Die Wahlen in Deutschland verändern die politische Landschaft: Die rechten und linken Parteien sind auf dem Vormarsch. Wird die Union unter Merz bis Ostern eine Koalition bilden können?
Mehrere Millionen Deutsche konnten heute bei der Bundestagswahl ihre Stimme abgegeben. Die Wahlbeteiligung lag laut der ARD bei rund 84 Prozent. Die letzten Wahlumfragen deuten darauf hin, dass die Union mit rund 28,5 Prozent vorne liegt und voraussichtlich die Regierung bilden wird.
Hinter der konservativen Union folgt die rechtspopulistische AfD. Seit der Bundestagswahl 2021 hat diese einen Anstieg von etwa 10 Prozent verzeichnet und liegt nun bei rund 20,5 Prozent.
Obwohl noch nicht alle Stimmen ausgezählt sind, wird erwartet, dass sich das Ergebnis kaum ändern wird. Das bedeutet, dass das Land erneut auf eine Koalitionsregierung zusteuert, da es in der modernen Geschichte Deutschlands noch nie eine absolute Mehrheit gegeben hat.
Was erwartet die CDU und ihren Vorsitzenden Friedrich Merz, und was sind die vier wichtigsten Erkenntnisse aus der heutigen Wahl?
1. Klarer Vorsprung für die Union, keine Koalition mit der AfD in Sicht
Trotz des Vorsprungs der CDU bei der Wahl wird sie weiterhin einen oder zwei Koalitionspartner brauchen, um zu regieren. Wenn die AfD bis zur Auszählung aller Stimmen weitere 1,5 Prozent erreichen, könnten die CDU und ihre Schwesterpartei CSU theoretisch eine Koalition mit der AfD eingehen.
Allerdings hat CDU-Chef Merz eine schwarz-blaue Koalition oder eine "Mitternachtskoalition" erneut ausgeschlossen und sich selbst eine Frist bis Ostern gesetzt, um eine funktionierende Lösung zu finden.
In der Berliner Runde der ARD kamen am Sonntagabend alle Spitzenkandidaten zusammen, um über die wichtigsten Ergebnisse zu diskutieren.
Merz bekräftigte seine Haltung gegen eine Koalition mit der AfD und betonte, dass deren Politik nicht mit der der CDU/CSU übereinstimme.
2. Eine weitere "Ampel"-Koalition?
Die vorherige Regierung aus der SPD von Bundeskanzler Olaf Scholz, den Grünen und der FDP zerbrach, nachdem Scholz im November letzten Jahres seinen Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner entlassen hatte.
Die Koalition wurde von anhaltenden Streitigkeiten überschattet, was sich in den Verlusten der Parteien an den Wahlurnen widerspiegelt.
Um eine 50 Prozent-Mehrheit zu erreichen und eine Regierung zu bilden, wird die führende Partei bei der heutigen Wahl, die CDU, möglicherweise nicht in der Lage sein, dies mit nur einem Partner zu tun. Dies eröffnet die Möglichkeit einer weiteren Drei-Parteien-Koalition.
Scheitert die FDP an der 5 Prozent-Hürde, kämen für die CDU/CSU nur noch die Grünen und die SPD als Koalitionspartner infrage.
Obwohl die CDU eine Koalition mit den Grünen während des gesamten Wahlkampfes ausgeschlossen hat, hat der Vorsitzende der CDU-Schwesterpartei CSU, Markus Söder, nun in der Berliner Runde der ARD erklärt, dass eine solche Koalition nicht mehr vom Tisch sei.
Auch der Kanzlerkandidat der Grünen, Robert Habeck, hat erklärt, dass eine Koalition mit der CDU für ihn und seine Partei nicht vom Tisch sei. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz erklärte lediglich, er werde keine solchen Koalitionsgespräche führen, da er sich "um das Amt des Bundeskanzlers beworben" habe.
3. Rechte und Linke legen deutlich zu
Anders als bei früheren Wahlen haben die Parteien am äußersten Ende des politischen Spektrums in diesem Jahr an Dynamik gewonnen.
Die rechte AfD hat seit der letzten Bundestagswahl 2021 um mehr als 10 Prozent zugelegt, während die linke Partei Die Linke ebenfalls deutlich zugelegt hat.
Im Jahr 2021 schaffte Die Linke den Einzug in den Bundestag, obwohl sie nur 4,9 Prozent der Zweitstimmen erhielt. Die Partei errang drei Direktmandate und profitierte damit von der Grundmandatsklausel, mit der die 5 Prozent-Hürde umgangen wurde.
Dadurch erhielt sie 39 Sitze im Verhältnis zu ihrem Zweitstimmenanteil und konnte mit vollem Fraktionsstatus im Parlament bleiben.
Die AfD hat ihren Wahlkampf auf die Themen Wirtschaft und Migration konzentriert. Die Linke hat soziale Themen wie den Mietendeckel in den Vordergrund gestellt.
Laut ZDF stuften die Wähler "Flüchtlinge und Asyl" als wichtiger ein als "Renten" oder "Klimaschutz". Noch wichtiger wurden "Frieden und Sicherheit", "Wirtschaft" und "soziale Gerechtigkeit" eingestuft.
4. Potenzieller Verlust für die kleinen Parteien
In Deutschland muss eine Partei mehr als 5 Prozent der Gesamtstimmen oder mindestens drei Direktmandate in einzelnen Wahlkreisen erringen, um in den Bundestag einzuziehen.
Für kleine Parteien wie die liberale FDP, die Linke und die linkskonservative BSW könnte die heutige Wahl über ihr politisches Überleben entscheiden.
Während die Linke ihren Platz im Bundestag so gut wie sicher hat, bleibt die Zukunft von BSW und FDP vorerst ungewiss.
Die FDP liegt derzeit bei etwa 4,6 Prozent, die BSW bei etwa 4,9 Prozent. Da noch nicht alle Stimmen ausgezählt sind, besteht für beide Parteien noch Potenzial für Schwankungen in beide Richtungen.
In der ARD-Debatte sagte Lindner, dass er die Politik verlassen wird. "Wir kennen das Endergebnis noch nicht. Aber ich bin Realist, und es kann sein, dass sich die FDP morgen reformieren muss", sagt er.
"Wenn die FDP den Einzug in den Bundestag nicht schafft, ist es klar, dass ich aus der Politik aussteige", so Lindner abschließend.