Newsletter Newsletters Events Veranstaltungen Podcasts Videos Africanews
Loader
Finden Sie uns
Werbung

Epicurus, Montmartre und La Fontaine: Ein Reiseführer für Jazz in Kopenhagen

Seit 1979 verbreitet das Copenhagen Jazz Festival jeden Sommer die Musik in der ganzen Stadt.
Seit 1979 verbreitet das Copenhagen Jazz Festival jeden Sommer die Musik in der ganzen Stadt. Copyright  Daniel Rasmussen/Visit Copenhagen
Copyright Daniel Rasmussen/Visit Copenhagen
Von Craig Saueurs
Zuerst veröffentlicht am
Diesen Artikel teilen Kommentare
Diesen Artikel teilen Close Button

Schon seit der Nazizeit, aber auch später haben Dutzende Jazz-Legenden aus den USA immer wieder in Kopenhagen gelebt und gastiert. Dänemarks Haupstadt hat eine besondere Beziehung zu dieser Musik.

Weingläser klirren, Silberbesteck klappert und viele Stühle kratzen auf dem Holzboden. Freitagabend-Mood in Kopenhagen.

Die Tische sind voll mit ganz besonderen Gerichten - frische Austern mit Sauerampfer und grünem Chili, dünn geschnittener Rotbarsch mit Dashi und Pflaumen der Saison, getrüffelte Entenbrust auf pürierten Kartoffeln.

Wir sind im Epicurus, einem der besten neuen Restaurants in Kopenhagen. Aber so lecker die Speisen auch aussehen, das Abendessen ist nur die Vorspeise.

Hinter dem Speisesaal mit seinen hohen Decken und edlen Holzakzenten wartet das Hauptgericht - in einem versteckten Jazzsaal mit Kinostühlen, erstklassiger Tontechnik und einer eigenen Cocktailbar.

Das Epicurus, das Restaurant, Bar und Jazzclub ist, spiegelt ein oft unterschätztes Erbe wider, das Kopenhagen seit fast einem Jahrhundert prägt.

Hinter dem sauberen Design der Stadt, den Michelin-Sternen und den Fahrradwegen verbirgt sich eine gegenkulturelle Unterströmung, die mindestens seit den 1950er Jahren im Jazz ihren Ausdruck findet.

Einst ein Zufluchtsort für US-amerikanische Musiker auf der Suche nach kreativer Freiheit, hat sich die dänische Hauptstadt heute zu einem der dynamischsten Jazzzentren der Welt entwickelt, in dem jahrzehntealte Clubs, hochmoderne Veranstaltungsorte und Open-Air-Festivals die Musik Nacht für Nacht zum Leben erwecken.

Wie Kopenhagen zur unerwarteten Jazz-Hauptstadt Europas wurde

Im Pantheon der großen Jazzstädte stehen New Orleans und New York an erster Stelle, dann folgen Paris, Tokio und London. Aber nur wenige Städte in Europa teilen die tiefe Verbundenheit Kopenhagens mit dieser Musik.

In den 1950er und 60er Jahren wurde die Stadt zu einem Zufluchtsort für US-amerikanische Musiker, die Respekt und kreativen Freiraum suchten - insbesondere für schwarze Künstler zu Beginn der Bürgerrechtsbewegung, einer Zeit, die von Rassentrennung und wirtschaftlicher Ungleichheit geprägt war.

Der Saxophonist Stan Getz zog hierher. Das Gleiche gilt für Dexter Gordon, Chet Baker, Quincy Jones und den Pianisten Kenny Drew, der heute in Kopenhagen begraben liegt.

"Jazz ist das beste Beispiel für gelebte Demokratie - eine Koexistenz von Freiheit und Disziplin", sagt der Pianist und Komponist Niels Lan Doky. "Ich glaube, das hat dazu beigetragen, amerikanische Künstler nach Dänemark zu locken. Das ist auch der Grund, warum die Dänen es mögen."

Viele dieser Musiker haben in Dänemark vielleicht etwas gespürt, was sie zu Hause nur selten erleben.

"Ich habe viele Leute gefragt: 'Warum sind all diese großartigen Musiker hierher gekommen?'" erzählt Niels Lan Doky. "Es gibt verschiedene Theorien, aber viele sagen, dass sie das dänische Publikum wirklich zu schätzen wussten. Sie fühlten sich wie Künstler behandelt, nicht wie Entertainer."

Was als Flucht begann, wurde schließlich zu einer Zusammenarbeit über Länder und Kulturen hinweg, berichtet Lan Doky. Die Amerikaner spielten mit einheimischen Musikern, unterrichteten jüngere Dänen und halfen beim Aufbau einer Gemeinschaft, die weiterhin Talente aus der ganzen Welt anzieht.

Jazz als Widerstand gegen die Nazis

Der Jazz hatte bereits Jahrzehnte zuvor in Dänemark Wurzeln geschlagen.

Während der Nazi-Besatzung Ende der 1930er bis Anfang der 1940er Jahre wurde Jazz von Joseph Goebbels zur "entarteten Musik" erklärt. In Dänemark spielten sie ihn trotzdem in Kellern und an geheimen Orten, und die Musik wurde zu einem Akt des Widerstands. Nach dem Krieg ging es wieder an die Öffentlichkeit.

Im Jahr 1959 wurde das Jazzhus Montmartre im Stadtzentrum eröffnet, Europas Antwort auf das Village Vanguard in New York. An einem beliebigen Abend konnte Dexter Gordon auf der Bühne stehen, während Miles Davis im Publikum zusah.

Von seiner Gründung bis zu seiner Schließung im Jahr 1995 empfing der Club einige der weltbesten Musiker und war Ausbildungsstätte für einige der besten und klügsten Musiker Dänemarks.

"Ich habe in Kopenhagen gelebt... und habe wahrscheinlich in mehr verschiedenen Kontexten gearbeitet, als wenn ich in New York geblieben wäre, wo ich vielleicht mit einer festen Gruppe von Musikern zusammengearbeitet hätte", schrieb Kenny Drew in den Liner Notes zu seinem Album "Morning".

Auch Kopenhagen hat diese Jahre nicht vergessen.

Im Stadtteil Sluseholmen sind sieben Straßen nach den US-Musikern benannt, die hier gelebt und gespielt haben: Richard Boone, Kenny Drew, Dexter Gordon, Thad Jones, Oscar Pettiford, Ben Webster und Ernie Wilkins.

Wo man heute in Kopenhagen Jazz erleben kann

Für Reisende und Fans des Jazz ist es ein Leichtes, sich in die aktuelle Musikszene der Stadt einzuklinken.

Unter anderem dank Lan Doky wurde das Jazzhus Montmartre an seinem ursprünglichen Standort wiederbelebt. Ein paar Straßen weiter, im intimen La Fontaine mit seinen 100 Plätzen - der ältesten Jazzbar der Stadt - finden regelmäßig Jamsessions statt, die ein bunt gemischtes Publikum anziehen, sagt Lan Doky.

"Die Bar gibt es schon ewig", sagt er, doch sie ist weiterhin bei jungen und aufstrebenden Künstlern sehr beliebt. "Jeder, der in Kopenhagen spielt, landet irgendwann dort".

Das Charlie Scott's in der Skindergade im Stadtzentrum bietet ebenso lockere Sets und ein entspanntes lokales Publikum.

Und dann ist da noch das Epicurus. Im Rosenborg Annexe, einem 110 Jahre alten Gebäude im nationalromantischen Stil gegenüber dem Schloss Rosenborg, trifft das Publikum in der Regel in schickem Outfit ein - blaue Blazer, hohe Absätze, Paillettenröcke. Lan Doky kuratiert hier abwechselnd vierwöchige Residenzen, die Erfahrungen versprechen, "die man nur hier hören kann", sagt er.

"Wenn dieselben Musiker und dasselbe Repertoire so lange im selben Raum bleiben, entwickelt sich die Musik weiter und geht in verschiedene Richtungen".

Besucher und Besucherinnen können diese spontane Entwicklung leicht aus erster Hand erleben. Zweimal im Jahr verwandeln große Festivals die Stadt in einen lebendigen Jazzschauplatz, wobei die Veranstaltungsorte von intimen Clubs bis zu Open-Air-Bühnen reichen.

Jedes Jahr im Juli bietet das Copenhagen Jazz Festival 120 Events mit mehr als 1.500 Konzerten in nur zehn Tagen. Jeder Veranstalter kann sich anmelden: von kostenpflichtigen Konzerten über kostenlose Freiluft-Spektakel bis hin zu Jazz-Kreuzfahrten auf den Kanälen.

Im Februar hilft Vinterjazz Dänemark mit Events im ganzen Land, der Winterkälte zu entfliehen. Mehr als 600 Konzerte finden statt, von Aalborg bis Aarhus.

Und immer wieder haben die Reisenen einen Grund, nach Kopenhagen zurückzukehren.

"Im Jazz gibt es nie das Gleiche zweimal", sagt Niels Lan Doky. "Selbst wenn man dieselbe Melodie spielt, wird es nie dasselbe sein.

Zu den Barrierefreiheitskürzeln springen
Diesen Artikel teilen Kommentare