Judenfeindliches Relief darf bleiben: Bundesgerichtshof urteilt zu "Wittenberger Sau"

Das Relief an der Stadtkirche in Wittenberg darf bleiben
Das Relief an der Stadtkirche in Wittenberg darf bleiben Copyright Jens Meyer/ Associated Press
Von euronews
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Für einen jüdischer Aktivisten ist die "Judensau" ein Schandmal. Der Bundesgerichtshof sieht das anders.

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Zwei Menschen mit spitzen Hüten, die an den Zitzen einer Sau hängen, ein Mann, der ihr in den Hintern blickt: Das mehr als 700 Jahre alte Sandsteinrelief an der Stadtkirche im sachsen-anhaltinischen Wittenberg ist laut einem Richter am Bundesgerichtshof zwar "in Stein gemeißelter Antisemitismus" - bleiben darf die als "Judensau" bekannte Schmähplastik trotzdem. Das entschied der Bundesgerichtshof in Karlsruhe jetzt. 

Er wies die Klage Michael Dietrich Düllmanns ab - der in jungen Jahren sein Studium der evangelischen Theologie abbrach und zum Judentum konvertierte. Seiner Meinung nach entfaltet die antisemitische Darstellung bis heute eine propagandistische Wirkung und vergifte die Gesellschaft. Er will nun vors Bundesverfassungsgericht ziehen. 

Bundesgerichtshof: Relief ist heute Mahnmal

Das Gericht jedoch argumentierte, die Wittenberger Stadtkirche habe das Schandmal durch eine Bodenplatte und einen Aufsteller mit historischen Hintergrundinformationen in ein Mahnmal verwandelt. Dadurch sei die rechtsverletzende Aussage des Reliefs beseitigt worden.

Jüdische Organisationen nahmen das Urteil gemischt auf: Christoph Heubner, Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees bezeichnete es als enttäuschend. Die mahnenden Worte und Schilder an der Kirche würden nichts daran ändern, dass das Schandmal jüdischen Menschen weh tue und sie empöre.

Zentralrat der Juden: Kirche muss sich zu Schuld bekennen

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland nannte die Entscheidung nachvollziehbar. Er forderte jedoch, dass die Kirche das judenfeindliche Werk stärker verurteile und sich zu ihrer Schuld bekenne.

Judenfeindliche Inschrift geht auf Luther zurück

Die Wittenberger Stadtkirche gilt als Mutterkirche der Reformation. Hier predigte einst der glühende Antisemit Martin Luther. Die judenfeindliche Inschrift über der "Judensau" entstand in Anlehnung an seine Schriften. Ähnliche antisemitische Reliefs hängen in mehreren Dutzend weiteren deutschen Kirchen.

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