Drohende Pleite und Korruption - Probleme an der Wirtschaftsfront der Ukraine

Drohende Pleite und Korruption - Probleme an der Wirtschaftsfront der Ukraine
Copyright 
Von Euronews
Diesen Artikel teilenKommentare
Diesen Artikel teilenClose Button

Der ukrainische Wirtschaftsminister Aivaras Abromavicius steht vor einer gewaltigen Herausforderung. Der 38-Jährige, der aus Litauen stammt und erst

WERBUNG

Der ukrainische Wirtschaftsminister Aivaras Abromavicius steht vor einer gewaltigen Herausforderung. Der 38-Jährige, der aus Litauen stammt und erst seit kurzem die ukrainische Staatbürgerschaft hat, muss das Land von Grund auf reformieren. Das ist die Bedingung des Internationalen Währungsfonds für die Vergabe eines Kredits in Höhe von 17,5 Milliarden US-Dollar.

euronews, Sergio Cantone:
Was für Reformen wollen Sie umsetzen?

Aivaras Abromavicius:
Die wichtigsten Reformen betreffen die Deregulierung. Es geht darum, allen Unternehmern im Land die gleichen Chancen zu geben und das Investitionsklima zu verbessern, damit mehr Investoren aus dem Ausland kommen. Zweitens planen wir eine Reform der Staatsunternehmen. Wir haben 1.900 Firmen im Staatsbesitz, doch viele werden wie Privatunternehmen geführt und der Gewinn geht an Privatpersonen und nicht an den Staat. Wir haben einen umfassenden Plan, um das zu ändern und um die Geschäftsführung transparenter zu machen.

euronews:
Wenn man dieses Land reformieren will, stellt die Verwaltung ein großes Problem dar, denn sie stellt sich quer. Alle Angestellten, die eine Verbindung mit der früheren Regierung haben, blockieren jeglichen Reformversuch. Was soll man da machen?

Aivaras Abromavicius:
Unser öffentlicher Sektor ist ein großes Problem. Beim aktuellen Wechselkurs verdienen Beamte weniger als 200 US-Dollar im Monat, das schafft ganz offensichtlich Raum für Korruption. Wenn die Löhne zu niedrig sind, ist ziemlich viel Bestechungsgeld im Umlauf.
Wir wollen eine Verwaltungsreform durchziehen, die Mitarbeiterzahl erheblich reduzieren und beim Rest die Löhne anheben. In meinen Ministerium wollen wir dieses Jahr 50 Prozent der Mitarbeiter einsparen. Und natürlich werden wir versuchen die Löhne für die Verbleibenden zu erhöhen, damit sie irgendwann ein anständiges Gehalt haben, mit dem sie ihre Familien versorgen können.

euronews:
Was werden Sie tun, um dieses wirtschaftliche und politische Machtsystem, das in der Hand der Oligarchen ist, zu beseitigen? Diese Funktionsweise findet man übrigens auch in anderen ehemaligen Ländern der Sowjetunion wieder.

Aivaras Abromavicius:
Wir haben keine ernstzunehmenden Oligarchen mehr in unserem Land. Denn durch die Wirtschaftskrise und die Herabsetzung der Währung haben die Oligarchen nur noch kleine und mittlere Unternehmen.

euronews:
Ja, aber die Mehrheit ihres Geldes liegt auf ausländischen Konten in US-Dollar.

Aivaras Abromavicius:
Ja, aber mit der schwächelnden Wirtschaft haben viele Unternehmen natürlich sehr große Schulden und fast keinen Börsenwert. Der Einfluss der Oligarchen ist also nicht so groß wie früher. Wir haben uns im Gashandel der Zwischenhändler entledigt. Wir kaufen derzeit mehr Gas von Europa als von Russland. Wir haben da gar keine Zwischenhändler, es ist alles sehr transparent. Das Gasunternehmen RosUkrEnergo und sein Geschäftsführer Firtasch sind nicht mehr Teil des Handels. Das ist ein Fortschritt für die ukrainische Gesellschaft und die Unternehmen in unserem Land. Wir dulden beim Gashandel keine Korruption mehr.

euronews:
Können Sie unseren Zuschauern sagen, wer Firtasch ist?

Aivaras Abromavicius:
Er ist ein berüchtigter Gashändler, der Gas vom russischen Gaskonzern Gazprom kaufte und es dann an die Ukraine weiterverkaufte.
In der Ukraine gibt es beim Gas zwei Preise. Die Bevölkerung bekommt das Gas dank der Subventionen zu einem sehr billigen Preis, während die Industrie den Marktpreis zahlen muss. Dadurch entsteht sehr viel Raum für Korruption. Eine der Schlüsselreformen ist die Reform des Energiesektors. Das ukrainische Staatsunternehmen NaftoGaz muss zerschlagen werden. Es muss in mindestens drei Unternehmen aufgeteilt werden. Das könnte ausländische Investoren ins Land locken und wir müssen natürlich die Gaspreise, die momentan sehr niedrig sind, erhöhen.

euronews:
Warum dauert es so lange die Infrastruktur, die für den Gastransport genutzt wird, zu privatisieren? Dabei ist sie sehr wichtig für ihr Land, Russland und auch für die EU.

Aivaras Abromavicius:
Derzeit kommt es nicht in Frage, Vermögenswerte an Russland zu verkaufen. Angesichts der aktuellen Beziehung zwischen unserem Land und Russland würde die Gesellschaft das nicht tolerieren. Die Regierung plant also nichts derartiges.
Es gibt das Projekt, Gas-Vermögenswerte zu privatisieren, aber während des Krieges wären die Gewinne, die man mit dem Verkauf erzielen könnte nicht hoch genug. Wir wollen also die Staatsunternehmen reformieren, gründlich aufräumen und den Privatisierungsprozess der Firmen ändern. Zur rechten Zeit, wenn die Marktbedingungen sich verbessert haben, werden wir versuchen diese Unternehmen an strategische Investoren zu verkaufen.

euronews:
Stimmt es, dass laut den Reformen, die die internationalen Gasorganisationen fordern, der Gaspreis um 300 Prozent steigen würde?

Aivaras Abromavicius:
Nun, es wird auf jeden Fall einen starken Anstieg des Gaspreises geben. Der Endpreis wird von der Nationalen Agentur für Strom und Gas festgelegt werden. Die Regierung vertritt die Einstellung, dass die Reichen nicht von den niedrigen Preisen profitieren sollten, was derzeit der Fall ist. Die Regierung will die Gaspreise anheben, damit sie so nah wie möglich an dem Marktpreis sind und gleichzeitig die Armen mit staatlichen Hilfsgeldern entschädigen. Die Armen werden nicht viel machen müssen, nur eine Einkommenserklärung und einen Antrag für Subventionen ausfüllen. Dann werden sie eine volle Entschädigung für die gestiegenen Gaspreise erhalten.

euronews:
Können Sie uns sagen, wer Ihrer Meinung nach als arm gilt? Wie wird das geregelt werden?

Aivaras Abromavicius:
Nun, angesichts der Wirtschaftskrise wird die Zahl der Armen in unserem Land natürlich steigen. Und die Zahl derer, die Hilfsgelder bekommen wird sich natürlich auch ungemein erhöhen. Es wird also eine große Herausforderung für den Sozialminister. Doch wir sind darauf vorbereitet. Das Ministerium wird mehr Menschen anstellen und mehr Computer bekommen, um diese Hilfsgelder zu verteilen. Jeder, der nach Entschädigungen fragt, wird sie auch bekommen.

Diesen Artikel teilenKommentare

Zum selben Thema

Umstrittener Oligarch: "Europa, die Ukraine und Russland sollten sich zusammensetzen"

Schwarzmeer-Sicherheitskonferenz: "Russland versteht nur Sprache der Gewalt"

Ukraine-Krieg: Was können deutsche Patriots gegen Russland an der Ostfront?