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"Gefälschte" Wahl in Georgien: Was macht Ungarns Orban in Tiflis?

Viktor Orban trifft den Regierungschef von Georgien
Viktor Orban trifft den Regierungschef von Georgien Copyright  AP/Georgian Prime Minister Press Office
Copyright AP/Georgian Prime Minister Press Office
Von Heilika Leinus & Euronews, AP mit AP
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Der Wahlkampf in dem 3,7 Millionen Einwohner zählenden Land, das an Russland grenzt, war von einem erbitterten Kampf um Stimmen und dem Vorwurf einer Hetzkampagne geprägt. An diesem Dienstag ist Viktor Orban vor Ort.

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Tausende Georgier hatten sich am Montagabend vor dem Parlament versammelt, um gegen die nach Ansicht der Präsidentin Salome Surabitschwili "manipulierte" Parlamentswahl zu protestieren. An diesem Dienstag ist Ungarns Regierungschef auf Überraschungsbesuch in Tiflis, er gilt als Verbündeter der offiziellen Wahlsieger vom "Georgischen Traum".

Zwar hat Ungarn derzeit den EU-Ratsvorsitz, doch die offizielle Position der EU vertritt Orban bei seinem Treffen mit seinem georgischen Amtskollegen Irakli Kobachidse nicht unbedingt. Orban, der zunehmend als Putins Sprachrohr in der Union gilt, kam den Erklärungen der EU zuvor, noch bevor alle Stimmen ausgezählt waren, und gratulierte „der Partei Georgischer Traum zu ihrem überwältigenden Sieg“ und fügte hinzu, dass die Georgier „wissen, was das Beste für ihr Land ist, und sich Gehör verschafft haben“.

Bisher hat sich Brüssel nur sehr vorsichtig zu den Vorwürfen der Wahlmanipulation in Georgien geäußert.

Die Manipulationen wurden mit Hilfe Russlands durchgeführt, sagt die georgische Präsidentin. Der Großteil der georgischen Opposition ist ebenfalls ihrer Meinung und wirft der Regierung "massive Fälschungen" bei der Wahl vor.

"Ihr habt die Wahl nicht verloren", sagte Surabitschwili zu den Demonstrierenden, die georgische und EU-Fahnen schwenkten. "Sie haben eure Stimme gestohlen und versucht, eure Zukunft zu stehlen, aber niemand hat das Recht, das zu tun, und ihr werdet das nicht zulassen!"

Surabitschwili sagte der Menge, dass sie den Weg des Landes nach Europa gegen die Aktionen der Moskau-freundlichen Regierungspartei Georgischer Traum verteidigen werde. "Wir haben keine Alternative, und nichts anderes wollen wir den nächsten Generationen in diesem Land hinterlassen", sagte sie.

Georgiens Präsidentin Salome Surabitschwili spricht zu den Menschen während eines Protestes der Opposition gegen die Ergebnisse der Parlamentswahl.
Georgiens Präsidentin Salome Surabitschwili spricht zu den Menschen während eines Protestes der Opposition gegen die Ergebnisse der Parlamentswahl. Zurab Tsertsvadze/Copyright 2024 The AP. Alle Rechte vorbehalten.

Zwar nannte Surabitschwili keine konkreten Einzelheiten und legte direkt nach der Wahl keine Beweise für die Beteiligung Russlands am Wahlbetrug vor, viele Experten im Land sind aber der Meinung, dass eine unabhängige Untersuchung viele Fälle entdecken würde, bei denen Stimmzettel weggeworfen oder Menschen direkt vor dem Wahllokal Geld für ihre Stimme erhalten haben. Außerdem seien viele Beamte im Land vor der Wahl eingeschüchtert worden, so mehrere Vertreter der georgischen Opposition in Deutschland.

Die Kundgebung unterstrich die Spannungen in dem Land, das zwischen Russland und der Türkei liegt und in dem die Regierungspartei Georgischer Traum zunehmend autoritär und Moskau zugeneigt ist.

Die Kundgebung in Tiflis endete nach mehreren Stunden friedlich. Es wurden keine konkreten Pläne für weitere Protestaktionen angekündigt, diese werden aber auf alle Fälle kommen, verspricht die georgische Opposition.

Oppositionsparteien lehnen Regierung ab

Giorgi Washadze, Vorsitzender der Koalition um die pro-europäische Mitte-Rechts-Partei Vereinte Nationalen Bewegung, erklärte, die Opposition werde sich nicht an Gesprächen mit der Regierung beteiligen und auf eine neue Abstimmung unter internationaler Aufsicht drängen. "Wir werden nicht in dieses Parlament einziehen. Wir lehnen alle Mandate ab", sagte er. "Wir werden keine Verhandlungen aufnehmen. Wir werden bis zum Sieg kämpfen, und wir versprechen Ihnen, dass wir auf jeden Fall gemeinsam gewinnen werden."

Die USA und die Europäische Union haben bereits auf eine vollständige Untersuchung des Wahlergebnisses vom Samstag gedrängt. "Die Georgier müssen, wie alle Europäer, ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Auch US-Beamte haben Georgien aufgefordert, die autoritäre Gesetzgebung aufzuheben, Wahlmängel zu beheben und Georgien an Europa heranzuführen. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, sagte, die Wahl in Georgien sei von der Politik der Regierungspartei geprägt gewesen, einschließlich des Missbrauchs öffentlicher Mittel, des Stimmenkaufs und der Einschüchterung von Wählern.

Auch US-Außenminister Antony Blinken äußerte sich nach der Wahl besorgt. "Wir verurteilen alle Verstöße gegen internationale Normen und schließen uns den Forderungen internationaler und lokaler Beobachter nach einer umfassenden Untersuchung von Berichten über Verstöße bei der Wahl an", erklärte er am Sonntag.

"Wir brauchen die feste Unterstützung unserer europäischen und amerikanischen Partner", sagte Präsidentin Surabitschwili und fügte hinzu, dass es im Interesse eines "starken Europas" sei, im Kaukasus präsent zu sein und die Region stabil zu halten.

Ein junger Mann hält ein Plakat während eines Protestes der Opposition gegen die Ergebnisse der Parlamentswahl in Tiflis, Georgien, Montag, 28. Oktober 2024.
Ein junger Mann hält ein Plakat während eines Protestes der Opposition gegen die Ergebnisse der Parlamentswahl in Tiflis, Georgien, Montag, 28. Oktober 2024. Shakh Aivazov/Copyright 2024 AP. Alle Rechte vorbehalten.

Laut der zentralen Wahlkommission erhielt Georgischer Traum nach Auszählung fast aller Stimmzettel 54,8 Prozent der Stimmen. Diese Partei wurde 2012 von Bidsina Iwanischwili gegrüdnet. Der zwielichtige Milliardär hat sein Vermögen in Russland gemacht und Gesetze verabschiedet, die denen ähneln, mit denen der Kreml gegen die Meinungsfreiheit und die Rechte von LGBTQ+ vorgeht.

Russland streitet Einmischung in die Wahl ab

Der Kreml hat die Vorwürfe der Einmischung zurückgewiesen. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow behauptete stattdessen, der Westen habe versucht, die Wahl zu beeinflussen. Surabitschwilis Aufruf an die Georgier, sich an den Protesten zu beteiligen, bezeichnete Peskow als einen Versuch, das Land zu destabilisieren.

Parlamentspräsidentin Schalwa Papuaschwili, Mitglied der Partei Georgischer Traum, warf dem Präsidenten ebenfalls vor, ein "Putschszenario" zu schaffen, das "gegen die verfassungsmäßige Ordnung und demokratische Wahlen" verstoße.

Demonstranten mit Plakaten während eines Protestes der Opposition in Tiflis gegen die Ergebnisse der Parlamentswahl, Georgien, 28. Oktober 2024.
Demonstranten mit Plakaten während eines Protestes der Opposition in Tiflis gegen die Ergebnisse der Parlamentswahl, Georgien, 28. Oktober 2024. Emma Burrows/Copyright 2024 The AP. Alle Rechte vorbehalten.

Eine gespaltene Gesellschaft

Die EU hat das Beitrittsverfahren Georgiens auf unbestimmte Zeit ausgesetzt, weil dort im Juni ein Gesetz über "ausländische Einflussnahme" nach russischem Vorbild verabschiedet wurde und es der Regierung ermöglicht, härter gegen die Opposition im Land vorzugehen. Deshalb betrachteten viele Georgier die Wahl vom Samstag als ein entscheidendes Referendum über die Möglichkeit eines EU-Beitritts.

Der Wahlkampf in dem 3,7 Millionen Einwohner zählenden Land, das an Russland grenzt, war von einem erbitterten Kampf um Stimmen und dem Vorwurf einer Verleumdungskampagne geprägt.

Europäischen Beobachtern zufolge fand die Wahl in einem "gespaltenen" Umfeld statt, das von Einschüchterung, Stimmenkauf, doppelter Stimmabgabe und physischer Gewalt geprägt war. Während des Wahlkampfes bediente sich Georgischer Traum einer "antiwestlichen und feindseligen Rhetorik, förderte russische Fehlinformationen, Manipulationen und Verschwörungstheorien", so Antonio López-Istúriz White, Leiter der Wahlbeobachtungsdelegation des Europäischen Parlaments.

Wahlbeobachter berichteten von Einschüchterungsversuchen und anderen Verstößen, die besonders in ländlichen Gebieten zu beobachten waren.

Seinen höchsten Stimmenanteil, fast 90 Prozent, erzielte die Partei Georgischer Traum in der Region Javachetien im Süden Georgiens. In der Hauptstadt erhielt sie in keinem Bezirk mehr als 44 Prozent.

Orbáns Besuch in Georgien wird von der EU als umstritten angesehen. Denn die EU hat die georgischen Behörden aufgefordert, ihrer Pflicht nachzukommen und die mutmaßlichen Wahlmanipulationen rasch, transparent und unabhängig zu untersuchen.

Georgiens Präsidentin Surabitschwili hat Orbán als "besonderen Freund" der Partei Georgischer Traum bezeichnet. Sein Besuch sei lediglich ein "politisches Spiel", sagt sie.

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