Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich im September verschlechtert. Viele zweifeln an der Erholung trotz Anreizversuchen. Währenddessen hinken die europäischen Aktien der Wall Street hinterher, da sich der Fokus der Anleger verschiebt.
Die Konjunkturaussichten in Deutschland haben sich im September eingetrübt, die Geschäftslage in der Wirtschaft ist stärker als erwartet zurückgegangen. Dies hat erneut Zweifel am Tempo der Erholung in Europas größter Volkswirtschaft aufkommen lassen. Experten stellen die Tragfähigkeit der massiven finanzpolitischen Maßnahmen Berlins in Frage.
Der Rückschlag fällt mit einer anhaltenden Verschiebung der Präferenzen globaler Investoren zusammen. Europäische Aktien verlieren gegenüber einer wiedererstarkten Wall Street an Boden.
Geschäftsvertrauen in Deutschland sinkt
Der ifo-Geschäftsklimaindex, ein wichtiges Barometer für die Stimmung der Unternehmen in Deutschland, fiel im September auf 87,7 von 88,9 im August. Erwartet hatten die Ökonomen jedoch einen Anstieg auf 89,3 Punkte. Die halbjährige Aufwärtsbewegung wurde somit unterbrochen.
Der Rückgang spiegelt den zunehmenden Pessimismus unter den deutschen Unternehmen wider, die von einer geringeren Zufriedenheit mit der aktuellen Tätigkeit und düsteren Erwartungen für die kommenden Monate berichten.
"Die Aussichten auf eine wirtschaftliche Erholung haben einen Rückschlag erlitten", stellte Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts, fest. Die Wirtschaft schwächelt in vielen Sektoren.
Das verarbeitende Gewerbe meldete einen weiteren Rückgang der Auftragseingänge. Die Stimmung im Dienstleistungssektor ist auf den niedrigsten Stand seit Februar gesunken. Dahinter stecke eine deutliche Verschlechterung im Bereich Verkehr und Logistik.
Im Handel gab es gemischte Signale, wobei die Einzelhändler etwas optimistischer waren, während die Großhändler eher negativ reagierten. Nur das Baugewerbe zeigte sich widerstandsfähig und verzeichnete sowohl bei den aktuellen Einschätzungen als auch bei den Zukunftsaussichten bescheidene Zuwächse.
Ökonomen warnen: Deutsche Konjunkturpläne könnten zu kurz greifen
Oliver Rakau, Deutschland-Chefvolkswirt bei Oxford Economics, ist der Ansicht, dass Umfang und Struktur des deutschen Konjunkturprogramms nicht ausreichen werden, um das Wachstum rechtzeitig anzukurbeln.
"Die deutsche Regierung hat eine ehrgeizige fiskalische Lockerung eingeleitet. Aber der investitionsintensive Charakter, das große Ausmaß und die Konzentration auf Sektoren, die angesichts eines angespannten Arbeitsmarktes bereits ausgelastet sind, machen Verzögerungen wahrscheinlich", sagte Rakau.
Die Daten der Vergangenheit zeigen, dass Berlin seine Investitionsziele wiederholt verfehlt hat. Ein 10-prozentiger Rückstand bei der Umsetzung der aktuellen Infrastruktur- und Verteidigungspläne könnte das BIP-Wachstum im nächsten Jahr um 0,4 Prozentpunkte schmälern, warnte Rakau.
Obwohl es im Baugewerbe einige freie Kapazitäten gibt - ein Erbe früherer politischer Straffungen - sind Engpässe nach wie vor weit verbreitet, insbesondere in den Verteidigungssektoren, die nun seit Jahren boomen.
Langsame Planungsprozesse und begrenzte Flexibilität bei der Ausweitung der Produktion könnten bedeuten, dass ein Großteil der Ausgaben verzögert oder in Importe umgelenkt wird, was die unmittelbaren Auswirkungen auf die inländische Produktion dämpft.
Ein weiteres großes Hindernis ist der Arbeitskräftemangel. Die Arbeitslosenquote in Deutschland gehört nach wie vor zu den niedrigsten in Europa, und trotz eines Rückgangs der Kapazitätsauslastung berichten die Arbeitgeber weiterhin über einen anhaltenden Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Es erweist sich als schwierig, genügend qualifizierte ausländische Arbeitskräfte anzuwerben, um den Engpass zu beheben.
"Wir sind nicht davon überzeugt, dass die Maßnahmen der Regierung zur Behebung der Engpässe schnell genug Früchte tragen werden", so Rakau weiter. "Dies ist einer der Gründe, warum wir für 2026 ein BIP-Wachstum unterhalb der Konsenswerte sehen, obwohl wir für 2027 optimistischer bleiben, da die Konjunkturmaßnahmen allmählich an Fahrt gewinnen."
Europäische Aktien rutschen ab
Die schwachen deutschen Daten trugen zu einem breiteren Abschwung an den europäischen Märkten bei. Diese waren bereits angespannt, nachdem der Vorsitzende der US-Notenbank Jerome Powell am Dienstag Warnungen aussprach. Zinssenkungen in den USA seien keine Selbstverständlichkeit. Er verwies auf die anhaltenden Risiken im Zusammenhang mit der Inflation und den Ungleichgewichten auf dem Arbeitsmarkt.
Powell fügte außerdem hinzu, dass die Aktienmärkte "ziemlich hoch bewertet" seien, was bei den Anlegern einige Bedenken hervorrief.
Am Mittwoch gab der EURO STOXX 50 um 0,3 Prozent nach und spiegelte damit den Rückgang des breiter gefassten EURO STOXX 600 wider.
Der italienische FTSE MIB, der durch Bankaktien belastet wurde, führte die Rückgänge mit einem Minus von 1,3 Prozent an, während der französische CAC 40 um 0,4 Prozent und der deutsche DAX um 0,2 Prozent nachgaben.
Bei den einzelnen Blue-Chip-Werten gaben Essilor, L'Oréal und Mercedes-Benz um jeweils 1,6 Prozent nach, während Carrefour und Rheinmetall gegen den Trend um 2,2 Prozent zulegten.
Der Euro schwächte sich auf 1,1770 Dollar ab und verzeichnete damit seinen fünften Verlust in sieben Sitzungen, während die Renditen deutscher Bundesanleihen bei 2,74 Prozent verharrten. Der Spread zwischen französischen OATs und Bundesanleihen blieb mit 80 Basispunkten auf einem hohen Niveau, nahe dem Monatshoch.
Wall Street erobert das Rampenlicht zurück
Nachdem sie in der ersten Jahreshälfte 2025 über weite Strecken an der Spitze der amerikanischen Märkte standen, schneiden europäische Aktien im Vergleich zur Wall Street nun schlechter ab.
Der EURO STOXX 600 ist im September unverändert geblieben und verzeichnete im Juli und August minimale Gewinne von 0,7 Prozent bzw. 0,8 Prozent.
Der S&P 500 hingegen hat in den letzten drei Monaten um 8 Prozent zugelegt, wobei allein der September mit einem Plus von 3 Prozent das stärkste Monatsergebnis seit 2010 darstellt.
Der Enthusiasmus der Anleger für KI-Innovationen, gute Gewinne im Technologiesektor und die Möglichkeit einer Lockerung der FED-Politik treiben die US-Aktien weiterhin an.
Die kombinierte Marktkapitalisierung der "Magnificent Seven" - Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon, Meta, Tesla und Nvidia - übersteigt inzwischen 21 Billionen US-Dollar (18 Milliarden Euro) und damit das gesamte BIP der Eurozone.
Da die fiskalischen Anreize in Deutschland mit Ausführungsrisiken behaftet sind und die wirtschaftliche Dynamik der Eurozone ins Stocken gerät, konzentriert sich das globale Kapital wieder auf das vermeintliche Wachstum der Vereinigten Staaten.
Nach den jüngsten Daten des US-Finanzministeriums kauften ausländische Anleger im vergangenen Jahr bis Juli 2025 US-Aktien und -Anleihen im Wert von 1,7 Milliarden Dollar (1,5 Milliarden Euro).
Im Jahr 2025 beliefen sich die ausländischen Nettokäufe amerikanischer Vermögenswerte bisher auf 743,2 Mrd. Dollar (631,83 Milliarden Euro) - mehr als das Dreifache der 214,5 Milliarden Dollar, die im gleichen Zeitraum des Vorjahres verzeichnet wurden. Das ist auch deutlich mehr als die 555,4 Milliarden Dollar, die in den ersten sieben Monaten des Jahres 2023 verzeichnet wurden.