Orbán besucht Helmut Kohl: Gemeinsame Sorge um Europa

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Ungarns Regierungschef Viktor Orbán hat den früheren deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl in dessen Wohnung in Ludwigshafen besucht. Hinter einer

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Ungarns Regierungschef Viktor Orbán hat den früheren deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl in dessen Wohnung in Ludwigshafen besucht. Hinter einer Absperrung rund 30 Meter von Kohls Haus entfernt empfingen etwa 20 Demonstranten Orban mit Pfiffen und Sprechchören wie “Orbán vertreiben, Flüchtlinge bleiben!”. Eigentlich hatten linke Gruppierungen versucht, mehr Menschen gegen Orbán zu mobilisieren.

Nach dem Treffen sagte Orbán, Kohl sei Symbol der deutsch-ungarischen Freundschaft. Er sei bin gekommen, ihm unsere Ehre zu erweisen, auch im Namen aller Ungarn. Er wolle sich dafür bedanken, was Kohl für Ungarn getan habe.

Flüchtlingskrise dominiert Treffen

Allerdings dominierte ein anderes Thema den Besuch: Die aktuelle Flüchtlingskrise. Während die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Politik der offenen Grenzen betreibt, setzt Orbán auf einen restriktiveren Kurs. Gleichzeitig gilt er als einer der schärfsten Kritiker von Merkels Vorgehen.
Und auch Helmut Kohl hat die Migrationspolitik Merkels indirekt kritisiert. “Europa kann nicht zur neuen Heimat für Millionen Menschen weltweit in Not werden”, schreibt Kohl im Vorwort der ungarischen Ausgabe seines Buches “Aus Sorge um Europa”. Merkels Namen nennt er allerdings nicht.

Kohl: Flüchtlinge folgen nicht unserer Werteordnung

Die Europäische Union befindet sich laut Kohl wegen der Flüchtlingskrise in einer “Zerreißprobe”. Unser Frieden und unsere Freiheit seien existenziell gefährdet. Europa müsse neben humanitären Aspekten auch kulturelle und sicherheitspolitische Interessen berücksichtigen, schreibt der Altkanzler. Viele Flüchtlinge kämen “aus unterschiedlichen Kulturkreisen. Sie folgen zu einem wesentlichen Teil auch einem anderen als dem jüdisch-christlichen Glauben, der zu den Grundlagen unserer Werte- und Gesellschaftsordnung gehört”. Das “führt nachvollziehbar zu Diskussionen unter den politisch Verantwortlichen sowie zu Verunsicherungen bei den Menschen: Es geht um unsere Existenz.”
Nach dem Treffen hieß es nun, weder Kohl noch Orbán sähen in ihrer Haltung einen Gegensatz zur Politik Merkels. In der Zielsetzung sei man sich völlig einig, heißt es in einer Erklärung, die Kohls Büro am Dienstag verbreitete. Es gehe darum, “unter humanitären Aspekten in einer existenziellen Frage für Millionen von Menschen den besten Weg zu finden”. Der “Bild”-Zeitung sagte Orbán, er wolle Merkels Flüchtlingspolitik unterstützen. Ungarn mit ihm als Ministerpräsidenten sehe sich Seite an Seite mit Berlin.

Merkel begrüßt Treffen

Merkel selbst bezeichnete das Treffen als sinnvoll und nützlich. Viele dort diskutierte Akzente entsprächen – so weit ihr bekannt – genau dem, was sie auch “für absolut unerlässlich und wichtig” halte, sagte Merkel am Dienstag in Berlin. Sie nannte als Beispiele die Bekämpfung von Fluchtursachen und gemeinsames europäisches Handeln.
Die Kanzlerin verwies darauf, dass die Freundschaft und Bekanntschaft, die es zwischen Kohl (86) und Orban (52) seit vielen Jahren gebe, natürlich auch nach der Amtszeit Kohls weiter bestehe – der Besuch war als privat eingestuft, Medien waren nicht zugelassen. ### Helmut Kohl und Viktor Orbán: Eine lange politische Freundschaft

Die politische Freundschaft zwischen Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) und Ungarns Regierungschef Viktor Orbán reicht bis in die Zeit der Wende zurück. Die dpa hat wichtige Schritte dokumentiert.

Juni 1989: In einer historischen Rede am Budapester Heldenplatz fordert Viktor Orbán die sowjetischen Truppen auf, das Land zu verlassen – 1988 hatte er mit Kommilitonen den oppositionellen Bund Junger Demokraten (Fidesz) gegründet. “Ich zähle mich zu den Schülern von Helmut Kohl”, wird er später einmal sagen.

September 1989: Die Regierung in Budapest öffnet die Grenze offiziell für die noch in Ungarn festsitzenden DDR-Bürger. “Das werden wir den Ungarn nie vergessen”, verkündet Bundeskanzler Helmut Kohl.

Mai 1998: Überraschend gewinnt Fidesz die ungarischen Parlamentswahlen – an ihrer Spitze der erst 35 Jahre alte Viktor Orbán, der im Juli zum Regierungschef gewählt wird.

Sommer 1998: Angesichts der bevorstehenden Herausforderungen sucht Orbán politischen Rat – und reist zu einem Treffen mit Kohl nach Bonn.

November 1998: Orban macht seinen Antrittsbesuch beim neu gewählten Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). Am Tag zuvor trifft er auch dessen Amtsvorgänger Helmut Kohl.

September 2000: Kohl erhält aus der Hand Orbáns in Budapest die Millenniums-Medaille. Damit zeichnet die ungarische Regierung Staatsmänner aus, die dem Land den Weg nach Europa geebnet haben.

April 2002: Der Alt-Kanzler schaltet sich in den ungarischen Wahlkampf ein. “Sie müssen am kommenden Sonntag dafür sorgen, dass Viktor Orbán Ministerpräsident Ihres Landes bleibt”, ruft er den Zuhörern bei einer Kundgebung in der Stadt Györ zu. Diesmal verliert Orbán allerdings.

November 2014: In einem Gespräch mit dem “Stern” lobt Kohl den ungarischen Regierungschef, der seit Mai 2010 wieder im Amt ist: “Er ist ein großer Europäer, er denkt und handelt europäisch.”

Juni 2015: Zum 85. Geburtstag Kohls redet Orbán bei einer Konferenz der Konrad-Adenauer-Stiftung in Budapest und sagt dort: “Die Ungarn haben guten Grund, Helmut Kohl Respekt zu zollen, da erst die deutsche Vereinigung den Weg für die Wiedervereinigung Europas geebnet hat und die Mitgliedschaft Ungarns in der Europäischen Union ermöglicht hat.”

Februar 2016: “Ich freue mich, dass der größte Vordenker Europas heute noch unter uns ist”, sagt Orbán in einem “Bild”-Interview.

April 2016: Es wird bekannt, dass Orbán nach Deutschland kommt, um Kohl zu besuchen.

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