Für den Koalitionspartner ist es ein absolutes No-Go, angesichts der Haushaltslücken in Milliardenhöhe sieht sich Lars Klingbeil nun jedoch gezwungen, die umstrittene Maßnahme ins Spiel zu erwägen: Der Finanzminister schließt Steuererhöhungen in naher Zukunft nicht aus.
Finanzminister Lars Klingbeil hat angekündigt, dass er Steuererhöhungen nicht ausschließt. Vor allem Spitzenverdiener und Vermögende müssten Ihren Teil für mehr Gerechtigkeit in Deutschland leisten, so der SPD-Politiker gegenüber dem ZDF in seinem Sommerinterview. Grund für diese Überlegungen sind Haushaltslücken in Milliardenhöhen. Für 2027 fehlen dem Staat rund 30 Milliarden Euro.
Steuererhöhungen als Teil eines Gesamtpakets an Sparmaßnahmen
Mit seinem Vorschlag hält sich Klingbeil dabei an die übliche Linie der SPD. Man sei in der Partei schon immer der Meinung gewesen, dass die höhere Besteuerung von Top-Verdienern für mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft führen würde, so seine Aussage im ZDF. Zwar müsse für die Beseitigung der umfassenden Finanzierungslücken eine gesamtheitliche Strategie entwickelt werden. So könnte ein mögliches Gesamtpaket auch den Abbau von Subventionen, eine Reform der sozialen Sicherungssysteme und Sparmaßnahmen in den Ministerien beinhalten. Dennoch könnten Steuererhöhungen laut Klingbeil eine zentrale Rolle spielen. Zumindest werde "keine Option vom Tisch genommen".
Söder: Steuererhöhungen "völlig ausgeschlossen"
Eigentlich ein absolutes Tabu - vor allem für CSU-Chef Markus Söder. Der hatte bereits während der Sondierungsgespräche mehrmals öffentlich bekräftigt, dass Steuererhöhungen völlig ausgeschlossen seien. Stattdessen sprach er sogar von Steuersenkungen.
Bei den führenden Christdemokraten in Berlin scheint diese Haltung nicht ganz so sehr in Stein gemeißelt zu sein. So schloss auch Bundeskanzler Friedrich Merz während eines TV-Interviews mit der ARD im April mögliche Steuererhöhungen zumindest nicht kategorisch aus. Zwar lehne er Steuererhöhungen im Prinzip ab. Es sei jedoch schwer, etwas über zukünftige Entwicklungen vorherzusagen. "Man soll nie ‚nie‘ sagen“, so der CDU-Chef.
Haushaltslücke von 172 statt 144 Milliarden Euro
Die Bundesregierung steht in den Jahren 2027 bis 2029 vor einer deutlich größeren Haushaltslücke als erwartet. Es fehlen rund 172 Milliarden Euro, statt wie bisher angenommen 144 Milliarden Euro. Die Gründe dafür sind vielfältig. So sorgt die Mütterrente, die ab 2027 früher ausgezahlt werden soll für zusätzliche Kosten für den Staat . Auch der sogenannte Wachstumsbooster und die damit verbundenen steuerlichen Entlastungen für Unternehmen sorgen für Steuerausfälle und vergrößern damit das Finanzierungsdefizit. Schließlich tragen steigende Zinsausgaben und die nun bereits zum dritten Jahr schwächelnde deutsche Wirtschaft ebenfalls ihren Teil dazu bei.
Sein Sommerinterview, seine bisherige Arbeit als Finanzminister
In seinem Sommerinterview hat Lars Klingbeil gegenüber seinem Koalitionspartner sowohl Kritik als auch Lob übrig. So kritisiert er die Aussage von Wirtschaftsministerin Katharina Reiche, die im Zuge der Debatte um eine mögliche Rentenreform für eine Längere Lebensarbeitszeit plädiert. Ihren Appell, „dass doch jetzt alle mal mehr und länger arbeiten sollen“, hält Klingbeil für unzureichend und nicht zielführend. Solche Forderungen würden häufig von Menschen mit sehr hohen Einkommen und Vermögen kommen, was seiner Meinung nach die soziale Realität vieler Menschen verkennt.
Die gescheiterte Wahl der Juristin Frauke Brosius-Gersdorf zur Verfassungsrichterin scheint noch besonders tief zu sitzen. Klingbeil betont, dass man sich auf die Unionsfraktion in dieser Frage nicht habe verlassen können. Mit Blick auf kommende politische Herausforderungen warnt er deshalb: "Wir haben schwierige Entscheidungen vor uns, und die kriegen wir nicht durch, wenn jedes Mal beim ersten Gegenwind dann eine Fraktion nicht mehr steht.“
Gegenüber dem Kanzler findet Klingbeil hingegend anerkennende Worte. „Erst mal will ich sagen, dass ich dem Bundeskanzler sehr dankbar bin, dass er da wirklich eine Führungsrolle einnimmt, die Europäer eng zusammenzuhalten“, betont der Vizekanzler mit Blick auf die aktuellen Ereignisse rund um die Friedensbemühungen in der Ukraine.