Vater, Mutter, eine Tochter, ein Sohn, Gepäck und ein Hund. Eine tote Familie, festgehalten auf einem Bild, das stellvertretend für die grausamen Kämpfe in Kiewer Vororten steht.
Alles stand bereit. Gelbe Schulbusse warteten am Sonntag am Straßenrand von Irpin - ein einst wohlhabender Vorort von Kiew -, um Menschen vor den anrückenden russischen Soldaten in Sicherheit zu bringen.
Seit Samstag schon harrten viele Menschen unter einer zerstörten Brücke aus. Die ukrainischen Soldaten hatten diese zerstört, um das Vorrücken der russischen Soldaten auf die Hauptstadt herauszuzögern.
Die Menschen wollten mit den Bussen in die Hauptstadt fliehen. Sie bildeten kleine Gruppen, um in Irpin etwa hundert Meter über eine ungesicherte Straße zu laufen. Ukrainische Soldaten rannten voraus, gaben ihnen Deckung, trugen kleine Kinder oder kümmerten sich um schweres Gepäck. Ein riskantes Vorhaben, denn die Straße bietet keine Möglichkeit, in Deckung zu gehen.
Die russischen Truppen waren schneller. Sie feuerten Mörsergranaten auf die zerstörte Brücke. Unter anhaltendem Beschuss liefen die Menschen panisch in alle Richtungen davon.
Eine Familie mit Gepäck und Hund schaffte es nicht zu fliehen.
Die Leichen des Vaters, der Mutter, eines Teenagers und der etwa achtjährigen Tochter lagen in der Nähe eines Kriegsdenkmals für einheimische Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg im Kampf gegen Deutschland gefallen waren.
Ukrainische Soldaten versuchten noch, die Familie zu retten. Während Mutter und Kinder schon tot waren, hatte der Vater anfangs noch einen schwachen Puls, war aber schwer verwundet und bewusstlos. Der Hund bellte.
Wie viele Menschen bei dem Beschuss in Irpin starben, blieb zunächst unklar.
Eigenen Angaben zufolge zielt das russische Militär nicht auf Zivilisten. Allerdings nimmt die Anzahl russischer Angriffe auf Wohngebiete im ganzen Land zu. Vereinbarungen zu Evakuierungen scheiterten.
Seit Tagen rücken russische Soldaten durch drei Vororte nach Kiew vor: neben Irpin auch durch Hostomel und Bucha.