch gegen das gängige Argument der fossilen Brennstoffunternehmen, dass nur die Regierungen etwas gegen den Klimawandel unternehmen können.
Nächste Schritte für Klimaprozesse
Germanwatch, die Nichtregierungsorganisation, die Lliuyas Klage von Anfang an unterstützte, bezeichnete die Entscheidung als bahnbrechend" und wies darauf hin, dass weltweit mehr als 40 ähnliche Klagen laufen.
"Die Entscheidung des Gerichts [...] ist tatsächlich ein historischer Meilenstein, auf den sich die Betroffenen an vielen Orten der Welt berufen können", so die NGO in einer Erklärung.
Seit Beginn des Verfahrens sind auch in anderen Ländern grenzüberschreitende Klimaklagen eingereicht worden. In den Niederlanden etwa stand bis vor kurzem der Öl- und Gaskonzern Shell vor Gericht, weil Nichtregierungsorganisationen fordeten, der Konzern müsse seine Emissionen zügig halbieren. Die Klage hatte keinen Erfolg. In Frankreich wurde Total darauf verklagt, seine Geschäftspraktiken in Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen zu bringen.