Immer häufiger tauchen Drohnen über Flughäfen, Militärstützpunkten oder Kraftwerken auf – oft mit unklarem Auftrag. Wie bekommt man diese möglichen Spionagedrohnen wieder vom Himmel?
Wie geht man mit einer Drohne um, die möglicherweise für Spionage eingesetzt wird? In den vergangenen Wochen haben sich die Sichtungen der kleinen unbemannten Flugobjekte in Deutschland und anderen EU-Ländern gehäuft.
Oft spähen sie kritische Infrastruktur oder Militärstützpunkte aus, oder erstellen sogenannte "digitale Zwillinge" von Stätten und Infrastruktur, die im Ernstfall für Sabotage, Spionage oder direkte militärische Angriffe genutzt werden können.
Werden Drohnen am Himmel gesichtet, setzt ein komplizierter Zuständigkeitsprozess ein. Je nach Tatort ist entweder die Landes-, Bundespolizei oder die Bundeswehr für das Abfangen der Drohnen verantwortlich.
Wie Euronews unter Berufung eines Sprechers des Verteidigungsministeriums bereits berichtete, ist die Bundeswehr nur für ihr eigenes Gelände zuständig. Sonst sind das Bundesministerium für Inneres (BMI) und die zivilen Betreiber der jeweiligen Infrastruktur für die Gefahrenabwehr verantwortlich.
Noch in der vergangenen Regierung war eine Änderung des Luftsicherheitsgesetzes geplant, die aufgrund des Regierungswechsels nicht mehr verabschiedet wurde und deswegen zu einem "monatelangen Stillstand" geführt habe, so der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz zu Euronews.
Bereits über 170 Drohnensichtungen an deutschen Flughäfen in diesem Jahr
Einem Bericht der Deutschen Flugsicherheit zufolge sind dieses Jahr bereits über 170 Drohnensichtungen an deutschen Flughäfen registriert worden. Wie viele dieser Vorfälle auf Spionage zurückgehen, ist unklar.
Der größte Anteil wird von Piloten gemeldet, weitere Fälle werden von Lotsen entdeckt. Ein Großteil dieser Behinderungen – im Mittel rund 90 Prozent – werden aus dem Umland von Flughäfen gemeldet, so die DFS zu Euronews.
In den vergangenen Tagen musste der Münchner Flughafen bereits zweimal aufgrund von Drohnensichtungen geschlossen werden. Die Rufe, die Drohnen abzuschießen werden auch hier lauter.
Der Sicherheitsexperte Nico Lange erklärte in einem Beitrag auf X, wie eine professionelle Drohnenabwehr über sensiblen Infrastrukturen aussehen müsste. Zunächst brauche es ein zuverlässiges Erkennen und Verfolgen – nicht bloß zufällige Sichtungen, sondern Radarsysteme, die auch langsam und niedrig fliegende Objekte erfassen.
Ergänzend dazu kämen akustische, elektro-optische und Wärmebildsensoren sowie Analysen des Mobilfunkverkehrs, die ungewöhnliche Datenmuster aufspüren. Im nächsten Schritt würden die Drohnen mithilfe gesammelter Daten, Profilen und KI-Unterstützung in "gefährlich" oder "ungefährlich" eingestuft. Gefährliche Fluggeräte ließen sich dann auf unterschiedliche Weise unschädlich machen: etwa durch Störungen im elektromagnetischen Spektrum, gezielte Abfangmanöver, das Unterbrechen von Funk- und Mobilfunkverbindungen oder spezielle Abfangsysteme.
Auch Paul Strobel, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit von dem Drohnenunternehmen Quantum Systems, erklärt im Gespräch mit Euronews, dass eine Abwehr – womöglich aus Drohnen selber – hier gut angepasst sein muss. Sollte eine Art Drohnen-Abwehr beispielsweise an einem Flughafen eingesetzt werden, muss sichergestellt werden, dass die Drohne nicht aus Versehen in ein Passagierflugzeug fliegt und erheblichen Schaden anrichtet.
Besonders kritische Anlagen wie Tanklager oder Tower, so Lange, sollten zudem direkt mit eigener Abwehrtechnik ausgestattet sein.
Ein Abschuss bring in den meisten Fällen jedoch gewisse Risiken mit sich: Fallende Trümmerteile können Menschenleben gefährden und Häuser oder Infrastruktur beschädigen.
"Wir sind jetzt gefordert, schnell aufzuholen"
Deutschlands bodengestützte Flugabwehr ist in den vergangenen Jahren deutlich reduziert worden: Der Flakpanzer "Gepard" wurde bis 2010/2012 außer Dienst gestellt und die Heeresflugabwehrtruppe 2012 aufgelöst. Frühere Raketen-Systeme wie "Roland" waren bereits Mitte der 2000er Jahre weitgehend ausgemustert und haben somit eine Verteidigungslücke hinterlassen.
Eine Drohne ist zudem nicht gleichzustellen mit einer Rakete. Spezifische Kapazitäten zur Erkennung und Bekämpfung von kleineren, schnellen Zielen, wie Drohnen, existierten demnach lange nicht in nennenswertem Umfang und müssen erst aufgebaut werden.
"Wir sind jetzt gefordert, schnell aufzuholen", sagte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius bei einer Pressekonferenz vergangenen Donnerstag in Berlin mit seinem Schweizer Amtskollegen, Martin Pfister.
"Wir tun das, indem wir alle Ebenen von Bekämpfung von Drohnen aufgreifen: von der Lasertechnologie über Netzwerferdrohnen, Elektrojamming, was immer schwieriger wird", so Pistorius, der damit auf die sich rasant entwickelnde Technik bezog.
"Vieles ist heute im Bereich der Provokation zu sehen"
Die Drohnensichtungen haben sich in den vergangen Wochen jedoch gehäuft, was dazu führte, dass Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) eine Neufassung des Bundespolizeigesetzes, sowie eine Anpassung des Luftsicherheitsgesetzes in Zusammenarbeit mit dem Verteidigungsministerium, ankündigte.
Um gegen die Drohnen vorzugehen, soll ein deutsches Drohnenabwehr-Kompetenzzentrum Kompetenzen von Bund, Ländern und der Bundeswehr bündeln.
Ziel ist es, einen zügigen Informationsaustausch zwischen Ländern und Bund zu ermöglichen, die Gefahrenanalyse zu verbessern und eine Koordinierung operativer Maßnahmen zu ermögliche. Dazu soll auch ein gemeinsames Forschungsprojekt mit Israel geplant sein.
Dobrindt betonte nach der Kabinettsklausur in der Villa Borsig, dass "nicht jede Drohne automatisch eine Bedrohung ist". So sei auch nicht jede Drohne, die "durch fremde Mächte gesteuert wird", automatisch eine Bedrohung, erklärte er und ergänzte, dass vieles heute im Bereich der Provokation zu sehen ist.
Müssen Drohnen abgeschossen werden oder kann man sie abfangen?
Bei der Drohnenabwehr gilt für die Truppe das Prinzip der Verhältnismäßigkeit: Risiken oder Schäden für Unbeteiligte müssen unbedingt vermieden werden, vor allem wenn Ungewissheit besteht, ob eine Drohne mit Sprengstoff oder ähnlichem beladen sein könnte.
Je nach der Art der Luftraumverletzung oder Drohnensichtung muss demnach auch die Verteidigung angepasst werden. So erklärt Paul Strobel, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit des deutschen Drohnenunternehmens Quantum Systems, im Gespräch mit Euronews, dass, sollte eine mit Sprengstoff beladene Kampfdrohne den Luftraum verletzen, es keine Debatte geben sollte, ob sie abgeschossen wird oder nicht.
Bei Spionagedrohnen hingegen hängt das Vorgehen von verschiedenen Faktoren ab: ihrem Standort, den möglichen Aufnahmen und der Frage, wie öffentlich die Reaktion ausfallen soll. Maßnahmen wie Abfangen und Auslesen wirken Strobel zufolge zwar naheliegend, sind in der Praxis jedoch schwer umzusetzen, da selbst Techniken wie Jamming oder Spoofing komplexe Verfahren erfordern.
In der Drohnenabwehr im Kriegsfall, etwa in der Ukraine, kommt das Konzept der sogenannten Multilayer Defence zum Einsatz.
Dabei handelt es sich um ein mehrstufiges Abwehrsystem, das unterschiedliche Erkennungs- und Bekämpfungsmethoden kombiniert – darunter ein Warnsystem, Abfangdrohnen, elektronische Störmaßnahmen (Jamming), Kampfflugzeuge, Luftabwehr und mobile Feuertrupps.