Memorial-Prozessauftakt: "Jenseits der Vernunft kann alles passieren"

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Copyright Dmitry Serebryakov/Copyright 2021 The Associated Press. All rights reserved
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Von Euronews mit AP, dpa
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Begleitet von Protesten vor dem Obersten Gericht Russlands hat in Moskau das Verfahren gegen die Menschen- und Bürgerrechtsorganisation Memorial begonnen. Ihr droht das Aus. Aber es gibt prominente Fürsprecher.

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In Moskau hat vor dem Obersten Gericht der auch international mit großem Interesse erwartete Prozess gegen die russische Menschenrechtsorganisation Memorial begonnen. Laut der russischen Agentur Interfax waren auch Diplomatinnen und Diplomaten aus den USA, Großbritannien und Frankreich vor Ort.

Memorial werden Verstöße gegen das Gesetz über sogenannte ausländische Agenten angelastet. Als ausländische Agenten können Einzelpersonen und Organisationen eingestuft werden, die Gelder aus dem Ausland erhalten. Memorial engagiert sich nicht nur für politische Gefangene in Russland, sondern auch für die Aufarbeitung stalinistischer und nationalsozialistischer Verbrechen in der Sowjetunion.

"Kollektives Gedächtnis auslöschen"

Draußen vor dem Obersten Gericht versammelten sich Hunderte Menschen, die Memorial unterstützen und offen gegen ein Verbot der Organisation eintreten.

Darunter Anwalt Pyotr Khromov, der für die NGO "Committee Against Torture" arbeitet: "Monat für Monat werden Menschen zu ausländischen Agenten erklärt oder Strafverfahren gegen sie eröffnet. Aber das der Staat jetzt Memorial, unser kollektives Gedächtnis, auslöschen will, das ist echt schockierend und angsteinflößend."

Studentin Arina Vakhrushkina sagte: "Memorial spielt eine sehr bedeutende Rolle in Russland. Mehr als andere beleuchtet die Organisation die Geschichte und Unterdrückung. Die Behörden versuchen, eine Seite unseres Geschichtsbuchs umzuschlagen und zu vergessen. Sie wollen nur stolz auf unsere Siege sein."

Kunstkritikerin Irina Mak befürchtet, dass das Ende der Fahnenstange in Russland noch nicht erreicht ist: "Die Behörden haben den Rahmen der Vernunft gesprengt, und wir wissen, dass jenseits der Vernunft alles passieren kann."

Der Prozess wurde nach ersten Anhörungen auf Mitte Dezember vertagt. Das drohende Aus von Memorial war unter anderem vom deutschen Präsidenten Frank-Walter Steinmeier kritisiert worden, aber auch von seinen baltischen Amtskollegen und dem Präsidenten Polens. Memorial selbst sieht sich durch das Gerichtsverfahren politisch verfolgt.

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