Nutzer sozialer Medien und sogar polnische Politiker haben behauptet, ein Video zeige, wie eine große Gruppe von Migranten nachts heimlich nach Krakau gebracht werde. EuroVerify hat das Ganze genauer untersucht und etwas Überraschendes herausgefunden.
Es sind Behauptungen aufgetaucht, dass "gefälschte Asylbewerber" in polnische Städte gebracht werden. EuroVerify hat diese Falschbehauptungen als Teil einer breit angelegten Anti-Migranten-Desinformationskampagne entlarvt.
Weit verbreitete X-Postst zeigen Videos einer Gruppe von Menschen, die nachts Koffer durch eine Straße in Krakau schleppen, bzw. auf Rollen hinter sich herziehen. Die veröffentlichten Bildunterschriften lauten: "Falsche Asylbewerber werden nachts, wenn die Polen schlafen, in Krakau, Polen, abgeladen."
In den Bildunterschriften werden einige ungenannten Behörden beschuldigt, "hinterhältig" zu sein und Polen wie auch das übrige Europa zerstören zu wollen.
Wir haben ein Standbild aus dem Video durch eine umgekehrte Bildersuche geschickt, die uns zu einem Facebook-Post führte, der am 19. April 2025 von einer öffentlichen Lobbybewegung für die Bewohner der Krakauer Altstadt veröffentlicht wurde.
Laut ihrer Website setzt sich die Lobby-Gruppe unter anderem dafür ein, den Lärm und die Öffnungszeiten von Gastronomiebetrieben in der Stadt zu reduzieren, um den Frieden für die dort lebenden Menschen zu erhalten.
Dem Facebook-Post zufolge zeigt das Video ein sogenanntes "Hotel-Crawl" von etwa 100 Personen in der Stadt um etwa 1:15 Uhr.
Im Original-Post heißt es, dass die Touristen zu viel Lärm für diese Uhrzeit machen und dass die Krakauer Behörden den Einbau von schalldichten Fenstern für die Anwohner in Erwägung ziehen sollten, so wie eine ähnliche Initiative in Wien.
Der Leiter der Lobbygruppe teilte EuroVerify in einer Nachricht mit, dass eines ihrer Mitglieder das Video als Beispiel für eine "Störung" in der Stadt aufgenommen habe.
Er sagte, man kenne weder die Nationalität noch das Geschlecht oder die Religion der Personen in dem Video, und dass sie zwar nicht besonders laut seien, aber ihre Koffer, die die Straße entlang rollten, schon.
"Dies ist eine Störung der nächtlichen Ruhe", fügte er hinzu.
Der Krakauer Bürgermeister fordert eine Entschuldigung
Das falsch untertitelte Video ist besonders besorgniserregend, weil sogar polnische Politiker es mit den gleichen falschen Behauptungen geteilt zu haben scheinen, um ihre rechtsgerichtete Politik voranzutreiben.
EuroVerify setzte sich mit dem Büro von Aleksander Miszalski, dem Bürgermeister von Krakau, in Verbindung, das mitteilte, dass es das Video kenne und einen Brief weitergab, den Miszalski an die polnische Abgeordnete Anna Krupka geschrieben hatte.
In dem Brief wird die rechtspopulistsiche PiS-Politikerin Krupka aufgefordert, sich für einen Social-Media-Beitrag vom 22. April zu entschuldigen, in dem sie das Video geteilt und Krakau beschuldigt hatte, Migranten "im Schutze der Nacht" in die Stadt zu bringen. Der Beitrag fand schnell Anklang bei rechtsextremen Gruppen.
"Ich fordere Sie förmlich auf, sich öffentlich für die Verbreitung von Desinformationen und die Konstruktion eines irreführenden Narrativs in Bezug auf die Migrationspolitik zu entschuldigen", schrieb der Bürgermeister in seinem Brief und merkte an, dass die bloße Entfernung des Beitrags "völlig unzureichend" sei.
"Das in dem Beitrag gezeigte Video, das ausländische Touristen auf dem Weg zu ihren Hotels in der Łobzowska-Straße zeigt, wurde absichtlich aus dem Zusammenhang gerissen und manipuliert, um bei den Einwohnern von Krakau Angst zu schüren", so der Bürgermeister weiter.
"Solch ein bedauerlicher Akt ist völlig unvereinbar mit der Verantwortung und den ethischen Standards, die von einem Mitglied des Parlaments der Republik Polen erwartet werden", fügte Miszalski hinzu. "Indem Sie das öffentliche Vertrauen, das Ihnen entgegengebracht wird, ausnutzen, schüren Sie absichtlich die Spaltung der Gesellschaft, schüren Feindseligkeit und verbreiten plumpe Propaganda, die nur dazu dient, sich einen vorübergehenden politischen Vorteil zu verschaffen."
Es scheint, dass Krupka das geteilte Video zwar von ihren Social-Media-Kanälen entfernt hat - Screenshots von der ursprünglichen Veröffentlichungen existieren noch - EuroVerify konnte allerdings keine ausdrückliche öffentliche Entschuldigung finden.
Da Krupka sich nicht entschuldigt hat, hat Miszalski die Angelegenheit inzwischen an den parlamentarischen Ethikausschuss weitergeleitet.
"Tausende Menschen haben diese Manipulation gesehen, die das Image von Krakau angegriffen hat", so der Bürgermeister in einem Beitrag auf X. "Ich habe Anna Krupka aufgefordert, sich öffentlich zu entschuldigen. Sie glaubt jedoch nicht, dass sie etwas falsch gemacht hat...".
Nachdem sie das Video gepostet hatte, trat Krupka im polnischen Fernsehen auf und sagte, sie habe es nicht selbst veröffentlicht, sondern "die Person, die [ihren] Facebook-Account betreibt", so nationale Nachrichtenberichte.
Krupka sagte, sie habe dem Social-Media-Manager gesagt, er solle den Beitrag löschen, als sie merkte, was geschehen war.
In anderen Berichten heißt es, Krupka habe die Angelegenheit als abgeschlossen betrachtet, nachdem sie das Video entfernt hatte. Auf die Bitte von EuroVerify um eine Stellungnahme hat sie nicht reagiert.
Alles in allem gibt es keine Beweise dafür, dass Krakau "falsche Asylbewerber" ins Land holt, und das Video wird online mit einer falschen Bildunterschrift geteilt, die vermutlich dazu dient, Hass und Angst vor Migranten zu schüren.