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Schiebt der Libanon mit EU-Hilfen illegal Geflüchtete nach Syrien ab?

Zyperns Präsident Nikos Christodoulides, Libanons Premierminister Najib Mikati und die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen
Zyperns Präsident Nikos Christodoulides, Libanons Premierminister Najib Mikati und die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen Copyright Christophe Licoppe/ EU/Christophe Licoppe
Copyright Christophe Licoppe/ EU/Christophe Licoppe
Von Mared Gwyn Jones
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Dieser Artikel wurde im Original veröffentlicht auf Englisch

Die Europäische Union "finanziert" libanesische Institutionen, ohne deren Einhaltung der Grundrechte zu überwachen, so Human Rights Watch.

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Syrische Geflüchtete, die versuchen aus dem Libanon Zypern zu erreichen, werden von der EU-finanzierten libanesischen Behörden zurückgedrängt und gewaltsam in ihr Heimatland abgeschoben - und das obwohl sie genau von dort vor Krieg und Verfolgung fliehen. Das wirft die NGO Human Rights Watch den libanesischen Behörden in einem neuen Bericht vor.

Weiter heißt es: Die zypriotische Küstenwache ermöglicht diese Zwangsabschiebungen, indem sie Geflüchtete in den Libanon zurückdrängt. Die EU wiederum finanziert die libanesischen Streitkräfte, die wiederholt für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind.

"Trotz der Lippenbekenntnisse zu den Menschenrechtsverpflichtungen der europäischen Geber wurden weiterhin europäischen Finanzmittel für libanesische Sicherheitsbehörden zur Grenzverwaltung bereit gestellt. Die selben Behörden führen missbräuchliche Pullbacks und sämtliche Ausweisungen syrischer Flüchtlinge durch", heißt es in dem Bericht.

Syrische Geflüchtete berichten von Menschenrechtsverletzungen

Die Ergebnisse wurden von der NGO auf Grundlage von Foto- und Videobeweisen, Flugzeug- und Bootsverfolgungsdaten sowie den Aussagen von sechzehn syrischer Geflüchteter Flüchtlingen und Asylbewerbern zusammengetragen. Alle sechzehn hatten versucht, den Libanon zu verlassen, wo sie zunehmend feindlichen Bedingungen ausgesetzt waren.

"Dies ist nicht nur eine eklatante Verletzung des Rechts, internationalen Schutz zu suchen [...], [die Geflüchteten] wurden auch geschlagen, geschubst, in Handschellen gelegt, willkürlich festgehalten und unmenschlich behandelt."
Nadia Hardman
Human Rights Watch

Von den sechzehn Geflüchteten sind fünfzehn Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch libanesische oder zypriotische Behörden geworden, darunter Inhaftierung, Schläge, Fesseln und verbale Beleidigungen.

Elf von ihnen wurden von den libanesischen Streitkräften (LAF) gewaltsam nach Syrien zurückgeführt, darunter vier, die zuvor von Zypern in den Libanon zurückgebracht worden waren.

"Dies ist nicht nur eine eklatante Verletzung des Rechts, internationalen Schutz zu suchen - was ihr Recht ist und ihnen sowohl von den zypriotischen als auch von den libanesischen Behörden kurzerhand verweigert wurde - sie wurden auch geschlagen, geschubst, in Handschellen gelegt, willkürlich festgehalten und unmenschlich behandelt", sagte Nadia Hardman, eine Forscherin der Flüchtlings- und Migrantenrechtsabteilung von Human Rights Watch, gegenüber Euronews.

Hardmann erklärt, dass die Geflüchteten daraufhin gezwungen wurden, nach Syrien zurückzukehren: "Wo wir, wie viele andere Organisationen auch, wissen und dokumentiert haben, wie Geflüchtete und Rückkehrer willkürlich inhaftiert werden, verschwinden und manchmal umgebracht werden nach ihrer Rückkehr nach Syrien."

Zu viele Geflüchtete in Zypern? Die EU reagiert und schickt Geld in den Libanon

Hardman zufolge stellt das Vorgehen der zyprischen und libanesischen Behörden einen klaren Verstoß gegen den Rechtsgrundsatz der Nichtzurückweisung (auch Non-Refoulement-Prinzip) dar. Dieser verbietet einem Staat, eine Person in ein Land abzuschieben, in dem ihr eine grausame oder erniedrigende Behandlung droht.

Der Libanon beherbergt die weltweit größte Zahl von Geflüchteten pro Kopf, darunter 1,5 Millionen syrische Geflüchtete. Allerdings hat die Feindseligkeit gegenüber Geflüchteten im Libanon zugenommen.

In Zypern wurde im April eine starke Zunahme syrischer Geflüchteter festgestellt, die irregulär nach Zypern gelangen. Dies veranlasste die zypriotischen Behörden dazu, die Bearbeitung von Asylanträgen auszusetzen.

Die EU reagierte darauhin und hat im Mai ein 1-Milliarden-Euro-Finanzpaket für den Libanon bis 2026 geschnürt. Das umfasst auch Gelder für die Ausrüstung und Ausbildung der libanesischen Streitkräfte zum besseren Grenzschutz.

Das halbe Paket (500 Millionen Euro) wurde im August angenommen, wovon 368 Millionen Euro für die Unterstützung bedürftiger Menschen im Libanon, einschließlich syrischer Geflüchteter, bestimmt waren. Die verbleibenden 132 Millionen Euro waren für die Umsetzung einer Reihe von Wirtschafts- und Sicherheitsreformen vorgesehen, unter anderem für eine "verstärkte Unterstützung des Sicherheitssektors und der Grenzverwaltung", so die Kommission.

EU "finanziert" Behörden ohne "sinnvolle Kontrollen"

Laut Human Rights Watch stellt die EU den libanesischen Behörden und Institutionen Gelder zur Verfügung, ohne dass diese auf die Einhaltung der Grundrechte hin überprüft werden.

"Es gibt keine wirkliche Bedingung, dass diese Institutionen, diese Behörden grundlegende Menschenrechtsprinzipien einhalten", sagte Hardman gegenüber Euronews. "Bei dem EU-Libanon-Abkommen haben wir gesehen, dass es fast eine Belohnung ist."

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Hardmann fügte hinzu, dass Human Rights Watch nicht grundätzlich gegen die Finanzierung der libanesischen Behörden sei, dass aber klare Bedingungen und Überwachungsmechanismen eingeführt werden müssten, um sicherzustellen, dass die EU nicht an diesen Missbräuchen beteiligt sei.

Die NGO stellt auch infrage, dass die EU-Kommission überprüfen kann, ob die Partner, die sie mit der Unterstützung der libanesischen Behörden bei der Grenzverwaltung beauftragt die Grundrechte einhalten. Partnerorganisationen wie etwa das in Wien ansässige Internationale Zentrum für Migrationspolitikentwicklung (ICMPD) unterstehen nicht dem Menschenrechtsrahmen der EU.

Die Europäische Kommission teilte Human Rights Watch in einem Schreiben vom 20. August mit, dass die von der EU finanzierten Interventionen des ICMPD "von der Europäischen Kommission, auch über die EU-Delegation in Beirut, genau verfolgt werden".

Laut Human Rights Watch heißt es in dem Schreiben weiter: "Vor jeder Zahlung [an das ICMPD] führt die EU eine Prüfung der finanziellen und operativen Fortschritte auf Grundlage der vom Durchführungspartner vorgelegten Berichte und Finanzberichte durch."

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In internen Dokumenten der EU-Komission, zu denen Human Rights Watch Zugang bekommen hat, soll es der NGO zufolge heißen, dass "Sicherheitsakteure, die von EU-Projekten profitieren, gegen internationale Menschenrechtsstandards verstoßen können".

Zypern strebt Rolle als Mittelmeer-Kommissar an

Die Enthüllungen von Human Rights Watch kommen zu einem Zeitpunkt, an dem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die neue Kommission zusammenstellt.

In der neuen EU-Kommission soll es einen neuen Kommissar für den Mittelmeerraum geben. Seine Aufgabe: Die EU-Migrationsabkommen, u. a. mit Ägypten, Libanon, Mauretanien und Tunesien zur Eindämmung der Migrationsströme beaufsichtigen.

Einige dieser Abkommen wurden von Menschenrechtsaktivisten heftig kritisiert, weil sie die dokumentierten Menschenrechtsverletzungen in diesen Ländern ignorieren.

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In ihren politischen Prioritäten für die kommende Legislaturperiode verspricht von der Leyen, weiterhin "strategische Beziehungen" zu Nicht-EU-Ländern in den Bereichen Migration und Sicherheit zu entwickeln. Sie fügt hinzu, ein "neuer Pakt für den Mittelmeerraum" werde darauf abzielen, diese Partnerschaften zu vertiefen.

Human Rights Watch bezweifelt, dass die Zuweisung des Ressorts an Zypern angemessen ist. "Zypern betreibt illegale Abschiebungen. Das Land ist an die strengen Menschenrechtsvorschriften und -normen der EU gebunden, die ignoriert werden", sagte Hardman.

"Solange es keine Untersuchung und Rechenschaftspflicht für diese eklatanten Verstöße gegen internationales Recht gibt, sollten sie meiner Meinung nach nicht mit einem Ressort betraut werden, in dem sie für wichtige Themen wie Migration zuständig sind."

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