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"Hausfrau" gegen Diktator: Belarussische Opposition ist "vereint wie nie zuvor"

Swjatlana Zichanouskaja ist die größte Herausforderin des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko. Mit Euronews sprach sie über ihren Kampf aus dem Exil.
Swjatlana Zichanouskaja ist die größte Herausforderin des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko. Mit Euronews sprach sie über ihren Kampf aus dem Exil. Copyright  Mariam Zuhaib/Copyright 2023 The AP. All rights reserved
Copyright Mariam Zuhaib/Copyright 2023 The AP. All rights reserved
Von Diana Resnik & Donogh McCabe
Zuerst veröffentlicht am Zuletzt aktualisiert
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Die belarussische Oppositionelle Swjatlana Zichanouskaja ist die größte Herausforderin des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko. Mit Euronews sprach sie über ihren Kampf für ein freies Belarus aus dem Exil.

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Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko tat sie als "Hausfrau" ab, doch als die belarussische Oppositionelle Swjatlana Zichanouskaja 2020 ins Rennen um das Präsidentenamt ging, wurde sie zu seiner größten Herausforderin. Jetzt, wo sie im Exil ist, setzt sie ihren Kampf für ein freies, demokratisches Belarus fort. Euronews hat sie in Berlin getroffen.

Als sich die Tür öffnet, betritt eine elegante Frau selbstbewusst den Raum. Ihre Persönlichkeit verrät viel Stärke. Doch hinter der starken Fassade steckt auch viel Zerbrechlichkeit.

"Ich vermisse alles. Ich vermisse meine Wohnung, die beschlagnahmt wurde. Das war unser Familiennest. Ich vermisse meinen Mann", erzählt Swjatlana, nachdem sie tief Luft holt. Ihre Augen sind voller Heimweh.

2020 wird Swetlana Lukaschenkos größte Herausforderin

Im Jahr 2020 beschließt ihr Mann, für das Präsidentenamt in Belarus zu kandidieren. Als er verhaftet wird, tritt Swjatlana an seiner Stelle an und wird Lukaschenkos größte Herausforderin. Nachdem er die Wahlen zu seinen Gunsten manipuliert, muss sie aus Belarus fliehen und alles zurücklassen.

Swjatlana Zichanouskaja hält ein Porträt ihres inhaftierten Ehemannes Sjarhej Zichanouski vor der belarussischen Botschaft in Vilnius,  Litauen, Freitag, 8. März 2024.
Swjatlana Zichanouskaja hält ein Porträt ihres inhaftierten Ehemannes Sjarhej Zichanouski vor der belarussischen Botschaft in Vilnius, Litauen, Freitag, 8. März 2024. Mindaugas Kulbis/Copyright 2024 The AP. All rights reserved

"Im Jahr 2020 flohen mindestens eine halbe Million Menschen wegen der Repressionen aus Belarus", erinnert sie sich. "Aber die Menschen gehen nicht einfach ins Exil und werden zu Ausländern. Sie bleiben Belarussen. Sie kämpfen weiter gegen Lukaschenkos Regime."

"Meine Aufgabe ist es, die Menschen zusammenzuhalten und sie zu inspirieren, nicht aufzugeben", sagt sie.

Swjatlana arbeitet daran, enge Beziehungen zu führenden Politikern aus westlichen Ländern aufzubauen. Eine Demokratie aus dem Exil heraus aufzubauen, ist nicht die einfachste Aufgabe. Aber Swjatlana kämpft unermüdlich für ein freies Belarus.

Vorbereitung auf eine demokratische Zukunft von Belarus

"Unsere Aufgabe ist es, unsere demokratischen Bewegungen und Kräfte auf die Übergangszeit in Belarus vorzubereiten", erklärt sie.

"Die demokratischen Kräfte und die Menschen in Belarus sind vereint wie nie zuvor, weil wir ein gemeinsames Ziel haben: die Freilassung unserer Lieben, unserer Freunde, der politischen Gefangenen, aber auch freie und faire Wahlen.“

Ihr Besuch in Deutschland ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung, glaubt Swjatlana. Um in ihrem eigenen Land eine Demokratie aufzubauen, braucht sie die Unterstützung anderer Demokratien.

Die demokratischen Kräfte und die Menschen in Belarus sind vereint wie nie zuvor.
Swjatlana Zichanouskaja
Belarussische Oppositionelle

"Wir bitten Sie, uns auf diesem schwierigen Weg zur Demokratie zu begleiten", sagt Swjatlana.

"Wenn die Regierungen der Länder, in denen Sie leben, Ihre Stimme nicht hören, bedeutet das, dass es kein Problem gibt“, so Swjatlana.

Während sich Swjatlana durch den Aufbau enger Beziehungen zu europäischen Politikern Gehör verschafft, lebt ihr Gegner Lukaschenko abgeschottet in einem von Sanktionen überzogenen Land. Dennoch muss mehr Druck auf den Belarussischen Präsidenten ausgeübt werden, um ihn dazu zu bringen, seine Repressionen zu lockern, findet Swjatlana.

Politische Gefangene sollen nicht zu Marionetten in Lukaschenkos unfairem Spiel werden

Dies könnte ein Grund dafür sein, dass beim jüngsten Austausch politischer Gefangener zwischen Russland und westlichen Ländern kein einziger belarussischer politischer Gefangener freigelassen wurde. Inzwischen schweben viele politische Gefangene in Belarus zwischen Leben und Tod. Die Oppositionsaktivistin Maria Kolesnikowa, die Swetlana bei den Präsidentschaftswahlen 2020 unterstützt hat, verbüßt eine elfjährige Haftstrafe. Amnesty international berichtet, dass sie wie viele andere politische Gefangene Isolation und Folter ertragen muss und nur 45 Kilogramm wiegt, obwohl sie 1,75 groß ist.

"Wir alle wollen, dass sie freigelassen werden“, sagt Swjatlana. "Aber wir wollen nicht, dass unsere politischen Gefangenen, unsere Helden, zu Marionetten in Lukaschenkos Spiel werden.“

Maria Kolesnikowa, rechts, Swjatlana Zichanouskaja, mitte, und Veronkika Tsepkalo, links, in Minsk, Belarus, Julie 19, 2020
Maria Kolesnikowa, rechts, Swjatlana Zichanouskaja, mitte, und Veronkika Tsepkalo, links, in Minsk, Belarus, Julie 19, 2020 AP/Copyright 2020 The AP. All rights reserved

Swjatlana ist überzeugt: Verhandlungen mit Lukaschenko bringen dem belarussischen Volk nur noch mehr Leid.

"Sie nehmen immer mehr Geiseln, um sie für mehr Geld zu verkaufen", so Swjatlana.

Vor kurzem hat Lukaschenko 115 Menschen freigelassen. Im gleichen Zeitraum hat er 140 Personen inhaftiert.
Swjatlana Zichanouskaja
Belarussische Oppositionelle

"Wir bitten unsere demokratischen Partner, keine Geschäfte mit Lukaschenko zu machen, denn er kann bis zu 300 Menschen 'verkaufen' und wird doppelt so viele festnehmen. Vor kurzem hat Lukaschenko 115 Menschen freigelassen. Im gleichen Zeitraum hat er 140 Personen inhaftiert", sagt die Oppositionelle.

Swjatlana ist der Meinung, dass Lukaschenko ein unfaires Spiel treibt.

"Das ist kein menschliches Verhalten von Lukaschenko. Ich kann ihn überhaupt nicht der Menschlichkeit verdächtigen", sagt sie. "Er will die Botschaft vermitteln, dass er sich ändert, dass sich seine Politik ändert, aber das ist nicht der Fall", sagt sie.

Wird die belarussische Opposition bei den Präsidentschaftswahlen 2025 antreten?

Für 2025 plant Lukaschenko Präsidentschaftswahlen. Für die belarussische Opposition ist dies jedoch nicht der richtige Zeitpunkt, um ins Spiel zu kommen, meint Swjatlana. "Alle Anführer der demokratischen Bewegungen sind im Gefängnis oder im Exil. Die Zivilgesellschaft ist ruiniert. Es gibt keine NGOs, keine alternativen Medien [...] Die Leute arbeiten im Moment hauptsächlich im Untergrund", erklärt Swjatlana.

Doch je länger Lukaschenko an der Macht bleibt, desto weniger Unterstützung scheint er von der belarussischen Bevölkerung zu bekommen. Vier Jahre nach den gefälschten Wahlen leben die Menschen in Belarus in ständiger Angst vor seinen Repressionen. Darüber hinaus müssen sie nun mit ansehen, wie der Krieg mit der Ukraine vor ihrer Haustür tobt.

Die Mehrheit der Belarussen kämpft gegen Lukaschenkos Regime.
Swjatlana Zichanouskaja
Belarussische Oppositionelle

In der Tat, Lukaschenkos Repressionen können sich mit den Repressionen aus der Zeit des schrecklichsten sowjetischen Diktators, Josef Stalin, messen.

"Die Mehrheit der Belarussen kämpft gegen Lukaschenkos Regime", sagt Swjatlana. "Natürlich haben sie [Lukaschenko und seine Anhänger] die Gewalt als Waffe, sie gehen mit Brutalität vor. [...] Aber er genießt nicht die Unterstützung des belarussischen Volkes. Und das weiß er auch “, sagt Swjatlana.

Warten auf die richtige Gelegenheit

In ihrem khakifarbenen langen Kleid und dem kurzen, eleganten Haarschnitt sieht sie sehr feminin aus. Doch hinter ihrer sanften Erscheinung verbirgt sich eine starke Führungspersönlichkeit. Obwohl sie nicht vorhat, zu den Präsidentschaftswahlen im Februar 2025 nach Belarus zurückzukehren, bereitet sie sich doch auf den richtigen Moment vor.

"Wir müssen uns auf den richtigen Moment vorbereiten“, sagt Swjatlana. "Es wird einen Aufruf zum Handeln für das belarussische Volk geben. Aber ich will nicht, dass sich die Menschen umsonst aufopfern“, sagt sie.

Anhänger der Opposition versammeln sich im Zentrum von Minsk, Belarus, Sonntag, 16. August 2020.
Anhänger der Opposition versammeln sich im Zentrum von Minsk, Belarus, Sonntag, 16. August 2020. Sergei Grits/Copyright 2020 The AP. All rights reserved.

Gleichzeitig unterstützt Swjatlana das ukrainische Volk, das gegen die russische Aggression kämpft.

"Die Beziehungen zur Ukraine sind für uns von großer Bedeutung, weil unsere beiden Länder mit den gleichen Problemen konfrontiert sind. [...] Deshalb versuchen wir auch, den Ukrainern zu helfen, so gut wir können", erklärt Swjatlana.

Wir können der Ukraine keine militärische Ausrüstung oder Millionen geben, aber wir setzen uns für die ukrainischen Interessen ein.
Swjatlana Zichanouskaja
Belarussische Oppositionelle

"Wir können der Ukraine keine militärische Ausrüstung oder Millionen geben, aber wir setzen uns für die ukrainischen Interessen ein. Belarussische Soldaten kämpfen Schulter an Schulter mit den Ukrainern gegen den Feind. Unsere Flüchtlinge unterstützen ukrainische Flüchtlinge. Wir organisieren gemeinsame Veranstaltungen. Wir arbeiten zusammen“, sagt Swjatlana.

Kehren alte Freunde ihr den Rücken?

Polen hat die belarussischen und ukrainischen Flüchtlinge stark unterstützt. Kürzlich kündigte es jedoch an, das Recht belarussischer Bürger, Asyl zu beantragen, vorübergehend auszusetzen.

Trotzdem spricht Swjatlana sehr warmherzig über Polen.

"Vier Jahre lang war Polen ein starker Unterstützer des belarussischen Volkes. Vier Jahre lang haben sie unsere Zivilgesellschaft unterstützt, die meisten Menschen, die vor der Unterdrückung geflohen sind. Polen wurde zu einem sicheren Hafen für diese Menschen. Sie haben die Gesetze geändert, damit sich die Menschen in Polen wohlfühlen", erinnert sich Swjatlana.

"Ich glaube nicht, dass sich diese Politik ändert", sagt sie. "Aber wir werden mit dem Außenministerium in Kontakt bleiben, um herauszufinden, was diese Nachricht bedeutet", sagt sie.

In ihren Gedanken ist sie in Belarus

Zwischen ihrem politischen Engagement und dem entschlossenen Kampf für eine demokratische Zukunft ihres Landes aus dem Exil ist Swjatlana mit ihren Gedanken in Belarus.

"Ich wache jeden Morgen auf und gehe mit den Gedanken an meinen Mann ins Bett. Ich vermisse alle Erinnerungen meiner Kinder. Sie erinnern sich immer daran, was ihnen in der Schule und in unserem Sommerhaus widerfahren ist."

"Wir haben so viele schöne Jahre mit unserer Familie in Belarus verbracht. Ich vermisse das Dorf, in dem meine Großmutter begraben ist. Dort habe ich meine Kindheit verbracht. All diese Erinnerungen. Aber ich möchte ein freies Belarus sehen."

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