Stillstand bei Normalisierungsgesprächen zwischen Kosovo und Serbien

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Beim Spitzengespräch zwischen Serbiens Präsident Vucic und Kosovos Regierungschef Kurti ist nichts Vernünftiges herausgekommen: Dialog ohne Ergebnis.

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Bei den Brüsseler Gesprächen über eine weitere Normalisierung zwischen Serbien und Kosovo konnten an diesem Montag keine Fortschritte erzielt werden.

Es war das erste direkte Treffen zwischen dem Präsidenten Serbiens, Aleksandar Vučić, und dem kosovarischen Regierungschef, Albin Kurti.

EU-Vermittler Miroslav Lajčak sagte nach dem Treffen:

"Es war ein schwieriges Treffen. Die Gesprächspartner zeigten, dass sie sehr unterschiedliche Vorstellungen von der Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo haben. Darum erzielten wir heute nur sehr geringe Fortschritte."

Vergangenheit oder Zukunft

Seit 1878 habe Serbien dreimal Völkermordaktionen gegen Kosovo-Albaner organisiert, soll Kurti dem serbischen Präsidenten ins Gesicht gesagt haben.

Vučić reagierte darauf mit der Bemerkung, Kurti lebe in der Vergangenheit.

Aleksandar Vučić vor Journalisten: “Sie haben immer wieder dasselbe gesagt, man habe keine Zukunft, wenn man die Vergangenheit ignoriere. Es war ein Teufelskreis. Hoffentlich werden wir bis Anfang September noch irgendwie weitermachen können..."

Europäische Zukunft

Auch wenn das Treffen ergebnislos verlief, erklärten Serbien und Kosovo erneut, dass sie der EU beitreten wollten. Das geht aber nur, wenn ausstehende Probleme gelöst werden. Vorher.

Der EU-Außenbeauftrage, Josep Borrell, hatte vor dem Vučić-Kurti-Clash gesagt, beide Staaten hätten eine europäische Zukunft.

“Serbien und Kosovo sollten endlich dieses Kapitel ihrer schmerzhaften Vergangenheit zu einem Abschluß bringen. Sie sollten ein umfassendes, gesetzlich verbindliches Abkommen über die Normalisierung ihrer Beziehungen vereinbaren. Es geht um eine europäische Zukunft für ihre Bürger. Die Zukunft ist wichtiger als die Vergangenheit. Die Vergangenheit ist wichtig - aber wir müssen nach vorne blicken."

Einige Brüsseler Beobachter meinen, eine engere Absprache zwischen Europäischer Union und den USA könne hilfreich sein, neuen Schwung in die Verhandlungen zu bringen.

Gemeinsames Ziel: Normalisierung

Die Europäische Union bemüht sich bereits seit 2011, einen "Dialog" zwischen Serbien und Kosovo in Gang zu halten. Dabei haben sich EU, Serbien und Kosovo auf ein gemeinsames Ziel geeinigt, das einen Namen hat: Normalisierung. Das ist keine "heiße Luft", sondern angewandte Diplomatie - mit durchaus konkreten Ergebnissen. Wer sich im Rückblick ansieht, wie groß die Spannungen zwischen den "Volksgruppen" noch vor einem Jahrzehnt waren - und wie es heute zumindest in Teilbereichen möglich ist, nebeneinander zu leben, der kann der EU-Politik Teilerfolge bescheinigen und konstatieren, dass Brüssel es mit einer geschickten Mischung aus Scheckbuchdiplomatie und Druck geschafft hat, eine langsame Entwicklung hin zu einer gewissen Beruhigung anzustoßen - auch wenn es immer wieder Verzögerungen, ja Rückschritte gibt in diesem "Normalisierungsprozess".

Wichtigster Hebel der europäischen Diplomaten ist die von allen Balkanstaaten ersehnte "Beitrittsperspektive" zur Europäischen Union, die von Brüssel quasi in "Salamitaktik" scheibchenweise serviert wird. Die EU verknüft diese "Beitrittsperspektive" seit Jahren mit knallharten Bedingungen: innere Reformen, friedliches Miteinander... "Normalisierung" eben, auf allen Ebenen.

Geschichte eines Dialogs

In den ersten Jahren dieses Dialogs, 2011 und 2012, wurden zunächst einmal zwanzig technische Fragen abgeräumt, beispielsweise Bewegungsfreiheit. Dann begann der politische Dialog, die Regierungschefs wurden zugeschaltet. Erster gemeinsamer Erfolg für Serbien, Kosovo und die EU war das im Frühling 2013 unterzeichnete "Brüsseler Abkommen" - in dessen Folge Serbien 2014 grünes Licht für die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen erhielt... und Kosovo im Folgejahr, 2015, ein "Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen" mit der Europäischen Union vereinbarte.

Die Dynamik nutzten alle Beteiligten für konkrete Verbesserungen im Alltag, wichtige Reformen wurden auf den Weg gebracht. So einigten sich Serbien und Kosovo 2015 darauf, die serbischen parallelen Polizei- und Justizstrukturen im mehrheitlich von Kosovo-Serben bewohnten Nordkosovo aufzulösen und in die kosovarischen Strukturen zu integrieren. Bei der Polizei klappte das recht gut und schnell. Bei den Justizbehörden etwas später.

Schlechter Jahrgang und politische Enteisungshilfe aus Brüssel

2018 war dann ein schlechter Jahrgang für den Dialog. Kosovo verhängte einen hundertprozentigen Strafzoll auf Importe aus Serbien (und Bosnien-Herzegowina), als Reaktion auf ein Votum gegen eine Kosovo-Mitgliedschaft in der internationalen Polizeibehörde Interpol. Die "Normalisierung" lag zwanzig Monate lang auf diplomatischem Eis. Erst im Sommer des vergangenen Jahres tauten Serbien und Kosovo den Dialog - erneut mit Hilfe aus Brüssel - wieder auf (nachdem Kosovo die Strafzölle rückgängig gemacht hatte).

Einerseits schafft es die EU tatsächlich immer wieder, stockenden Gesprächen neuen Schwung zu verleihen, Abgleiten in Schlimmeres zu vermeiden, Hoffnung am Leben zu erhalten. Andererseits tut sich die EU aber auch schwer damit, einheitlich aufzutreten und mit einer gemeinsamen Stimme zu sprechen - denn immer noch nicht erkennen alle EU-Staaten das Kosovo an. Weltweit wird das kleine Balkanland mittlerweile von über hundert Ländern anerkannt, auch von Deutschland und Frankreich und der großen Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten. Doch fünf EU-Mitglieder gehen in der Kosovofrage einen Sonderweg und verweigern - so wie auch Serbien, Russland und China - Pristina ihre staatliche Anerkennung.

Bremsklotz Geschichte - und Politikversagen regionaler Machteliten

Warum sind die Spannungen zwischen den verschiedenen Volksgruppen in der Region immer noch so stark? Das liegt auch aber nicht nur an unfähigen regionalen "Eliten", denen eher am eigenen Machterhalt als an einer konstruktiven Aufarbeitung der Vergangenheit gelegen ist. Es liegt auch am Ausmaß der Gräueltaten, die - auf beiden Seiten - während des Kosovo-Kriegs in den Jahren 1998 und 1999 verübt wurden.

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Dem Krieg waren jahrelange Streitereien um den Status des Kosovo (damals noch innerhalb Jugoslawiens) vorangegangen. Der Konflikt kulminierte 1989, als der jugoslawische Präsident Slobodan Milošević alle Autonomierechte des Kosovo annullierte. Die Folge war die Auflösung der kosovarischen politischen Institutionen. Es floss weniger Geld in die Region. Unterricht durfte nicht mehr auf Albanisch abgehalten werden. In den 1990er Jahren verloren viele Kosovo-Albaner ihre Arbeit in Verwaltungen und Staatsbetrieben und wurden zunehmend vom öffentlichen Leben ausgeschlossen.

Im Krieg wurde die kosovo-albanische Zivilbevölkerung Opfer systematischer Überfälle, Vertreibungen und Massenmorde. Auch die kosovo-albanische Befreiungsarmee UÇK machte sich schwerer Menschenrechtsverbrechen schuldig. Zwischen 1998 und 2000 starben oder verschwanden mindestens 13.535 Menschen.

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