Kehrtwende? Schwedens Regierung hat neue Sonderrechte für Corona-Bekämpfung

Die Empfehlung, soziale Kontakte einzuschränken, gilt in Schweden nur für Personen über 70 Jahren.
Die Empfehlung, soziale Kontakte einzuschränken, gilt in Schweden nur für Personen über 70 Jahren. Copyright Andres Kudacki/AP
Von Alexandra LeistnerRafael Cereceda
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Mit Neid blicken viele Europäer seit Wochen in den hohen Norden. In Schweden sind Restaurants und Shopping-Center offen, wer nicht krank ist, kann seinem normalen Leben nachgehen. Doch das könnte sich nun doch ändern.

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In Schweden hat das Parlament heute ein Gesetz verabschiedet, dass es der Regierung ermöglicht, in der Coronavirus-Krise bestimmte Entscheidungen zu treffen, ohne vorher das Parlament zu befragen.

So wird der Prozess zur Durchführung gewisser Maßnahmen, wie etwa eine mögliche Schließung von Restaurants oder Einkaufszentren, beschleunigt. Allerdings hat das Parlament nach wie vor ein Widerrufsrecht jeglicher vom Kabinett beschlossener Maßnahmen.

Fast neidisch blickt man aus dem Süden Richtung Schweden, wo die Menschen scheinbar ihrem normalen Leben nachgehen. In Stockholm tummeln sich Jugendliche in der Frühlingssonne, auch für Cafés und Restaurants gelten bisher keine generellen Einschränkungen - außer dass es keine Bedienung an der Bar geben darf.

Universitäten sind geschlossen und der Unterricht für alle Schüler über 16 Jahren abgesagt oder eingeschränkt, so die Empfehlung der Regierung.

Dass die Regierung ihre Strategie, die in der ganzen Welt analysiert wird, jetzt ändert ist aber trotz Sonderrechte nicht gesagt. Denn im europäischen Vergleich hat Schweden bisher geringe Ansteckungs- und Todeszahlen. Auf 100.000 Einwohner kommen derzeit etwa 121 Infektionsfälle mit dem Coronavirus, in Deutschland sind es 168, in Österreich 163.

Denn auch wenn es in Schweden keine Ausgangssperren gibt, ist die Bevölkerung angewiesen, Abstand zu halten, nicht dringende Inlandsreisen abzusagen und wo möglich von Zuhause aus zu arbeiten. Von Besuchen in Pflegeheimen und Krankenhäusern wird zu dem abgeraten.

Menschen über 70 Jahren wird empfohlen, so wenig soziale Kontakte zu pflegen wie möglich. Ein Kontaktverbot wie in Deutschland gilt aber nicht.

Ministerpräsident Stefan Löfven sagte am Donnerstag, es sei noch viel zu früh, um über eine Lockerung der bisherigen Maßnahmen nachzudenken.

Besonders schwer betroffen ist nach Angaben der Nationalen Gesundheitsagentur die Hauptstadt Stockholm. Mehr als 5.000 der über 12.000 Infektionen wurden in Stockholm verzeichnet, die Hälfte davon in Altenheimen.

Die Fallsterblichkeit in Schweden allgemein liegt derzeit bei 9,4 Prozent, eine Entwicklung, die auch schwedische Wissenschaftler beunruhigt. In einem am Dienstag in der Tageszeitung Dagens Nyheter veröffentlichten Artikel übten 22 Forscher heftige Kritik an der Strategie der schwedischen Gesundheitsbehörde. Sie riefen Politiker auf, mit "schnellen und radikalen Maßnahmen" einzugreifen.

Die Sonderrechte für die Regierung gelten bis zum 30. Juni.

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