Ines Schwerdtner, Bundesvorsitzende der Linken, war kurz vor Mamdanis Wahl in New York. Euronews erzählt Sie, was sie für Deutschland von ihrer Reise mitgenommen hat.
Der Sieg des neuen Bürgermeisters Zohran Mamdani in New York wirkt in den Trump-regierten Vereinigten Staaten wie ein Märchen für die Linken. Mamdani selbst nennt sich "Trumps schlimmsten Albtraum", denn sein Standpunkt verordnet sich im linken Flügel der demokratischen Sozialisten.
Kurz vor Ende des Wahlkampfes hatte Mamdanis Team deutschen Besuch. Eine Delegation der Linken: darunter die Bundesvorsitzende Ines Schwerdtner, sowie Maximilian Schirmer, Co-Vorsitzender der Berliner Linken. Sie hoffen auf Erkenntnisse für die anstehende Kampagne der Spitzenkandidatin Elif Eralp für das Berliner Abgeordnetenhaus.
Aber auch auf Bundesebene habe Schwerdtner wertvolle Erkenntnisse gewonnen, erzählte sie Euronews. "Viele glauben, linke Forderungen seien 'zu radikal'", so die Linken-Vorsitzende. Mamdanis Wahlsieg in New York habe bewiesen, "wer sich traut, für soziale Gerechtigkeit laut zu sein – der kann gewinnen. Das ist die Blaupause: radikal ehrlich, radikal solidarisch, radikal nah bei den Menschen."
Linken-Vorsitzende Schwerdtner in New York: "Ein Weckruf"
Für die Linkenpolitikerin, die sich den Bundesvorsitz mit Jan van Aken teilt, war dieser Wahlkampf ein "Weckruf". Die Themen in New York spiegeln sich auch im deutschen Alltag wieder: Sich das Wohnen leisten können, mit dem Öffentlichen Nahverkehr ans Ziel kommen, die Lebenshaltungskosten eindämmen. Auf der Plattform X gratulierte Schwerdtner mit dem Versprechen: "Wenn ein demokratischer Sozialist im Herzen des Kapitalismus gewinnen kann, kann man überall gewinnen".
Auch nach dem Sieg sei Schwerdtner noch immer angesteckt von der Energie dieses Wahlkampfes. Er habe sie an die Kampagne vor der Bundestagswahl erinnert.
"Mamdanis Wahlkampf war ein Wahlkampf zum Anfassen, mit Haltung, Herz und Hausbesuchen. Kein Hochglanz, sondern echtes Engagement", sagte sie. Vor der Bundestagswahl sei sie selbst von Tür zu Tür gegangen, hätte mit Nachbarn geredet und deren Sorgen angehört. "So sieht Politik aus, die verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnt." Und das könne man ihrer Ansicht nach vor allem mit konkreten Themen.
Wohnen als zentrales Thema sozialer Ungleichheit
"Mamdanis Wahlkampf war kein PR-Stunt, sondern ein solidarischer Aufstand gegen Mietenwahnsinn, Sozialkahlschlag und Rassismus", erklärt Schwerdtner Euronews. Die Politikerin stellte insbesondere das Thema Wohnen in den Vordergrund.
"Ein Mietendeckel ist ebenso wie die Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne machbar und wird auch von großen Teilen der Bevölkerung gewollt." Auch in New York habe sich gezeigt, dass die große Mehrheit die Themen, die Mamdani in den Vordergrund gestellt hat, unterstützt.
Selbst viele Konservative in den USA teilten in einer Umfrage der Rosa-Luxemburg-Stiftung im Auftrag der Democratic Socialists die Sicht, dass das Wirtschaftssystem vor allem Reiche bevorzuge: 58 Prozent der Befragten, die sich als Republikaner beschreiben, sehen das Wirtschaftssystem zugunsten von Reichen verzerrt. Bei den Befragten, die sich als Demokraten beschreiben, waren es 82 Prozent.
Mamdanis Themen treffen also nicht nur den Nerv vieler Amerikaner. So treibt die Angst, die eigenen Lebenshaltungskosten nicht mehr tragen zu können, die Deutschen nach einerStudie der R+V Versicherung im Jahr 2025 am meisten um. Knapper Wohnraum und hohe Preise belegte demnach Platz 4 der größten Ängste.
Der Mietendeckel in Berlin sowie die Vergesellschaftung einiger Wohnungskonzerne hätten "große gesellschaftliche Unterstützung genossen", so Schwerdtner. Städte wie Leipzig, Köln oder Freiburg würden dies auch brauchen. "Wenn der politische Wille da ist, geht das auch gesetzlich".
Schwerdtner: "Gäbe es eine Volksabstimmung, hätten wir eine Vermögenssteuer"
Indes wächst in Deutschland die Unzufriedenheit mit der aktuellen Bundesregierung. 55 Prozent stellen Schwarz-Rot in einem aktuellen Politbarometer des ZDF ein schlechtes Zeugnis aus. Sie sehen aber in der AfD, die derzeit in der Sonntagsfrage gleichauf mit der Union liegt, keine Alternative: rund zwei Drittel glauben, mit ihnen wäre die Politik schlechter.
Das Gesamtbild findet sich auch bei der Bewertung einzelner Entscheidungen wieder. Bei spezifischen Themen stimmen die Forderungen und Verhandlungen der deutschen Regierung nicht immer mit den Positionen der Deutschen überein. Besonders stark zeigt sich das im ZDF-Politbarometer bei den Sozialausgaben: 63 Prozent sind gegen Einsparungen, die von der Koalition angestrebt wurden. Aber auch mögliche Steuererhöhungen für Besserverdienende, denen die Union eine klare Absage erteilt, werden von 69 Prozent befürwortet, 27 Prozent bewerten das kritisch.
"Gäbe es darüber eine Volksabstimmung, dann hätten wir wieder eine Vermögenssteuer", mutmaßt Schwerdtner. Genug Geld gebe es, es sei nur falsch verteilt, fügt sie hinzu. "Die eindeutige Mehrheit der Bevölkerung möchte dies, sogar bei den Anhängern der Union."
Die Linke fordert eine "gerechte Besteuerung von Vermögen über zwei Millionen Euro". Den Parteivorschlag bewertet Schwerdtner als "nicht besonders radikal und durchaus anschlussfähig". Für die Bundesvorsitzende könnte das Geld in die Instandhaltung von Schulen, die Gehälter von Pflegekräften und in Unterstützung bei den Heizkosten umverteilt werden.
Junge Wähler wählten überdurchschnittlich links
Gesellschaftliche Themen wie Wohnen, Lebenshaltungskosten und Sozialabgaben kommen insbesondere bei den jungen Menschen an. Bei der Bundestagswahl 2025 hat die Linke insbesondere dank Stimmen der jungen Menschen zwischen 10 und 24 Jahren (25 Prozent) und 25-34 Jahren (16 Prozent) zugelegt. So ungleich verteilt waren die Stimmen in keiner anderen Partei.
Zur jungen Anhängerschaft verholfen hat den Parteien letztendlich auch der Social-Media-Alghorithmus, zeigt eineStudie der Universität Potsdam und der Bertelsmann Stiftung. Dort wurden die Anteile der von Parteien geteilten Videos mit den im Feed am meisten vertretenen verglichen. Davon haben demnach insbesondere die Parteien an den politischen Rändern profitiert.
Die AfD hat einen Anteil von 21,5 Prozent der von Parteien hochgeladenen Videos ausgemacht. Jungen Nutzern wurden sie mit 37,4 Prozent fast doppelt so häufig vorgeschlagen. Die Linke konnte ihre Sichtbarkeit sogar beinahe verdreifachen. Die Linke veröffentlichte 9,7 Prozent aller Parteivideos auf Social Media, wurde aber mit einem Anteil von 27,6 Prozent angezeigt.
Eine weitere Parallele zu New York: Auch Mamdani hat bei der jungen Wählerschaft gepunktet, er selbst ist mit 34 Jahren der jüngste Bürgermeister New Yorks seit mehr als einem Jahrhundert. So nimmt die Linke neuen Schwung mit aus der Wahl in Übersee. Doch die Fragen, ob sich kommunalpolitische Themen so einfach auf das gesamte deutsche Bundesgebiet übertragen lassen und wie die Linke sich außenpolitisch aufstellen würde, gibt es bisher noch keine Antworten.