"Papabili" - das große Rätselraten um die Papst-Kandidaten

"Papabili" - das große Rätselraten um die Papst-Kandidaten
Von Euronews
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Es war ein historischer Tag für die katholische Kirche, dieser 28. Februar im Jahre des Herrn 2013. Ein Papst, der selbst entschieden hatte zu gehen, nahm Abschied von seinen Kardinälen. 67 von ihnen hatte er während seines knapp acht Jahre dauernden Pontifikats selber ernannt. Der deutsche Papst hinterlässt viele Fragen. Unter anderem jene, was in dem versiegelten Brief steht, den nur sein Nachfolger öffnen darf. Was die von ihm beauftragten Ermittler in der als “Vatileaks” bekannt gewordenen Affäre um weitergegeben geheime Informationen herausgefunden haben, soll erst der neue Papst erfahren. Benedikt XVI. verabschiedete sich von den Kardinälen mit den Worten:
“Möge der Herr Sie leiten. Unter ihnen ist der neue Papst, dem ich heute meine uneingeschränkte Ehreerbietung und meinen Gehorsam verspreche.”
Als einer der möglichen Kandidaten wird Odilo Scherer gehandelt. Der mit 63 Jahren für einen Papst recht junge Brasilianer mit deutschen Wurzeln ist sowohl im Vatikan gut vernetzt als auch daheim als Erzbischof von Sao Paulo. Dort führt er ein so großes Erzbistum, dass ihm die nötige Managererfahrung für die gesamte katholische Amtskirche zugetraut wird. Er war Generalsekretär der Brasilianischen Bischofskonferenz und auch schon in einer Führungsposition für ganz Lateinamerika und die Karibik.
Und dann hatte ihn Benedikt XVI. 2008 auch noch in das Kardinal-Kontrollgremium der Vatikanbank berufen, als die wegen Geldwäsche, Blockade von Korruptionsermittlungen, Schmiergeldaffären und geheime Nummernkonten, in Verruf geriet. Angelo Scola, der Erzbischof von Mailand, gilt auch als einer der “papabili”. Auch wenn der 72jährige sehr wohl als konservativ in der Tradition von Benedikt XVI. eingeschätzt wird, trauen ihm nicht wenige Kenner der Szene die Kraft zu, in der Kurie die unbedingt nötigen Reformen voran zu bringen. Er hat, was nach dem Professor Ratzinger viele Katholiken wünschen, eine lange Erfahrung als Seelsorger. Allerdings heisst es im Umfeld der Kurie auch, die Zeit der italienischen Päpste könnte erst einmal vorbei sein. Vielleicht sogar die Zeit der europäischen Päspste. Die übergroße Mehrheit der Katholiken lebt heut in Amerika, mehr in Süd, denn in Nord – und in Afrika. Ein derzeit in Rom oft zitiertes Sprichwort besagt, wer als heiß gehandelter Papst-Kandidat in die Sixtinische Kapelle einzieht, kommt zumeist als Kardinal wieder heraus.

Wer wird´s? Vatikan-Insider Giacomo Galeazzi über die Papstwahl

euronews: Herr Galeazzi, wer sind eigentlich die Kardinäle und Kirchen-Vertreter, die bei der Wahl eine entscheidene Rolle spielen könnten?

Giacomo Galeazzi: “Die Aufmerksamkeit richtet sich im Moment vor allem auf zwei Namen: Nämlich auf den Mailänder Erzbischof Angelo Scola und auf den Erzbischof von Sao Paulo in Brasilen, Odilo Pedro Scherer, der auch Vertreter bei der Vatikan-Bank IOR ist. Daneben könnte es zwei gegensätzliche Gruppen geben: Die Verteter der Kurie, also der Regierung des Vatikan, auf der einen Seite, und die Kardinäle außerhalb der Kurie auf der anderen Seite, die den Umgang mit dem “Vatileaks”-Skandal stark kritisiert haben.”

euronews: Gibt es einen Favoriten bei diesem Konklave?

Giacomo Galeazzi: “Im Moment gibt es Anhaltspunkte dafür, dass erstmals ein Papst gewählt wird, der nicht aus Europa kommt. “Vatileaks” und die Finanzskandale haben die Kurie und die italienischen Kardinäle schwer getroffen. Dass wieder ein italienischer Papst gewählt wird nach zwei Ausländern, erscheint immer weniger wahrscheinlich. Der Kandidat mit den besten Chancen, der auch die Unterstützung von Kardinalstaatssekretär Bertone genießt, scheint also der brasilianische Erzbischof Scherer zu sein, der seine Fähigkeiten sowohl als Kirchenmann in Sao Paulo als auch als Mitglied des Kontrollgremiums der Vatikanbank unter Beweis gestellt hat.”

euronews: Im Februar letzten Jahres hat Benedikt der 16. 22 Kardinäle ernannt, die meisten von ihnen Italiener. Im November hat er dann nochmal 6 außereuropäische Kardinäle bestimmt, vielleicht auch ein bisschen, um für Ausgeglichenheit beim Konklave zu sorgen. Wird der nächste Papst genauso handeln?

Giacomo Galeazzi: “Ich glaube, diese “Säuberungs-Maßnahmen” Ratzingers sind ein Programm, das so nicht sein darf. Der nächste Papst wird vielmehr den Kampf gegen den sexuellen Missbrauch in der Kirche fortsetzen müssen, die Aufklärung der Finanzskandale. Aber vergessen wir nicht, dass es auch Benedikt XVI war, der die Abberufung von rund 80 Bischöfen gefordert hat, um sexuellen Missbrauch zu verhindern, und dass er dafür gesorgt hat, dass der Vatikan wieder die Kontrolle über seine Finanzen hat.”

euronews: In Italien sagt man, dass derjenige, der als Top-Favorit für den Heiligen Stuhl gilt, nach dem Konklave meist als Kardinal wieder rauskommt. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass im letzten Moment doch jemand ganz Anderes gewählt wird?

Giacomo Galeazzi: “Das kann durchaus so sein. Die General-Kongregation, die das Pre-Konklave geprägt hat, zeigte sehr deutlich, dass vor allem unter den Kardinälen aus der sogenannten Dritten Welt der Wunsch nach Aufklärung sehr ausgeprägt ist. Sie wollen, dass die römische Kurie ein Stück weit reformiert wird, was von Benedikt XVI verhindert worden ist. Es wäre ein wichtiges Signal, wenn der nächste Papst nicht einfach Ratzinger-Anhänger wäre, weil er von Ratzinger nominiert wurde, sondern auch, weil er den Wunsch hat, diesen Vorgang des “Aufräumens” weiterzuführen, den Benedikt begonnen hat, diesen Kampf gegen die Skandale in der Kirche. Deshalb sind alle Kardinäle, die irgendwie in den “Vatileaks”-Skandal verwickelt sind, schon mal aus dem Rennen. Möglicherweise schlägt über der römischen Kurie gerade eine Art Tsunami zusammen an außereuropäischen Bewerbungen, die einen Papst hervorbringen, der weit weg von Rom beheimatet ist.”

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