Was steckt hinter den Reparationen, die Griechenland fordert

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Von Kirsten Ripper
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Seit in Griechenland die linke Syriza und Alexis Tsipras die Wahlen gewonnen haben und an der Regierung sind, haben sich die Beziehungen zwischen Berlin und Athen zusätzlich zu dem Streit um die Hilfen für das krisengeschüttelte Land weiter verschlechtert. Hintergrund der Meinungsverschiedenheiten sind Forderungen der griechischen Regierung für von Nazi-Deutschland begangenes Unrecht.

Warum wollen die Griechen Reparationen?

Das Hauptargument für Reparationszahlungen sind von Deutschland während des Zweiten Weltkriegs in Griechenland begangene Kriegsverbrechen.

Im Frühling 1941 eroberte Nazi-Deutschland zusammen mit Italien unter Mussolini Griechenland. Neben Tausenden Soldaten wurden mindestens 20.000 Zivilisten getötet – die genaue Zahl der Opfer ist umstritten. Unbestritten sind die von der Waffen-SS verübten Massaker an den Bewohnern von Distomo und Kalavryta.
“Die Presse” aus Wien beschreibt die Morde von Kalavryta als eines der ärgsten Kriegsverbrechen, die je von der Wehrmacht verübt wurden. Die Stadt auf dem Peloponnes bestand nach dem Krieg jahrzehntelang fast nur noch aus Witwen.

Als Deutschland aus Griechenland abzog, waren 50 Prozent der Industrieanlagen zerstört ebenso wie fast die gesamte Handelsflotte.

Die Forderungen der griechischen Regierung erstrecken sich auch auf durch die Besatzung entstandene Kosten, die nach der Haager Konvention von 1907 erstattet werden sollten, denn die deutschen Truppen beschlagnahmten Gebäude, Schiffe, Brennstoffe und Lebensmittel.

Zudem wurde der griechische Staat gezwungen 476 Millionen Reichsmark an Deutschland zu zahlen. Mit dieser Zwangsanleihe finanzierte Hitler seinen Krieg in Nordafrika.
Bei der Umrechnung dieser Summe gehen Experten von drei bis elf Milliarden Euro aus.

Was wurde nach dem Krieg vereinbart?

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in Paris 1946 zwar Reparationszahlungen beschlossen, doch Griechenland wurden nur Güter erstattet. Damals hatte die Regierung in Athen sieben Milliarden Dollar gefordert.
Griechenland erhielt dann von Italien den Gegenwert von etwa 105 Millionen Dollar (etwas mehr als die Sowjetunion), Bulgarien zahlte 45 Millionen Dollar.

Eine abschließende Einigung mit Deutschland wurde 1953 in London auf einen Friedensvertrag “mit einem wiedervereinigten Deutschland” verschoben.

Doch beim Zwei-plus-vier-Vertrag und der deutschen Wiedervereinigung von 1990 vertrat Deutschland die Ansicht, dass die Reparationszahlungen inzwischen verjährt seien.

Durch die Annäherung zwischen Athen und Berlin in den 60er Jahren und dann im Rahmen der Vorreiter der EU wurden griechische Reparationsforderungen immer wieder abgewiegelt. Die Neue Zürcher Zeitung zitiert dazu den Historiker Hagen Fleischer, der berichtet, Griechenland sei aufgefordert worden die Bestrebungen zu einer Assoziierung mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft «nicht durch übermässige Wiedergutmachungsansprüche zu erschweren».

Sollte Deutschland jetzt Reparationen zahlen?

2013 kam eine von der damaligen konservativen Regierung von Antonis Samaras eingesetzte Expertenkommission zu dem Ergebnis, dass Athen Reparationsforderungen in Millionenhöhe an Deutschland stellen sollte. Doch dieser Bericht wurde von Athen zunächst als geheim eingestuft.

Als der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck 2014 auf seiner Griechenlandreise auch die Gedenkstätte für die Opfer in Distomo besuchte, sprach er zwar von Schuld, wies aber Wiedergutmachungszahlungen zurück. Dazu war er auch in einem Offenen Brief des Widerstandskämpfers und linken Politikers Manolis Glezios aufgefordert worden.

Nach wiederholt gestellten Forderungen der seit Januar amtierenden Regierung Tsipras sorgte die Drohung, deutsche Immobilien in Griechenland zu pfänden, führte zu weiteren Spannungen.

Seit Mitte März wird der Druck auf Angela Merkel, in der Frage der Reparationszahlungen die deutsche Position zu verändern, stärker. So schließen die SPD und die Grünen in Berlin mittlerweile Entschädigungen für die Opfer nicht aus. Allen voran fordert die Professorin und SPD-Politikerin Gesine Schwan ein Signal der Versöhnung – ähnlich der Einigung Deutschlands mit Polen. Das reiche Deutschland wirkt peinlich schreibt Gesine Schwan im “Spiegel”.

Athen beziffert deutsche Reparationsschuld auf 278,7 Milliarden Euro

Im Streit um deutsche Reparationszahlungen nennt der stellvertretende griechische Finanzminister Dimitris Mardas Anfang April eine konkrete Zahl.

Nach seinen Angaben berechnete ein zuständiger
Parlamentsausschuss die Summe von 278,7 Milliarden Euro.

Der Parlamentsausschuss und der Oberste Gerichtshof Griechenlands prüfen, wie mögliche Reparationsforderungen an Deutschland erhoben werden können. Grundlage dafür bildet eine umfangreiche griechische Studie.

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Die bisherigen Hilfen für Griechenland belaufen sich auf 240 Milliarden Euro, über 56 Milliarden Euro entfallen auf Deutschland.

Euro-Länder und ihr griechisches Schuldenrisiko | Create infographics

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