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Umkämpfter Solidaritätspool: EU-Staaten bremsen Asylverteilung

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EbS Copyright  Migrants rescued at sea in the Mediterranean
Copyright Migrants rescued at sea in the Mediterranean
Von Vincenzo Genovese & Eleonora Vasques
Zuerst veröffentlicht am
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Bei einem Ministertreffen am Montag in Brüssel werden mehrere Mitgliedstaaten argumentieren, dass die Belastung durch den so genannten "Solidaritätspool" zu hoch sei.

Im Jahr 2026 werden EU-weit voraussichtlich weniger Schutzsuchende aus besonders stark belasteten Mitgliedstaaten umverteilt als bislang angenommen.

Bei einem Treffen der 27 EU-Innenminister am Montag in Brüssel steht die Größe des sogenannten Solidaritätspools auf der Tagesordnung – jenem Mechanismus, der festlegt, wie viele Menschen im kommenden Jahr innerhalb der EU aufgenommen werden sollen und welchen Beitrag die einzelnen Mitgliedstaaten leisten, entweder durch Umsiedlungen oder durch finanzielle Ausgleichszahlungen.

Die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, eine bestimmte Zahl von Asylbewerbern aus vier Staaten umzusiedeln, die als "unter Migrationsdruck stehend" gelten: Spanien, Italien, Griechenland und Zypern.

Die Details des Vorschlags sind vertraulich, nach Angaben aus EU-Kreisen soll der Pool jedoch etwa 30.000 Personen umfassen. Es wird erwartet, dass mehrere Mitgliedstaaten auf eine niedrigere Zahl drängen – teils, weil sie nur begrenzt zusätzliche Menschen aufnehmen möchten, teils, weil sie Ausgleichszahlungen vermeiden wollen.

"Es werden weniger als 30.000 sein"

Nach EU-Regeln sollen Staaten, die als besonders belastet eingestuft werden, im Folgejahr von einer verpflichtenden Solidarität der übrigen Mitgliedstaaten profitieren – entweder durch die Aufnahme von Schutzsuchenden oder durch finanzielle Beiträge.

Die Kommission legt den Umfang dieses Solidaritätsmechanismus fest; das Gesetz sieht dabei mindestens 30.000 Umsiedlungen und 600 Millionen Euro an finanziellen Beiträgen vor. Die Länder können anschließend selbst entscheiden, in welcher Form sie sich beteiligen.

Laut einer EU-Quelle, die Einblick in das vertrauliche Dokument hatte, hat die Kommission die höchstmögliche Mindestzahl angesetzt.

In der praktischen Umsetzung würden damit 30.000 Schutzsuchende aus den vier südlichen EU-Staaten auf die übrigen 23 Länder verteilt – nach Quoten, die sich an Bevölkerungsgröße und Wirtschaftsleistung orientieren.

Die Zuteilungen werden den Angaben zufolge in Prozentwerten angegeben, nicht als absolute Zahlen. Deutschland hätte demnach den größten Anteil. Rund 42 Prozent der Umsiedlungen betreffen Menschen, die auf See gerettet und anschließend in einem der vier belasteten Staaten an Land gebracht wurden.

Mehrere Mitgliedstaaten setzen sich jedoch für eine Verringerung der Gesamtzahl ein. Sie argumentieren, der erste Solidaritätszyklus solle verkürzt werden, da die neuen Migrationsregeln erst im Juni 2026 in Kraft treten.

"Die Staaten wollen den Umfang anpassen", sagte ein Diplomat. "Er wird niedriger sein als der Vorschlag der Kommission."

Obwohl eine Reduzierung im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist, signalisiert die Kommission, dass sie diese Option für das nächste Jahr nicht ausschließt.

"Der Vorschlag der Kommission für den jährlichen Solidaritätspool deckt grundsätzlich ein ganzes Jahr ab, aber der verkürzte Durchführungszeitraum ist ein Element, das der Rat berücksichtigen kann", sagte ein Kommissionssprecher am Freitag.

Mitgliedsstaaten sagen nein

Neben einer möglichen Reduzierung des Pools könnte auch die Zahl der beitragenden Staaten sinken.

Laut Kommissionsvorschlag kann eine weitere Gruppe von Ländern, die als "mit einer erheblichen Migrationssituation konfrontiert" gelten, eine vollständige oder teilweise Ausnahme von ihren Quoten beantragen. Eine solche Ausnahme muss von den übrigen Mitgliedstaaten genehmigt werden.

Bulgarien, Tschechien, Estland, Kroatien, Österreich und Polen gehören zu dieser Gruppe – und die meisten von ihnen haben laut mehreren EU-Quellen entsprechende Anträge gestellt.

In Polen wurde der Schritt von Premierminister Donald Tusk wenige Stunden nach dem Kommissionsvorschlag öffentlich gemacht. "Polen wird keine Migranten im Rahmen des Migrationspakts aufnehmen. Wir werden auch nicht dafür bezahlen", schrieb er auf X.

Ausnahmen müssen mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden: 15 der 27 Mitgliedstaaten, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, müssen zustimmen.

Der Anteil eines ausgenommenen Landes wird nicht auf andere Staaten umgelegt. Dadurch erhalten besonders belastete Länder insgesamt weniger Unterstützung.

"Ausnahmen und Ermäßigungen sollten so gering wie möglich und gut begründet sein", sagte ein Diplomat und verwies auf ein zentrales Konfliktthema des Treffens.

Ungarn kann keine Ausnahme erhalten, obwohl Ministerpräsident Viktor Orbán angekündigt hat, die Regeln nicht anwenden zu wollen.

Nach Angaben mehrerer mit dem Vorgang vertrauter Quellen würden die meisten EU-Länder eher den finanziellen Beitrag von 20.000 Euro pro nicht umgesiedelter Person leisten, als zusätzliche Menschen aufzunehmen. Einige Staaten – etwa Deutschland oder Schweden – könnten zudem vom sogenannten Verantwortungsausgleich profitieren, einem gesetzlich vorgesehenen Mechanismus, der die Zahl der tatsächlich zu leistenden Umsiedlungen weiter reduzieren kann.

Mehrere mittel- und nordeuropäische Länder nehmen bereits Personen auf, die eigentlich im Erstankunftsland Asyl hätten beantragen müssen und irregulär innerhalb der EU weitergereist sind – sogenannte Sekundärbewegungen.

Nach dem Ausgleichsmechanismus könnten diese Menschen künftig auf die jeweilige Solidaritätsquote angerechnet werden, anstatt sie an die stärker belasteten Ankunftsstaaten zurückzuführen – ein Verfahren, das bislang kaum funktioniert hat.

"Italien und Griechenland haben nach dem bisherigen System kaum Transfers akzeptiert. Dieser Mechanismus bietet deshalb eine konkrete Möglichkeit", sagte ein Diplomat.

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