Island: Alarm wegen "schönem, aber tödlichem" schwarzen Sandstrand

Der schwarze Sandstrand Reynisfjara im Süden Islands
Der schwarze Sandstrand Reynisfjara im Süden Islands Copyright Jenna Gottlieb
Von Jenna Gottlieb
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Reynisfjara ist eine der beliebtesten Touristenattraktionen Islands, aber der Strand hat auch seine Schattenseiten: In den letzten Jahren wurden 12 schwere Notfälle gemeldet, fünf Touristen kamen ums Leben.

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Islands berühmter schwarzer Reynisfjara-Sandstrand an der malerischen Südküste ist ein Anziehungspunkt für internationale Besucher:innen, aber eine Kombination aus Geologie und der rauen Kraft des Meeres macht ihn auch zu einer tödlichen Attraktion. Bereits mehrere Tourist:innen wurden hier von den Wellen ins Meer hinausgetragen.

Jetzt arbeiten die örtlichen Behörden an einem Plan, um das Gebiet sicherer zu machen.

Was sind Sneaker Waves?

Sneaker-Wellen sind ein natürliches Phänomen, das auftritt, wenn mehrere kleinere Wellen ihre Energie bündeln und eine größere Welle bilden. Dies kann durch Meeresströmungen oder, wie im Fall von Reynisfjara, durch eine unterirdische Klippe vor der Küste verursacht werden, die die Sogwirkung der Welle noch verstärkt.

Am Strand von Reynisfjara kommen Sneaker-Wellen viel weiter heran als andere Wellen, sind unglaublich stark und können einen Erwachsenen schnell aufs Meer hinausspülen.

Für Menschen, die von einer Sneaker-Welle erfasst werden, ist es äußerst schwierig, wieder ans Ufer zu gelangen - und bei einer Wassertemperatur von nur wenigen Grad über dem Gefrierpunkt kann es schnell zu einer Unterkühlung kommen, die tödlich enden kann.

Nach dem jüngsten Todesfall an der Reynisfjara im vergangenen Monat, dem fünften in den letzten sieben Jahren, wurde erneut heftig darüber diskutiert, ob der Strand geschlossen oder neue Sicherheitsmaßnahmen eingeführt werden sollten.

"Reynisfjara bietet alles: beeindruckende Basaltsäulen, wunderschöne Lavaformationen, schwarzen Sand und herrliche Ausblicke auf Meeresschächte, Gletscher und Vogelfelsen", sagt Perla Magnúsdóttir, eine isländische Reiseführerin, die regelmäßig Tourist:innen an die berühmteste Küste des Landes führt.

"Und wenn man im Sommer Glück hat, kann man sogar Papageientaucher beobachten, die über das Gebiet fliegen."

In der Tat ist der Ort bei Tourist:innen sehr beliebt. Nach Angaben von "Visit South Iceland" besuchten in der ersten Jahreshälfte 2022 rund 133.000 Menschen Reynisfjara.

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Ein farblich gekennzeichnetes Warnsystem ist in Arbeit

Mehrere Schilder auf dem Weg nach Reynisfjara weisen auf die Gefahr von Wellen hin, die kaum zu übersehen sind. Nach dem jüngsten Todesfall haben die Behörden allerdings beschlossen, dass zusätzliche Maßnahmen her müssen. 

Die isländische Straßenverwaltung will neben den bestehenden Schildern am Parkplatz und am Fußweg in Reynisfjara ein neues Beleuchtungssystem installieren und ein Kamerasystem zur Überwachung des Bereichs.

Anhand von Polizeiberichten wurde ermittelt, welche Wellenhöhe ein erhebliches Risiko für Besucher:innen darstellt. Die Gefahr wird mit den Farben Grün, Gelb und Rot künftig gekennzeichnet. 

"Wir sind sehr zuversichtlich, dass das neue Beleuchtungssystem als Ergänzung zu den Schildern Reisende davon abhalten wird, gefährliche Bereiche zu betreten", sagte Stefán Friðrik Friðriksson, ein Projektleiter von Visit South Iceland. "Es ist gut, dass diese Maßnahmen ergriffen wurden, um die Sicherheit in Reynisfjara zu gewährleisten."

Die Fremdenführer haben schon viele Unfälle am Strand beobachtet

"Ich habe gesehen, wie einige Hüte, Kameras und Rucksäcke ins Meer gefallen sind und viele nasse und kalte Füße hatten", so Perla. "Ich habe auch gesehen, wie viele Leute einen Schock erlitten haben, weil diese Sneaker-Wellen keine Vorwarnung geben, bevor sie näher an die Küste kommen.

"Vor ein paar Wochen konnte ich eine Frau retten, nachdem sie gestürzt war und eine Welle sie erwischt hatte. Sie fing an zu lachen, weil sie den Ernst der Lage nicht begriff", sagt Reiseführerin Perla Magnúsdóttir. 

Einige Abgeordnete haben sich sogar dafür ausgesprochen, den Strand zu sperren, wenn die Wellen am gefährlichsten sind.

"Wir können diese Situation nicht länger hinnehmen", sagte die Tourismusministerin Lilja Dögg Alfreðsdóttir letzten Monat dem isländischen Nachrichtensender Vísir. "Eine der Möglichkeiten, die wir haben, ist die Schließung von Reynisfjara, aber nur vorübergehend."

"Niemand spricht davon, Reynisfjara komplett zu schließen. Nur wenn die Gezeiten so stark sind, dass sie tödlich sein können. Aber wir werden das natürlich in Zusammenarbeit mit den Landbesitzern und der Tourismusbranche tun."

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Auf die Gefahr der Sneaker-Welle hinweisen

Reiseleiterin Perla Magnúsdóttir hofft, dass das neue System zusätzlich zu ihren persönlichen Warnungen die Aufmerksamkeit der Reisenden wecken wird. "Ich denke, es ist eine gute Idee, ein Sicherheitssystem auszuprobieren, anstatt den Ort ganz zu schließen, wie es einige Leute vorgeschlagen haben."

Fremdenführer:innen sind darin geschult, ihre Reisegruppen vor den Gefahren zu warnen, und viele versuchen, Touristen:innen zu erreichen, die allein und ohne Führer unterwegs sind.

"Normalerweise bin ich eine unkomplizierte Fremdenführerin, aber kurz bevor ich Reisende an diesen Ort bringe, werde ich zu einer superstrengen Person", sagt Perla.

"Ich sage meinen Gästen, dass sie alles vergessen sollen, was sie darüber wissen, wie man sich an einem 'normalen' Strand zu verhalten hat. Ich erkläre ihnen, dass sie nie mit dem Rücken zum Meer stehen dürfen, dass sie immer ein paar Meter Abstand zum Meer halten müssen und dass sie sich vor den so genannten 'Sneaker Waves' in Acht nehmen müssen."

Perla warnt die Besucher:innen auch, dass sie, wenn sie sieht, dass sie dem Meer zu nahe kommen, wie ein Schiedsrichter eine laute Pfeife benutzen wird, damit sie weiter zurückgehen.

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Kritiker des neuen Systems argumentieren, dass die Lichter ablenken und Reynisfjara einen Teil seines Charmes einbüßen würde.

Perla ist da anderer Meinung: "Ganz Island kann gefährlich sein, die Natur hier ist so rau und unberührt", sagt sie.

"Aber das heißt nicht, dass wir sie nicht genießen sollten! Wir müssen einfach die Kraft der Natur respektieren, und neue Wege ausprobieren, um unsere Reisenden zu informieren, damit sie sie auf sichere und respektvolle Weise genießen können."

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