Ein Urteil zu rechtswidrigen Zurückweisungen drei Somalier macht Schlagzeilen. Beim Versuch der unerlaubten Einreise, gab eine der Personen an minderjährig zu sein. Polizeigewerkschaftler Teggatz zu Euronews: "Frage im Raum, ob NGOs die Somalierin beraten haben, ihr echtes Alter zu verschleiern."
Mittwochabend saß Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) in der ARD-Talkshow Sandra Maischberger und versuchte erneut seine neue, harte Grenzpolitik zu verteidigen. Denn die Debatte über Zurückweisung dreier Asylbewerber, die aus Polen über Frankfurt/Oder einreisen wollten, hält weiter an.
Das Verwaltungsgericht Berlin hatte geurteilt, dass die Zurückweisung in einem Einzelfall, konkret von drei Somaliern, rechtswidrig war. Sie sind nun in Deutschland und werden nach Euronews-Informationen noch Mittwoch in einer Erstaufnahmeeinrichtung gebracht.
Das war geschehen:
Die drei Somalier reisten im April über Belarus, Litauen nach Polen. Dort stellten sei kein Asyl. Am 2. und 3. Mai versuchten über den Fußweg nach Deutschland einzureisen. Auch bei diesen Versuchen stellten sie keinen Antrag auf Asyl.
Am 7. Mai kündigte Dobrindt Zurückweisungen von Asylbewerbern an.
Noch am selben Tag begab sich die Hilfsorganisation "ProAsyl" an die deutsch-polnische Grenze, um sich ein Bild von der Lage zu machen, in einem Video sagt ein Vertreter: "Ich stehe hier vor der Bundespolizeistelle in Frankfurt/Oder, dadrin ist eine Person, die Opfer von Zurückweisung wird. Ich würde der Person ihr anwältliche Unterstützung anbieten. Wenn die Person klagen möchte, würden wir klagen."
Am 9. Mai begaben sich die drei Personen aus Somalia in einen Zug und wurden am Bahnhof Frankfurt/Oder von der Bundespolizei aufgegriffen. Die Züge dort werden fast ausnahmslos kontrolliert. Zudem befindet man sich am Bahnhof rechtlich definiert nun auf deutschen Boden. Alle drei forderten diesmal Asyl ein. Die Bundespolizei wies die Somalier erneut zurück.
Mit Hilfe der Nichtsregierungsorganisation "ProAsyl" setzten sich die Betroffnen zu wehr, stellten schriftlich einen Antrag. Beim dritten Mal hat die Somalierin eine unbegleitete Minderjährigkeit angegeben, was einen besonderen Schutz rechtlich bedeuten würde.
Insider: "Somalierin sieht keinesfalls minderjährig aus. Dokument wirkt verfälscht"
Doch die angegebenen Identitäten der Somalier werfen Fragen auf. Euronews liegen die Gerichtsbeschlüsse vor.
In diesem heißt es: "Es sei für sie, die Antragsgegnerin, zu keinem Zeitpunkt erkennbar gewesen, dass die Antragstellerin minderjährig sei. Die Echtheit der nunmehr vorgelegten Geburtsurkunde lasse sich aufgrund der bloßen Übermittlung einer Fotokopie nicht überprüfen. Die vorgelegte Kopie weise jedoch mehrere Merkmale auf, die von amtlichen somalischen Urkunden abwichen."
Ein Insider der Bundespolizei sagt zu Euronews: "Das Dokument ist kein Dokument. Es ist eine Fotokopie eines Dokumentes, das von den üblichen offiziellen Dokumenten aus Somalia abweicht, also auf eine klare Fälschung oder Verfälschung hindeutet."
"Da drin wurde das Geburtsjahr 2008 angegeben. Zudem sieht die Person allerdings keinesfalls aus wie 16 Jahre! Sondern eben älter. Eine Minderjährigkeit ist keinesfalls erkennbar. Das wissen auch die Nichtregierungsorganisationen und Anwälte, die diese Person vertreten – denn sie haben sie ja gesehen", so der Grenzpolizist im Hintergrund.
Der Flüchtlingspolitische Sprecher der NGO "Pro Asyl" sieht das etwas anders. Im Gespräch mit Euronews mahnt Tareq Alaows: "Die Bundespolizei behauptet Tatsachen und weist die Menschen einfach zurück! Doch selbst wenn die Bundespolizisten Zweifel an der Minderjährigkeit haben, müssen sie die Urkunde doch erst überprüfen und die Menschen dafür ins Land lassen."
Tareq Alaows, der selbst Flüchtling aus Syrien war, erzählt: "Sie war in einem schlechten Zustand. Die Somalierin hatte eine schwere Fuß-Verletzung. Eine Erfrierung am Fuß, das hätte für sie gesundheitlich gefährlich werden können!"
Nach Information von Euronews hatten die Bundespolizisten eine Aufnahme ins Krankenhaus in die Wege geleitet, damit die Somalierin ihre Verletzung behandeln lassen kann.
In dem Gerichtsbeschluss steht zudem festgeschrieben: "Schließlich bedarf es auch der Überprüfung der Minderjährigkeit der Antragstellerin, die durch die Einreichung einer Urkundenkopie noch nicht nachgewiesen ist."
Teggatz: "Frage im Raum, ob NGOs Migranten beraten, echtes Alter zu verfälschen"
Der Chef der Deutschen Bundespolizei, Heiko Teggatz, meint zu Euronews: "Es steht die Frage im Raum, ob die NGOs die Somalierin dahingehend beraten haben, ihr tatsächliches Alter zu verschleiern."
Teggatz weiter: "Eine bei der Einreise vorgelegte Kopie einer möglicherweise ge- oder verfälschten Geburtsurkunde ist kein amtliches Dokument, welches zur Einreise nach Deutschland berechtigt. Tatsache ist, dass die Identität – einschließlich des Alters – völlig unklar war."
Ein "solcher Modus operandi" sei in der Vergangenheit auch "immer wieder bei der Erlangung eines Visum" im Rahmen des in Kritik stehende "Bundesaufnahmeprogramms Afghanistan" zu beobachten. Dort kamen trotz Bedenken der Sicherheitsbehörden von mutmaßlich gefälschten Identiäten, Migranten nach Deutschland. Experten fürchten, dass durch diese Sicherheitslücke unter anderem Islamisten nach Deutschland kamen.
"Dann hätten sich die NGO-Anwälte strafbar gemacht"
"Möglicherweise wurde die Somalierin von Anwälten einer NGO sogar beraten, ihr tatsächliches Alter zu verschleiern?", fragt sich Teggatz. "Sollte das so sein, hätten sich die Anwälte selbstverständlich strafbar gemacht."
Teggatz fordert, dass nun auch gegen die NGO und Anwälte ermittelt werden sollte: "Entsprechende polizeiliche Ermittlungen sollten während der von den Anwälten eingeforderten Dublin-Prüfverfahren parallel laufen. Sollten sich diese Verdachtsmomente im Zuge der Ermittlungen verhärten, ist ein Strafverfahren gegen die Anwälte einzuleiten."
Bei einer rechtskräftigen Verurteilung müsse die Anwaltskammer die Zulassung als Rechtsanwalt zu entziehen.