Italien-Frankreich - auch ein Stück Wirtschaftskrieg?

Italien-Frankreich - auch ein Stück Wirtschaftskrieg?
Von Sigrid Ulrich mit dpa, AFP
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Entsetzt und überrumpelt verfolgen viele Europäer die diplomatische Krise zwischen den EU-Partnern Frankreich und Italien. Worum es geht? Verletzte Eitelkeiten, die eigene politische Zukunft nach der anstehenden Europawahl und Milliarden

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„Sie wollen zerschlagen, nicht bauen » schreibt die "Zeit", und die "FAZ" fürchtet: „Europa verroht“.

Entsetzt und überrumpelt verfolgen viele Europäer die diplomatische Krise zwischen den EU-Partnern Frankreich und Italien. Worum es geht? Verletzte Eitelkeiten, die eigene politische Zukunft nach der anstehenden Europawahl und viele Milliarden.

Die Fakten:

ITALIEN

In Italien muss der parteilose Regierungschef Giuseppe Conte eine populistische Koalition im Dauerspagat (europaskeptische und populistische Fünfsterne mit Wirtschaftsminister Luigi Di Maio; radikal regionalistische, rechtspopulistische Lega mit Innenminister Matteo Salvini) zusammenhalten.

Die Wirtschaft droht nach einem Ausrutscher in die Rezession Ende 2018 zu stagnieren, wegen der hohen Schuldenquote - laut IWF im vergangenen Jahr über 131 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), hinter Griechenland der zweithöchste Wert in Europa - bekam die Regierung nur mit Müh und Not in Brüssel ihren aktuellen Haushalt durch. Der schärfste Kritiker: Der - Franzose - Pierre Moscovici, EU-Wirtschafts- und Währungskommissar.

FRANKREICH

Aber auch im westlichen Nachbarland liegen die Nerven blank. "Der Wind des Wandels hat die Alpen überquert!" verkündete Luigi Di Maio nach einem nicht abgesprochenen Treffen mit französischen "Gelbwesten" – sie will Präsident Emmanuel Macron mit einem milliardenschweren Programm ruhigstellen – was wiederum die geplante Maastricht-konforme Neuverschuldung - bisher rechnete die Regierung für das kommende Jahr mit einer Neuverschuldung von 2,8 Prozent der Wirtschaftsleistung - sprengen könnte.

Kommt dazu, dass sich die auseinanderstrebenden Populisten Di Maio und Salvini auf einen gemeinsamen Lieblingsfeind eingeschossen haben - Macron.

Und der besteht auf dem auf dem Weiterbau des Tunnels, über den sich die Regierungspartnerin Rom seit Amtsantritt im Juni 2018 streiten: Der umstrittene Tunnel, knapp 60 Kilometer lang und und 8,6 Milliarden Euro teuer, bildet das Herzstück der 270 Kilometer langen künftigen Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Lyon und Turin – die Fünfsterne legen sich quer.

Der geplante Bahntunnel zwischen dem französischen Saint-Jean-de-Maurienne und dem italienischen Susa durch die Cottischen Alpen verbindet Lyon und Turin – und diese Strecke ist wiederum Teil des EU-Güterkorridors Lissabon-Kiew. Der geplante Tunnel besteht aus zwei Röhren von je 57 Kilometern Länge, die Baukosten werden mit 8,6 Milliarden Euro beziffert, wovon Italien 35 Prozent, Frankreich 25 Prozent und die EU den Rest übernehmen soll. Geregelt ist der Bau durch einen internationalen Vertrag aus dem Jahr 2011.

Nadelstiche kommen dazu: Die beiden größten Banken Frankreichs, BNP Paribas und Credit Agricole, stehen im wackeligen italienischen Bankensektor mit zusammen 250 Milliarden Euro ("Bloomberg", Ende 2017) im Feuer.

Italien ist Frankreichs drittgrößter Exportmarkt, und Frankreich Italiens zweitgrößter. Sie tauschen jedes Jahr Güter und Dienste für rund 77 Milliarden Euro aus ("Bloomberg").

"GELBWESTEN"

De-Eskalation ist nicht in Sicht. Am kommenden Wochenende wollen sich Frankreichs "Gelbwesten" auf die Stellen konzentrieren, an denen es besonders wehtut: Paris und die Grenze zu Italien.

Sigrid Ulrich

Eskalation:

Twitter-Humor:

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