Ende September sorgte ein Schild mit der Aufschrift „Juden haben hier Hausverbot“ für bundesweite Empörung. Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben. Doch der Fall ist komplizierter als ursprünglich angenommen.
Der Flensburger Ladenbetreiber Hans Velten Reisch hat im September mit einem an seinem Geschäft angebrachten Schild bundesweit Empörung ausgelöst. Darauf stand: „Juden haben hier Hausverbot! Nichts Persönliches. Kein Antisemitismus. Kann euch nur nicht ausstehen.“
Nun hat der Vorfall rechtliche Folgen. Die Staatsanwaltschaft Flensburg teilte mit, bereits Ende Oktober Anklage gegen Reisch erhoben zu haben - wegen des Verdachts der Volksverhetzung nach Paragraf 130 des Strafgesetzbuchs.
Ermittlungen sind abgeschlossen
Die Staatsanwaltschaft teilte mit, dass die Ermittlungen abgeschlossen seien. In seiner Vernehmung habe der Ladenbetreiber erklärt, das Hausverbot damit zu begründen, dass alle ihm bekannten jüdischen Personen seiner Wahrnehmung nach den Krieg im Gazastreifen nicht ablehnten. Nach Angaben der Ermittler äußerte er zudem, rückblickend erkannt zu haben, dass er zwischen verschiedenen Positionen jüdischer Personen zum Krieg hätte unterscheiden müssen. Auf dem Aushang hatte er betont, keine antisemitische Haltung zu haben.
Fall komplizierter als gedacht
Im Zuge der Emittlungen sei zudem auch die Resonanz in sozialen Medien untersucht worden - insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Störung des öffentlichen Friedens. Staatsanwalt Thorkild Petersen-Thrö sieht zudem Anhaltspunkte für eine Aufstachelung zum Hass.
Dabei spiele auch eine Rolle, inwieweit historische Bezüge erkennbar seien. „Boykottaufrufe dieser Art hatten am Ende eine zentrale Rolle bei der Verfolgung jüdischer Menschen“, sagte Petersen-Thrö. Deshalb sei der Vorfall aus Sicht der Ermittler schwerer zu bewerten, als es ein einzelner Aushang vermuten lasse.
Hintergrund
Die Polizei wurde am 18. September auf das Schild aufmerksam. Wie der Polizeisprecher der Region Förde.news erzählte, entfernten Beamte den Zettel „aus gefahrenabwehrenden Gründen“, um eine mögliche Störung der öffentlichen Ordnung zu verhindern. Kurze Zeit später hing die Botschaft wieder - diesmal im Inneren des Ladens an einer Wand gegenüber der Eingangstür.
Reisch wies in einem Interview mit Förde.news den Vorwurf zurück, extremistisch zu sein. Er beschrieb sich als „etwas links, etwas rechts - aber nicht radikal“ und betonte: „Ich bin kein Nazi.“ Er begründete das Hausverbot damit, keine Kundschaft bedienen zu wollen, die seiner Ansicht nach den Krieg in Israel unterstütze. Wer sich klar vom Krieg distanziere, sei willkommen.
Nach Angaben des Inhabers verkauft der Laden vor allem Werkstattbücher über Motoren. Im Innenraum hängt eine Reichskriegsflagge sowie ein Emblem der früheren RAF. Letztere habe er, so der Betreiber, aus Protest gegen die Corona-Politik aufgehängt.
Boycott-Aufrufe auf Social Media
Der Vorfall löste weit über Flensburg hinaus heftige Reaktionen aus. In sozialen Medien wurde zu Boykotten aufgerufen, viele wollten wissen, um welches Geschäft es sich handelt. Teilweise tauchten sogar Aufrufe auf, den Laden zu „beschmieren“ oder in Brand zu setzen. Bereits einen Tag nach dem Polizeieinsatz im September war die Fensterscheibe des Geschäfts mit Parolen wie „Nazis raus“ besprüht.
Es gab jedoch auch friedlichere Reaktionen: Die Flensburger Grünen starteten nach dem Vorfall die Plakataktion „Kein Platz für Hass: Offen für alle!“. Zahlreiche Geschäfte schlossen sich an und hängten ähnliche Botschaften in ihre Schaufenster.
Wie es jetzt weitergeht
Ob es zu einem Verfahren kommt, ist vorerst offen. Das Amtsgericht Flensburg muss noch über die Zulassung der Anklageschrift und die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden. Das kann laut Staatsanwaltschaft mehrere Wochen dauern.
Sollten sich die Vorwürfe im Prozess jedoch bestätigen, komme eine Freiheitsstrafe für den Ladeninhaber in Betracht. Eine Geldstrafe sieht der entsprechende Straftatbestand nur in Ausnahmefällen vor.