Frauenrechtlerin Gloria Steinem: Die ewige Träumerin

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Von Tokunbo SalakoSabine Sans
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Die US-amerikanische Journalistin und Frauenrechtlerin mit deutschen Vorfahren ist gerade mit dem Prinzessin-von-Asturien-Preis 2021 in der Kategorie Geisteswissenschaften und Kommunikation für ihr Lebenswerk ausgezeichnet worden.

Die US-amerikanische Aktivistin, Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Gloria Steinem hat den Prinzessin-von-Asturien-Preis 2021 für Geisteswissenschaften und Kommunikation erhalten. Euronews-Moderator Tokunbo Salako hat sie in Oviedo getroffen, bevor sie die höchste spanische Auszeichnung für ihr Lebenswerk erhielt.

Euronews-Reporter Tokunbo Salako:

Sie ist Künstlerin, Schriftstellerin, renommierte Rednerin sowie eine unermüdliche Kämpferin für die Rechte der Frauen auf der ganzen Welt: Gloria Steinem ist mein Gast in The Global Conversation.

Es ist eine ziemlich illustre Liste von Menschen, die diesen Preis für Kommunikationswissenschaft und humanitäre Hilfe erhalten haben. Ich möchte mit der Frage beginnen, wie alles für Sie angefangen hat? Gab es einen Moment, der Sie zur Feministin werden ließ?

Gloria Steinem:

Ich glaube, wie die Kinder auf der ganzen Welt war ich das in gewisser Weise schon immer - wenn man Sätze sagt wie "Du bestimmst nicht über mich", was, wie ich feststellte, die Kinder überall sagen. Dann gibt es eine lange Zeit, in der man versucht, sich anzupassen, in der man versucht, Anerkennung zu finden, in der man gehorsam ist, in der man ungleich behandelt wird, bevor das natürliche Gefühl, dass wir alle gleich wichtig sind, zurückkommt. In meinem Fall gab es keine wirkliche Frauenbewegung, bis ich in meinen späten Dreißigern war. Unabhängig von meinen persönlichen Gefühlen war mir also nicht klar, dass es eine Bewegung geben könnte.

Euronews:

Hat es einen Fortschritt gegeben? Sind Sie der langen Kämpfe müde, die Sie geführt haben? Haben sich die Dinge dramatisch verändert oder nicht?

Gloria Steinem:

Nein, wenn ich mir solche gravierenden Faktoren ansehe, wie ungleiche Bezahlung, ungleiches Erbe oder die Unmöglichkeit, seinen Namen zu behalten, dann sehe ich große Ungerechtigkeiten mit Sexismus, mit Rassismus, mit Gruppenvorurteilen. Als Journalistin war ich nie angestellt, nie Teil eines großen Unternehmens, ich habe die Vorurteile in anderen Formen erlebt, die Art von Aufträgen, die ich bekommen konnte, aber nicht in der gleichen Weise, wie ich sie in einer großen Organisation gehabt hätte.

Frauenrechte in den USA: Mein Körper gehört mir

Euronews:

Sie haben darüber geschrieben, dass Sie in London abgetrieben haben. Wenn Sie sich ansehen, was in Ihrem Land gerade passiert, besonders in Texas, wie stehen Sie dazu?

Gloria Steinem:

Man kann feststellen - gerade wo Sie auf Texas hinweisen -, dass die große Mehrheit der Meinung ist, dass eine Frau selbst darüber entscheiden sollte, was mit ihrem Körper geschieht. Aber es gibt vier oder fünf Männer in der Gesetzgebung, die das verhindern. Der Hauptgrund für die Voreingenommenheit, für das Patriarchat ist die Kontrolle über die Fortpflanzung. Nur Frauen haben eine Gebärmutter, also ist der Wunsch, das politische Bedürfnis, die Gebärmutter der Frauen zu kontrollieren, die eigentliche Natur des Patriarchats, das gibt es schon seit Hitler. Das Erste, was Hitler getan hat, - und wir sollten uns daran erinnern, dass er gewählt wurde -, das Erste, was er getan hat, war, die Krankenhäuser mit Vorhängeschlössern zu versehen und die Abtreibung zu einem Verbrechen gegen den Staat zu erklären. Es war nicht der Papst, der das forderte, sondern Napoleon III., der den Papst bat, die Abtreibung zu verbieten, weil Napoleon mehr Leute für seine Armeen brauchte. Es gab also schon immer pragmatische Gründe, es ging um Kontrolle, nicht um Religion, nicht wirklich um Religion in diesem Fall; und weil Frauen zufällig eine Gebärmutter haben, kämpfen wir seither dagegen an. In diesem Sinne ist es das Gleiche wie mit Rassismus, es ist ein System.

"Hope-a-holic" - die ewige Träumerin

Euronews:

Sie bezeichnen sich selbst als eine ewige Träumerin, eine „Hope-a-holic“, so haben Sie es, glaube ich, genannt. Was treibt Sie heutzutage an und was macht Sie wütend?

Gloria Steinem:
Das sind zwei große Fragen. Was mich antreibt, sind all die zahllosen Beispiele von Menschen, die für sich selbst und für andere einstehen, gegen so große Widerstände, gegen Armut, gegen Vorurteile, gegen religiöse Lehren. Wenn man das sieht, das ist beeindruckend. In jedem Land, in dem ich je war, gibt es kleine Kinder, die sagen: "Du bestimmst nicht über mich", und das an sich ist schon ermutigend.

Euronews:

Das klingt auf jeden Fall ermutigend. Was macht Sie wütend, wenn Sie sich die Welt heute ansehen?
Gloria Steinem: Was mich heutzutage wütend macht?

Euronews: Treibt Sie noch der gleiche Ansporn?

Gloria Steinem: Wir sind gerade einen versehentlichen Präsidenten namens Trump losgeworden.

Euronews: Er gründet jetzt seine eigene Social-Media-Firma.

Gloria Steinem:

Ich vertraue darauf, dass er keinen Erfolg damit hat. Trump wurde nicht durch eine Mehrheitswahl gewählt. Es war eine Besonderheit unseres Wahlsystems, dass er Präsident wurde, und das war sicherlich sehr ärgerlich. Allein schon wegen des Ausmaßes an Lügen, die er verbreitete, seine bloße Präsenz, die Erstürmung des Capitols durch seine Unterstützer. Und die schlichte Ungerechtigkeit, wie gute Menschen unter ihm litten und schlechte Menschen triumphierten.

Soziale Medien und Frauenrechte

Euronews:

Wir scheinen uns in der dritten oder vierten Welle der Frauenrechts-Bewegung zu befinden, welche Rolle spielen dabei Ihrer Meinung nach die sozialen Medien?

Gloria Steinem:

Es macht mir Sorgen, weil es unverhältnismäßig viele Frauen auf der Welt gibt, die keinen Zugang zu sozialen Medien oder Strom haben. Frauen, die in Gebieten ohne diese Dinge leben. Das beunruhigt mich, weil es scheint, dass die Welt zwischen dem Zugang zu Technologie und dem Nicht-Zugang gespalten ist. Dasselbe gilt für den Zugang zu medizinischer Versorgung. Und so kommt der Zugang noch vor dem Inhalt. Ich wünschte, es gäbe einen Satelliten, der allen Menschen einen Internetzugang ermöglichen würde, damit wir wenigstens in der Kommunikation gleichberechtigt wären.

Euronews:
Sie waren Zeit ihres Lebens viel unterwegs, sind sehr viel gereist; das wurde jetzt in einer großen Hollywood-Produktion namens "The Glorias" verfilmt. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?

Gloria Steinem:

Ja, denn es ist keine große Hollywood-Produktion! Es ist ein ganz besonderer Film, für den mein Buch "My Life on the Road" als Vorlage diente. Ich habe der Regisseurin voll und ganz vertraut, und ich finde, sie hat ihre Sache großartig gemacht.

Euronews:

Und wie ist es, sich selbst zu sehen, oder zumindest die Darstellungen von Ihnen im Laufe der Jahre?

Gloria Steinem:

Das bin natürlich nicht ich. Es gab vier verschiedene Schauspielerinnen, die mich in unterschiedlichem Alter gespielt haben. Einige der Szenen waren echt, und ich weiß nicht, wie sie entstanden, sie standen nicht einmal in meinem Buch. Ich weiß nicht, woher sie kommen. Eine Szene zum Beispiel in einem Eisenbahnwaggon der 3. Klasse, mit Frauen in Indien - das war genauso, wie ich es in Erinnerung hatte, das war irgendwie mystisch.

Euronews:

Es muss faszinierend sein, all diese Dinge, die Sie erlebt haben, auf der großen Leinwand zu sehen. Wenn Sie auf Ihr Leben zurückblicken – all das, was Sie erreicht und gesagt haben, wie würden Sie gerne in Erinnerung bleiben?

Gloria Steinem:

Das ist nicht so leicht zu beantworten. Das ist eine Frage, die ich früher als Journalist anderen Leuten gestellt habe, also ist es wohl fair, dass Sie mir diese Frage stellen.

Euronews: Es ist nur fair, dass ich den Spieß umdrehe...

Gloria Steinem:

Als jemand, der ein gutes Herz hatte und versuchte, die Welt ein wenig gerechter und mitfühlender zu hinterlassen, als sie es davor war.

Euronews:
Das ist ein passender Schlusssatz Gloria Steinem, vielen Dank für Ihre Zeit heute, es war mir ein echtes Vergnügen.

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