Erneut versammelten sich Demonstranten vor dem Parlament in der Hauptstadt Tiflis. Es kam zu Straßenkämpfen mit der Polizei. In anderen Städten, darunter die Schwarzmeerstadt Batumi, gab es ebenfalls Proteste.
Tausende von Menschen haben in Georgien die zweite Nacht gegen die Entscheidung der Regierung protestiert, die Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union auszusetzen.
Sie versammelten sich wieder vor dem Parlament in der Hauptstadt Tiflis. Einige versuchten, die Metalltore des Gebäudes zu durchbrechen, andere errichteten mit Mülltonnen und Bänken Barrikaden.
Die Bereitschaftspolizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein, um die Demonstranten vom Gebäude zurückzudrängen.
Die EU-freundliche Präsidentin des Landes, Salome Surabischwili, die seit langem mit der pro-russischen Regierungspartei Georgischer Traum verfeindet ist, schimpfte auf der Plattform X über "Unterdrückung in russischem Stil."
"Wieder einmal werden wir Zeugen brutaler und unverhältnismäßiger Angriffe auf das georgische Volk und die Medien, was an Repressionen in russischem Stil erinnert", postete sie. "Diese Aktionen werden nicht verziehen! Diejenigen, die für den Einsatz von Gewalt verantwortlich sind, sollten zur Verantwortung gezogen werden."
Surabischwili hatte sich am Donnerstagabend den Demonstranten angeschlossen, nachdem sie die Regierung beschuldigt hatte, dem eigenen Volk den "Krieg" zu erklären.
Zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten kam es am späten Freitagabend auch in der Schwarzmeerhafenstadt Batumi.
"Wir kämpfen nicht nur gegen den Georgischen Traum, wir kämpfen gegen Russland, wir kämpfen gegen den russischen Einfluss in diesem Land. Es werden jetzt enorme Ressourcen, Geld und alles eingesetzt. Deshalb bitte ich alle Führer der demokratischen Welt, das georgische Volk zu unterstützen. Sanktionen, Aktionen, Finanzierung, alles muss getan werden. Das ist sehr wichtig", erklärte Giorgi Waschadse, Begründer der Oppositionskoalition Vereinte Nationale Bewegung.
Umstrittener Wahlsieg und Manipulationsvorwürfe
Der umstrittene Sieg der Regierungspartei Georgischer Traum bei der Parlamentswahl am 26. Oktober hatte massive Demonstrationen ausgelöst und zum Boykott des Parlaments durch die Opposition geführt. Die Wahl wurde weithin als Referendum über den angestrebten EU-Beitritt des Landes angesehen.
Die Opposition beklagte, die Wahl sei manipuliert worden unter dem Einfluss Russlands, das Georgien in seiner Umlaufbahn halten wolle.
Zu ähnlichen Einschätzungen kamen die Europa-Abgeordneten: Das Europäische Parlament hat am Donnerstag eine Entschließung verabschiedet, in der die georgische Parlamentswahl im Oktober als weder frei noch fair verurteilt wird, und als weiterer Beweis für den anhaltenden demokratischen Rückschritt, für den die regierende Partei Georgischer Traum die volle Verantwortung trage. Das Europa-Parlament fordert die Wiederholung der Wahl binnen eines Jahres unter internationaler Beobachtung. Außerdem rufen die Abgeordneten zu Sanktionen seitens der EU auf.
Europäische Wahlbeobachter erklärten, die Abstimmung im Oktober habe in einer gespaltenen Atmosphäre stattgefunden, die von Bestechung, doppelter Stimmabgabe und physischer Gewalt geprägt gewesen sei.
Nur wenige Stunden nach der Entschließung des Europa-Parlaments kündigte die georgische Regierung an, die Verhandlungen über den EU-Beitritt bis 2028 auszusetzen.
Die EU hatte Georgien im Dezember 2023 den Status eines Beitrittskandidaten gewährt unter der Bedingung, dass das Land die Empfehlungen der Europäischen Union erfüllt. Nach der Verabschiedung eines Gesetzes über "ausländische Einflussnahme", das weithin als Schlag gegen die demokratischen Freiheiten angesehen wird, wurde der Beitritt jedoch auf Eis gelegt und die finanzielle Unterstützung Anfang des Jahres gekürzt.
Der georgische Ministerpräsident verurteilte umgehend die "Kaskade von Beleidigungen" seitens der EU-Politiker und erklärte, dass "die Böswilligen unseres Landes das Europäische Parlament zu einer stumpfen Erpressungswaffe gegen Georgien gemacht haben, was eine große Schande für die Europäische Union ist. Wir werden unseren Weg in Richtung Europäische Union fortsetzen, aber wir werden es nicht zulassen, dass uns jemand in einem ständigen Zustand der Erpressung und Manipulation hält, was unserem Land und unserer Gesellschaft gegenüber völlig respektlos ist."
Kobachidse sagte auch, dass Georgien bis Ende 2028 keine Haushaltszuschüsse von der EU erhalten werde.
Kritiker haben der Partei Georgischer Traum - gegründet von Bidzina Iwanischwili, einem zwielichtigen Milliardär, der sein Vermögen in Russland gemacht hat - vorgeworfen, zunehmend autoritär zu werden und sich Moskau zuzuwenden.
Die Partei hat kürzlich Gesetze durchgesetzt, die denen ähneln, mit denen der Kreml gegen die Meinungsfreiheit und die Rechte von LGBTQ+ vorgeht.