Balten sind wütend über Kommentare des chinesischen Botschafters in Frankreich

Die Äußerungen von Lu Shaye, Chinas Botschafter in Frankreich, haben zu einem diplomatischen Zwischenfall geführt.
Die Äußerungen von Lu Shaye, Chinas Botschafter in Frankreich, haben zu einem diplomatischen Zwischenfall geführt. Copyright Sean Kilpatrick/AP
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Von Jorge Liboreiro
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Estland, Lettland und Litauen haben die Kommentare von Botschafter Lu im französischen Fernsehen, ehemalige Sowjetrepubliken hätten keinen 'effektiven' Unabhängigkeitsstatus, scharf verurteilt.

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Estland, Lettland und Litauen haben ihre Verärgerung über die "völlig inakzeptablen" Äußerungen des chinesischen Botschafters in Frankreich, Lu Shaye, zum Ausdruck gebracht.

In einem Fernsehinterview hatte Lu die Souveränität und internationale Anerkennung der drei baltischen Staaten direkt in Frage gestellt.

Auslöser für Lu's Äußerungen war die Frage von Darius Rochebin, Moderator beim französischen Nachrichtensenders LCI, ob Peking die 2014 von Russland illegal annektierte Halbinsel Krim als Teil der Ukraine betrachte.

"Das hängt davon ab, wie wir dieses Problem wahrnehmen", sagte Lu.

"Es gibt hier eine Geschichte. Die Krim war ursprünglich ein Teil Russlands. Es war [der sowjetische Regierungschef Nikita] Chruschtschow, der der Ukraine die Krim während der Zeit der Sowjetunion zugesprochen hat."

Daraufhin unterbrach Rochebin und wies darauf hin, dass die Krim gemäß den völkerrechtlich anerkannten Grenzen tatsächlich zur Ukraine gehöre.

Daraufhin antwortete Lu: "Selbst die Länder der ehemaligen Sowjetunion haben, wie wir sagen, keinen effektiven Status nach internationalem Recht, weil es kein internationales Abkommen gibt, das ihren Status als souveränes Land konkretisiert".

Auf die Frage des Moderators, was er damit meine, sagte Lu, es sei unnötig, "über diese Art von Problem zu streiten", und fügte hinzu, das Wichtigste sei, "einen Waffenstillstand" in der Ukraine zu erreichen.

Dieser Moment ging auf den sozialen Medien schnell viral und erregte die Aufmerksamkeit der drei baltischen Staaten, die sich schockiert und empört über Lus besondere Interpretation der Geschichte äußerten.

In der Tat sind dies Narrative, wie man sie häufig aus Moskau hören konnte.

Der diplomatische Streit setzte sich am Montag fort, als die Außenminister der Europäischen Union in Luxemburg zu einem regulären Treffen zusammenkamen.

"Zunächst einmal ist das völlig inakzeptabel", sagte der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis.

"Wir sind keine postsowjetischen Länder, wir sind Länder, die illegal von der Sowjetunion besetzt wurden".

Landsbergis sagte, die drei baltischen Staaten erwägen, die in ihren Ländern ansässigen chinesischen Botschafter vorzuladen, um "Klarstellungen zu verlangen".

"Dies ist ein neues Phänomen, so etwas haben wir noch nicht erlebt", fügte Landsbergis hinzu und zog eine Parallele zwischen Lus Äußerungen und russischen Propagandisten, die die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine in Frage stellen.

"Das sind die Narrative, die wir aus Moskau hören. Und jetzt wird es von einem anderen Land verbreitet, das in unseren Augen in vielen Fällen ein Verbündeter Moskaus ist - wenn nicht militärisch, so doch zumindest politisch", sagte Landsbergis.

Estlands neuer Außenminister Margus Tsahkna äußerte sich ähnlich und forderte Peking zu einer Erklärung auf, während der lettische Außenminister Edgars Rinkēvičs eine "vollständigen Rücknahme" der Äußerungen forderte.

Auf Twitter erklärte er am Montag mit Hinweis auf die illegale Annektion der baltischen Staaten durch die Sowjetunion: "die baltischen Staaten sind weder jetzt noch waren sie jemals 'postsowjetische Nationen"

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In Frankreich äußerte sich das Außenministerium "bestürzt" über Lus Äußerungen und bekundete "volle Solidarität mit allen unseren Verbündeten und besorgten Partnern, die nach Jahrzehnten der Unterdrückung die lang ersehnte Unabhängigkeit errungen haben."

In einer auf ihrer Website veröffentlichten Erklärung der chinesische Botschaft in Frankreich hieß es am Montag nachmittag, die Worte des Botschafters seien keine "politische Erklärung, sondern ein Ausdruck persönlicher Ansichten während einer Fernsehdebatte" gewesen, die "nicht überinterpretiert werden sollten".

In Peking sagte ein Sprecher des Außenministeriums: "China respektiert die Souveränität aller Länder".

"Die Sowjetunion war ein föderaler Staat und war als Ganzes ein Subjekt des internationalen Rechts in den internationalen Beziehungen. Dies negiert nicht den Status der Republiken als souveräne Länder nach der Auflösung der Sowjetunion", so der Sprecher gegenüber Reportern.

Die jüngste diplomatische Kontroverse findet zu einem sehr heiklen Zeitpunkt in den Beziehungen zwischen der EU und China statt. Die Spannungen nehmen zu, weil Peking sich weigert, die russische Invasion in der Ukraine zu verurteilen und weil es sich für ein Friedensabkommen einsetzt, das die Europäer als parteiisch und selektiv betrachten, und nicht zuletzt auch, weil die Lage in der Straße von Taiwan sehr angespannt ist.

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Josep Borrell, der Leiter der EU-Außenpolitik, sagte am Montagmorgen vor Reportern, die EU müsse ihre Beziehungen zu China angesichts der Entwicklungen der letzten Jahre "neu bewerten und neu kalibrieren".

Er versprach außerdem, dass die 27 Außenminister eine "starke" Reaktion auf Lus Äußerungen geben würden, die er zuvor ebenfalls als "inakzeptabel" bezeichnet hatte.

Journalist • Andreas Rogal

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