Die 5 Top Fake News über den Ukraine-Krieg

Euronews hat irreführende Behauptungen sowohl der Ukraine als auch Russlands auf ihre Richtigkeit überprüft.
Euronews hat irreführende Behauptungen sowohl der Ukraine als auch Russlands auf ihre Richtigkeit überprüft. Copyright Copyright Euronews via Twitter/Telegram und AP Photo/Markus Schreiber
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Irreführende Gerüchte über Kriegsverbrechen, Flüchtlinge und den ukrainischen Präsidenten sind im Internet weit verbreitet worden. Die 5 am meisten geteilten Fehlinformationen seit Beginn des Konflikts.

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Wie bei jedem Konflikt oder jeder internationalen Krise hat auch der Krieg Russlands in der Ukraine einen fruchtbaren Boden für die Verbreitung von Fake News im Internet bereitet.

Falsche Behauptungen wurden schon von pro-russischen und auch pro-ukrainischen Accounts gestreut, noch bevor Moskau am 24. Februar seine Invasion in vollem Umfang startete. Inmitten eines Online-Propagandakriegs verbreiten sowohl staatliche Behörden als auch einzelne Nutzer sozialer Medien irreführende Gerüchte.

Und das Thema der Fehlinformationen hat sich in den vergangenen sechs Monaten der Kämpfe  weiterentwickelt. Euronews Social Media Redaktion "The Cube", wirft einen Blick auf fünf der am häufigsten verbreiteten Fake News. 

1. Veraltete Clips und der "Geist von Kiew"

Nur wenige Stunden nach Beginn der russischen Invasion haben sich tausende Menschen Videos von Explosionen angeschaut, die nichts mit der Invasion zu tun hatten. Eine Reihe von Nutzer:innen verbreitete schnell Filmmaterial von Explosionen in Tianjin (China) und Beirut (Libanon) - und behauptete, es zeige russische Bomben, die "ukrainische Hauptquartiere" treffen würden.

Die Clips wurden auf Facebook, Twitter, TikTok und anderen Plattformen weit verbreitet. Die dramatischen, aber nicht zusammenhängenden Aufnahmen zogen die Aufmerksamkeit der Nutzer:innen auf sich. 

Zur gleichen Zeit begannen andere Nutzer:innen sozialer Medien, unbeblegte Geschichten über ukrainische Heldentaten zu verbreiten. Die wohl berühmteste dieser Geschichten betrifft das so genannte "Gespenst von Kiew", das zu Beginn der Invasion innerhalb weniger Stunden sechs russische Flugzeuge im Alleingang zerstört haben soll.

Zu diesem Gerücht wurde veraltetes Bildmaterial aus Videospielen oder Militärübungen verbreitet, das millionenfach abgerufen wurde. Diese Falschmeldung wurde sogar vom ehemaligen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko bekräftigt. Im Mai hatte das ukrainische Militär bestätigt, dass der "Geist von Kiew" eine "Superheldenlegende" sei.

Während aufmunternde Geschichten über Tapferkeit den Bürger:innen in Kriegszeiten Hoffnung geben können, sagen Analysten, dass fanatische Fehlinformationen sogar schädlich sein können und ein falsches Bild des Krieges vermitteln. Einige meinen sogar, dass irreführende Geschichten die Menschen von echten Heldentaten ablenken können.

Euronews via Twitter/YouTube
Ein Video von einem Klimaprotest in Österreich war eine virale Quelle für Fehlinformationen.Euronews via Twitter/YouTube

2. Leugnung von Kriegsverbrechen und von jeglichem Krieg

Pro-russische Nutzer:innen wiederholen oft die Position des Kremls, dass der Einmarsch in die Ukraine eine "spezielle Militäroperation" zur "Entnazifizierung" und "Entmilitarisierung" eines "Neonazi-Staates" sei. Viele von ihnen haben Vorwürfe über russische Kriegsverbrechen heruntergespielt oder behauptet, der Krieg sei ein "Schwindel".

In einem weit verbreiteten Video war ein Nachrichtenreporter zu sehen, der vor einer Reihe von Leichensäcken stand, von denen sich einer verdächtig bewegte. Die Aufnahmen zeigten jedoch keine erfundenen Kriegsopfer in der Ukraine, sondern eine "Fridays for Future"-Protestveranstaltung in Wien im Februar, drei Wochen vor Beginn der Invasion.

Einige Tage später wurde mit einem viralen Video einer Schaufensterpuppe behauptet, dies sei der Beweis dafür, dass die ukrainischen Behörden die Massentötung von Zivilisten in der Stadt Bucha nur "inszeniert" hätten.

Der Clip zeigte eine Prothesenpuppe, die von zwei Männern angezogen wird. Nadeschda, eine Regieassistentin eines russischen Fernsehsenders, bestätigte Euronews, dass das Video ihre Filmkulisse in der Nähe von St. Petersburg zeigt und nicht, wie behauptet, ukrainisches Militärpersonal.

"Die Informationen, die [den russischen Bürger:innen] gegeben werden, sind einseitig, sie haben nichts mit der Realität zu tun, sie sind Fälschungen", sagte sie Euronews.

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Die Schaufensterpuppe wurde für eine Fernsehszene in Vsevolozhsk in der russischen Region Leningrad für den Dreh vorbereitet.Euronews

Andere Beispiele für Fehlinformationen über den Ukraine-Krieg beziehen sich auf "Krisendarsteller" - Menschen, die angeblich angeheuert werden, um die Rolle verängstigter Kriegsopfer zu spielen.

Eine dieser Fake News verbreitete, dass eine bekannte ukrainische Beauty-Bloggerin ein schwangeres Opfer eines tödlichen Angriffs auf eine Entbindungsstation in der Stadt Mariupol am 9. März "gespielt" habe.

Russland hat seine Haltung zu diesem Angriff geändert und beschuldigt ukrainische Asow-Nationalisten, einen "falschen" Bombenanschlag auf ein "nicht betriebsbereites" Krankenhaus inszeniert zu haben. Diese Behauptungen wurden später sowohl von Facebook als auch von Twitter entfernt.

Moskau hat immer wieder pauschal geleugnet, dass es Kriegsverbrechen begangen hat, obwohl sich unabhängige Beweise häufen. Russische Diplomaten und kremlnahe Nutzer:innen sozialer Medien haben nach den Raketenangriffen auf Kramatorsk, Krementschuk und Winnyzja weiterhin Behauptungen über "Krisenschauspiele" verbreitet.

3. Wlodymyr Selenskyj - Drogen, Deepfakes und Green Screens

Als die ersten Raketeneinschläge in Kiew einschlugen, veröffentlichte Präsident Wolodymyr Zelenskyy ein trotziges Video in den sozialen Medien, in dem er erklärte, dass er nicht aus dem Land fliehen werde. Seine Anwesenheit in der ukrainischen Hauptstadt und seine nächtlichen Videoansprachen zerstreuten die Gerüchte, er habe das Land verlassen.

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Einige Nutzer behaupteten mit angeblichen "Beweisbildern", der ukrainische Präsident benutze ein Filmstudio, um so zu tun, als sei er in Kiew, obwohl er sich in Wirklichkeit im Exil verstecke. Viele der Fotos zeigten aber in Wirklichkeit, wie Selenskyy ein Hologramm für verschiedene digitale Technologiekonferenzen in Europa filmte.

Und je länger der Krieg andauert, desto häufiger wurde Selenskyj zur Zielscheibe russischer Desinformation.

Euronews via Twitter
In dem gefälschten Video forderte Selenskyj die ukrainischen Bürger:innen auf, "die Waffen niederzulegen".Euronews via Twitter

Im März wurde Selenskyj Gegenstand eines Deepfake-Videos, das mit Hilfe künstlicher Intelligenz (KI) erstellt wurde. Dabei wurden ihm täuschend echt falsche Worte in den Mund gelegt. In dem bearbeiteten Filmmaterial forderte der ukrainische Präsident seine Bürger angeblich auf, "die Waffen niederzulegen" und sich zu ergeben.

Experten erklärten gegenüber Euronews, dass der Deepfake "der erste war, der absichtlich und in großem Umfang zur Täuschung eingesetzt wurde" und einen Wandel in der Fehlinformation rund um den Ukraine-Krieg markierte. Kurz darauf tauchte ein ähnlich bearbeitetes Video von Wladimir Putin im Internet auf, in dem der russische Präsident den Soldaten angeblich sagt: "Geht nach Hause, solange ihr noch lebt".

Auch andere bearbeitete Clips wurden von pro-russischen Anhängern im Internet verbreitet, offenbar in dem Bemühen, den ukrainischen Präsidenten zu diskreditieren. Die Behauptungen und Anschuldigungen wurden immer vielfältiger und zuweilen auch bizarr.

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In einem manipulierten Video wurde behauptet, dass Selenskyj während der Videokonferenzen Berge von Kokain auf seinem Schreibtisch aufbewahrt, während das Originalmaterial auf seinem eigenen Instagram-Account zeigt, dass sein Schreibtisch leer ist.

In einem anderen falsch übersetzten Interview aus dem Jahr 2019 wurde der ukrainische Präsident als drogensüchtig dargestellt, obwohl er tatsächlich erklärte, er sei "süchtig nach Kaffee" und nehme "keine Drogen". Seit Beginn des Krieges haben russische Staatsmedien häufig versucht, die ukrainische Führung als "drogensüchtig" und "Neo-Nazis" darzustellen.

4. Finnland und Polen werden in den Informationskrieg hineingezogen

Falsche Behauptungen über den Krieg in der Ukraine haben sich auf andere Länder und das Militärbündnis NATO ausgeweitet.

Während die Kämpfe andauerten, behaupteten Nutzer sozialer Medien im Mai fälschlicherweise, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Begriff seien, sich an dem Konflikt zu beteiligen.

In einem Video - mit einem digital hinzugefügten BBC News-Logo - hieß es, der polnische Militärgeneral habe einen Befehl unterzeichnet, die Armee in "volle Alarmbereitschaft" zu versetzen.

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Die BBC sagte, dass diese Meldung nicht von ihnen stammt und dass ihr Logo für das gefälschten Video verwendet worden war. Polnische Regierungsvertreter beschuldigten Moskau, Informationsangriffe gegen das Land zu starten.

In einem anderen irreführenden Video wurde behauptet, Finnland schicke Dutzende von Panzern in Richtung seiner Ostgrenze zu Russland. Tatsächlich zeigten die Aufnahmen einen Güterzug, der Ausrüstung für die jährlichen Militärübungen nach Westfinnland transportierte.

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Der Zug mit Militärausrüstung fuhr von Ost nach West durch die Stadt Tampere in Finnland.Euronews via Twitter/Google

5. Fehlinformationen verfolgen Flüchtlinge ins Ausland

Nach Angaben der UNO haben seit Ausbruch des Krieges bis Mitte August mehr als 6,5 Millionen Flüchtlinge die Ukraine verlassen. Viele sind von den unmittelbaren Grenzländern nach Westeuropa weitergereist, und im Internet wurde mit Fehlinformationen versucht, sie in Verruf zu bringen. 

In einem digital bearbeiteten Video wurden ukrainische Flüchtlinge fälschlicherweise beschuldigt, ein Haus in Deutschland angezündet zu haben, während sie versuchten, eine russische Flagge in Brand zu setzen. Weitere Nachforschungen ergaben, dass die Aufnahmen des Hausbrandes aus dem Jahr 2013 stammen, also mehrere Jahre vor Beginn des Krieges in der Ukraine.

Andere kremlfreundliche Nutzer behaupteten fälschlicherweise, dass deutsche Behörden ukrainische Staatsangehörige zu einem Aufenthalt in einem ehemaligen Konzentrationslager der Nazis eingeladen hätten. Dabwi wurden falsche Bilder verwendet. Die Gedenkstätte Sachsenhausen hat die Gerüchte als "Fälschung" zurückgewiesen.

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Jüngste Fake News haben versucht zu suggerieren, dass die europäischen Staaten wütend auf die ukrainischen Flüchtlinge und die Unterstützung ihrer Länder für Kiew sind. Aufnahmen von Autofahrern, die in der Nähe von Rom Umweltschützer wegschleppen, wurden irreführend verbreitet, mit der Behauptung, dass es sich um ukrainische Demonstrationen handle.

Russische Staatsmedien haben behauptet, dass 25 % der britischen Gastgeber ihre ukrainischen Gäste nach sechs Monaten wieder ausweisen wollen. In der Umfrage wurde aber keine konkrete Frage gestellt. 

Die falschen Behauptungen über ukrainische Flüchtlinge zeigen einen Trend von Fake News seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine. Pro-russische Stimmen haben versucht darzustellen, dass ihre Invasion von vielen Ukrainern unterstützt wird, und arbeiten nun daran, jene Flüchtlinge zu diskreditieren, die vor dem Krieg geflohen sind und in Westeuropa Unterstützung suchen.

Seit Februar hat der Kreml seine Bemühungen verstärkt, die Berichterstattung über den Krieg zu kontrollieren und Vorwürfe über Kriegsverbrechen zurückzuweisen oder herunterzuspielen. Auch Kiew hat manipuliert, indem es volkstümliche Geschichten oder urbane Mythen verstärkt verbreitet und negative Medienberichte heruntergespielt hat.

Doch der Krieg in der Ukraine war bisher zweifellos ein Nährboden für alle Arten von Fehlinformationen - von Bildern, die einfach aus dem Zusammenhang gerissen wurden, bis hin zu digital bearbeiteten Videos, die Technologien zur Verbreitung von Unwahrheiten nutzen.

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Sechs Monate später wird der Online-Informationskrieg genauso erbittert ausgetragen wie die Kämpfe vor Ort in der Ukraine.

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