Warten auf die Russen: Dauerregen könnte Großangriff im Osten verzögern

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Mariupol von oben Copyright AP/Satellite image ©2022 Maxar Technologies
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Von Euronews mit dpa, AP
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Die britischen Geheimdienste erwarten in den kommenden zwei bis drei Wochen verstärkte Gefechte im Osten der Ukraine. Dauerregen könnte den russischen Vormarsch verzögern, danach müssten sie Straßen nutzen und wären ein leichteres Ziel für die Ukrainer.

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Bis zu 75 Prozent der Stadt Mariupol im Südosten der Ukraine sollen zerstört sein, rund 22.000 Zivilisten sollen nach Angaben des Bürgermeisters in der von der russischen Armee belagerten Stadt ums Leben gekommen seien. Tausende haben es geschafft, die Stadt zu verlassen, die Zurückgebliebenen werden weiterhin beschossen.

Einsatz von Giftgas in Mariupol? Untersuchungen derzeit kaum möglich

Zum Vorwurf eines möglichen Giftgaseinsatzes auf ukrainische Truppen in Mariupol räumte Präsident Wolodymyr Selenskyj ein, dass eine vollständige Untersuchung dort derzeit unmöglich sei.

Prorussische Separatisten haben den Vorwurf ukrainischer Kämpfer zurückgewiesen. In der Nacht hatte das ukrainische Asow-Regiment von einem solchen Angriff berichtet. Eine offizielle Bestätigung gab es auch von ukrainischer Seite nicht.

"Nach vorläufigen Angaben gibt es die Annahme, dass es wohl Phosphorkampfmittel waren", sagte Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar. Endgültige Schlussfolgerungen könne es erst später geben. Das Risiko eines russischen Chemiewaffeneinsatzes sei jedoch groß, betonte sie.

Die westlichen Staaten haben Moskau vor ernsthaften Konsequenzen gewarnt, falls es in dem Krieg Chemiewaffen oder andere Massenvernichtungswaffen einsetzen sollte.

Dauerregen könnte Großangriff auf den Osten verzögern

Unterdessen sammeln sich Putins Truppen für einen Großangriff in der Region Donbass. Nach Erkenntnissen westlicher und ukrainischer Militärs zeichnet sich eine Großoffensive mit Zehntausenden Soldaten und dem massiven Einsatz von Panzern, Artillerie und Luftwaffe ab - nur über den Zeitpunkt gibt es verschiedene Angaben.

Russland habe seine Truppen in der Ostukraine zuletzt von 30.000 auf 40.000 Mann aufgestockt, hieß es vom US-Verteidigungsministerium. Den westlichen Einschätzungen nach könnte ein russischer Angriff von Norden aus Richtung Charkiw und Isjum erfolgen. Satellitenbilder zeigten vor Isjum einen kilometerlangen Konvoi mit Fahrzeugen zur Unterstützung von Infanterie, Kampfhubschrauber und Kommandostellen, sagte ein Pentagon-Vertreter. Ein zweiter Zangenangriff wird von Süden erwartet.

Die britischen Geheimdienste erwarten in den kommenden zwei bis drei Wochen verstärkte Gefechte im Osten der Ukraine. Serhij Hajdaj, Leiter der regionalen Militärverwaltung in Luhansk, sagte, Dauerregen könnte den russischen Vormarsch verzögern. Es werde wohl mehrere Tage regnen und dann müsste die russische Armee die Straßen nutzen und sei somit ein leichteres Ziel für die Ukrainer. "Ich hoffe, der Regen verlangsamt die Offensive."

Gefangenenaustausch gegen Oligarchen Viktor Medwedtschuk

Die Festnahme des russischen Oligarchen Viktor Medwedtschuk, Putins engster Verbündeter in der Ukraine, hat Präsident Wolodymyr Selenskyj genutzt, um einen Gefangenenaustausch vorzuschlagen. Medwedtschuk hat als Abgeordneter die wichtigste prorussische Oppositionsgruppe in der Ukraine geleitet.

Der ukrainische Geheimdienst SBU veröffentlichte Fotos von Medwedtschuk, die ihn mit Handschellen gefesselt in ukrainischer Uniform zeigten.

"Wenn Medwedtschuk eine Militäruniform für sich gewählt hat, fällt er unter die Regeln des Kriegsrechts", sagte Wolodymyr Selenskyj. "Ich schlage Russland vor, ihren Mann gegen unsere Männer und Frauen in russischer Gefangenschaft auszutauschen. Es ist wichtig, dass unsere Strafverfolgungs- und Militärbehörden diese Möglichkeit ebenfalls in Betracht ziehen."

Der Großunternehmer und Politiker Medwedtschuk gilt seit Jahren als Schlüsselfigur im Konflikt zwischen Moskau und Kiew. Im Mai 2021 wurde Medwedtschuk unter dem Vorwurf des Hochverrats unter Hausarrest gestellt. Daraus setzte er sich wenige Tage vor dem russischen Angriff auf die Ukraine ab.

Joe Biden spricht ebenfalls erstmals von Völkermord

Wegen der Kriegsgräuel in der Ukraine hat US-Präsident Joe Biden dem russischen Staatschef Wladimir Putin Völkermord vorgeworfen. Die Beweise dafür häuften sich, sagte Biden in der Nacht zum Mittwoch deutscher Zeit. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verglich den russischen Angriff auf Mariupol mit der Nazi- Belagerung Leningrads im Zweiten Weltkrieg.

In Deutschland drang Vizekanzler Robert Habeck auf schnelle Waffenlieferungen an die Ukraine. In Berlin gibt es jedoch auch Irritation, weil Kiew einen Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier abgelehnt hat.

Eine Teilnahme an den Friedensgesprächen, die bislang per Video fortgesetzt wurden, hat Präsident Wladimir Putin abgelehnt, mit der Begründung, sie seien ins Stocken geraten.

Die Weltbank hat eine finanzielle Unterstützung für die Ukraine in Höhe von 1,4 Milliarden Euro angekündgt. Damit sollen wichtige staatliche Dienstleistungen aufrecht erhalten werden, wie Löhne für Krankenhauspersonal, Renten für ältere Menschen und Sozialprogramme für Bedürftige.

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