Französisches Kulturgut Karikaturen: Teil der Lösung, nicht des Problems?

Karikatur Plantus zur Hommage an den ermordeten Lehrer Samuel Paty
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Von Anelise Borges
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Karikaturen sind ein wichtiger Bestandteil der französischen Kultur, den Frankreich derzeit vehement verteidigt. Warum eigentlich?

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Jean Plantureux, genannt Plantu, ist einer der bekanntesten Karikaturisten Frankreichs. Seine Art der Kunst sorgt derzeit für Streit zwischen Frankreich und vielen muslimischen Ländern. Kein Grund für Plantu, still zu halten. "Ich will mich nicht entschuldigen", so der Karikaturist. "Ich will kämpfen. Wir dürfen nichts verbieten, wir müssen alle Themen ansprechen, auf ruhige Art und Weise und immer indem wir klar machen, dass wir niemanden beleidigen wollen."

Anlass der aktuellen Debatte ist die Ermordung des Lehrers Samuel Paty vor fast zwei Wochen. Er hatte im Unterricht Mohammed-Karikaturen gezeigt, um seinen SchülerInnen das Thema Meinungsfreiheit näherzubringen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verteidigte daraufhin das Veröffentlichen solcher Karikaturen als Meinungsfreiheit. Vor allem streng gläubige Muslime lehnen eine bildliche Darstellung des Propheten ab und empfinden sie als beleidigend, explizit verboten ist sie im Koran aber nicht. Pakistan und mehrere arabische Regierungen kritisierten die Haltung Macrons. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan rief dazu auf, französische Waren zu boykottieren.

Plantu-Karikatur zu Erdogan: "Der pyromanische Sultan mobilisiert die Islamisten"

Das französische Satiremagazin "Charlie Hebdo" hatte die ursprünglich von der dänischen Zeitung "Jyllands Posten" veröffentlichen Mohammed-Karikaturen vor Kurzem erneut veröffentlicht. Anlass war der Prozess gegen die mutmaßlichen Hintermänner des tödlichen Anschlags auf die Charlie-Redaktion im Januar 2015. Im September gab es erneut einen Angriff in Paris in der Nähe der ehemaligen Redaktionsräume des Magazins.

Plantu: "Die dänischen Karikaturisten oder Charlie Hebdo hatten nie die Absicht, eine Milliarde Muslime zu beleidigen - aber es wurde so verstanden, weil die Manipulation sehr gut funktioniert hat."

Französische Politiker sehen sich nach dem Boykottaufrufs Erdogans erst Recht als Verteidiger der Meinungsfreiheit: "Mit welchem Recht mischen sich ausländische Mächte in unsere inneren Angelegenheiten ein?", frage Innenminister Gérald Darmanin am Dienstag im Radiosender France Inter. Er nannte in diesem Zusammenhang explizit die Türkei und Pakistan. "Frankreich ist zu einem Ziel geworden, wie viele westliche Demokratien, die die Meinungsfreiheit verfechten (...)", sagte er.

Dazu Anelise Borges, euronews-Reporterin in Paris: "Karikaturen sind ein wichtiger Bestandteil der französischen Kultur. Sie sind ein Mittel, Geschichten zu erzählen und heizen oft politische Debatten an. Auch wenn sie manchmal krude oder sogar geschmacklos sind, Verteidiger der Meinungsfreiheit finden, dass Karikaturen sein oder beschreiben dürfen, was immer sie wollen."

"Am Ende wird die Demokratie siegen"

Auch der französische Lehrer Gabriel Lattanzio ist dieser Meinung: "Karikaturen sind ein wertvolles Erbe der französischen Geschichte. Im 19. Jahrhundert benutzen progressive Geister Provokation und Humor, um politischen Fortschritt zu erreichen. Das ist auch bei vielen aktuellen politischen Strömungen der Fall, Feministinnen tun dasselbe, sie schockieren, provozieren, sind witzig. Das kann Fortschritt bringen. Wenn wir diese Werte verteidigen und dieses Land sein wollen, dann müssen wir tolerant sein, wir müssen mitfühlend sein. Wir müssen alles sein, was diese Terroristen hassen."

Für Plantu sind Karikaturen nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung: "Wir leben in einer Zeit des Unverständnis, wo sich Kulturen begegnen, aber nicht verstehen. Auch dafür gibt es Zeichnungen. Wir werden mit unseren Stiften Brücken in allen Farben zeichnen und am Ende wird die Kultur siegen. Am Ende wird die Demokratie siegen. Am Ende wird das Gespräch siegen."

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