Ein Drohnenabwehr-Kompetenzzentrum soll künftig die Kräfte von Bund, Ländern und Bundeswehr bündeln. Kann das die bestehenden Lücken schließen? Was genau ist geplant im Umgang mit den Drohnen?
Wie geht man mit einer Drohne um, die möglicherweise für Spionage eingesetzt wird? In den vergangenen Wochen haben sich die Sichtungen der kleinen unbemannten Flugobjekte in Deutschland und anderen EU-Ländern gehäuft.
Oft spähen sie kritische Infrastruktur oder Militärstützpunkte aus, oder erstellen sogenannte "digitale Zwillinge" von Stätten und Infrastruktur, die im Ernstfall für Sabotage, Spionage oder direkte militärische Angriffe genutzt werden können.
Werden Drohnen am Himmel gesichtet, setzt ein komplizierter Zuständigkeitsprozess ein. Je nach Tatort ist entweder die Landes-, Bundespolizei oder die Bundeswehr für das Abfangen der Drohnen verantwortlich.
Wie Euronews unter Berufung eines Sprechers des Verteidigungsministeriums bereits berichtete, ist die Bundeswehr nur für ihr eigenes Gelände zuständig. Sonst sind das Bundesministerium für Inneres (BMI) und die zivilen Betreiber der jeweiligen Infrastruktur für die Gefahrenabwehr verantwortlich.
Noch in der vergangenen Regierung war eine Änderung des Luftsicherheitsgesetzes geplant, die aufgrund des Regierungswechsels nicht mehr verabschiedet wurde und deswegen zu einem "monatelangen Stillstand" geführt habe, so der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz zu Euronews.
"Wir sind jetzt gefordert, schnell aufzuholen"
Deutschlands bodengestützte Flugabwehr ist in den vergangenen Jahren deutlich reduziert worden: Der Flakpanzer "Gepard" wurde bis 2010/2012 außer Dienst gestellt und die Heeresflugabwehrtruppe 2012 aufgelöst. Frühere Raketen-Systeme wie "Roland" waren bereits Mitte der 2000er Jahre weitgehend ausgemustert und haben somit eine Verteidigungslücke hinterlassen.
Eine Drohne ist zudem nicht gleichzustellen mit einer Rakete. Spezifische Kapazitäten zur Erkennung und Bekämpfung von kleineren, schnellen Zielen, wie Drohnen, existierten demnach lange nicht in nennenswertem Umfang und müssen erst aufgebaut werden.
"Wir sind jetzt gefordert, schnell aufzuholen", sagte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius bei einer Pressekonferenz in Berlin mit seinem Schweizer Amtskollegen, Martin Pfister.
"Wir tun das, indem wir alle Ebenen von Bekämpfung von Drohnen aufgreifen: von der Lasertechnologie über Netzwerferdrohnen, Elektrojamming, was immer schwieriger wird", so Pistorius, der damit auf die sich rasant entwickelnde Technik bezog.
"Vieles ist heute im Bereich der Provokation zu sehen"
Die Drohnensichtungen haben sich in den vergangen Wochen jedoch gehäuft, was dazu führte, dass Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) eine Neufassung des Bundespolizeigesetzes, sowie eine Anpassung des Luftsicherheitsgesetzes in Zusammenarbeit mit dem Verteidigungsministerium, ankündigte.
Um gegen die Drohnen vorzugehen, soll ein deutsches Drohnenabwehr-Kompetenzzentrum Kompetenzen von Bund, Ländern und der Bundeswehr bündeln.
Ziel ist es, einen zügigen Informationsaustausch zwischen Ländern und Bund zu ermöglichen, die Gefahrenanalyse zu verbessern und eine Koordinierung operativer Maßnahmen zu ermögliche. Dazu soll auch ein gemeinsames Forschungsprojekt mit Israel geplant sein.
Dobrindt betonte nach der Kabinettsklausur in der Villa Borsig, dass "nicht jede Drohne automatisch eine Bedrohung ist". So sei auch nicht jede Drohne, die "durch fremde Mächte gesteuert wird", automatisch eine Bedrohung, erklärte er und ergänzte, dass vieles heute im Bereich der Provokation zu sehen ist.
Müssen Drohnen abgeschossen werden oder kann man sie abfangen?
Bei der Drohnenabwehr gilt für die Truppe das Prinzip der Verhältnismäßigkeit: Risiken oder Schäden für Unbeteiligte müssen unbedingt vermieden werden, vor allem wenn Ungewissheit besteht, ob eine Drohne mit Sprengstoff oder ähnlichem beladen sein könnte.
Je nach der Art der Luftraumverletzung oder Drohnensichtung muss demnach auch die Verteidigung angepasst werden. So erklärt Paul Strobel, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit des deutschen Drohnenunternehmens Quantum Systems, im Gespräch mit Euronews, dass, sollte eine mit Sprengstoff beladene Kampfdrohne den Luftraum verletzen, es keine Debatte geben sollte, ob sie abgeschossen wird oder nicht.
Bei Spionagedrohnen hingegen hängt das Vorgehen von verschiedenen Faktoren ab: ihrem Standort, den möglichen Aufnahmen und der Frage, wie öffentlich die Reaktion ausfallen soll. Maßnahmen wie Abfangen und Auslesen wirken Strobel zufolge zwar naheliegend, sind in der Praxis jedoch schwer umzusetzen, da selbst Techniken wie Jamming oder Spoofing komplexe Verfahren erfordern.
In der Drohnenabwehr im Kriegsfall, etwa in der Ukraine, kommt das Konzept der sogenannten Multilayer Defence zum Einsatz.
Dabei handelt es sich um ein mehrstufiges Abwehrsystem, das unterschiedliche Erkennungs- und Bekämpfungsmethoden kombiniert – darunter Abfangdrohnen, elektronische Störmaßnahmen (Jamming) und mobile Feuerstellungen.
Allerdings bringt der Abschuss von Drohnen auch Risiken mit sich: Fallende Trümmerteile können Menschenleben gefährden und Häuser oder Infrastruktur beschädigen.