Gas-Panik trotz Hitzewelle: Experten warnen vor Heizlüftern und Blackouts

Heizlüfter sind schwer gefragt
Heizlüfter sind schwer gefragt Copyright -Screenshot- Anadolu
Von Cornelia Trefflich & Verena Schad
Diesen Artikel teilenKommentare
Diesen Artikel teilenClose Button
Den Link zum Einbetten des Videos kopierenCopy to clipboardCopied

Die Aussicht auf den bevorstehenden Winter beunruhigt viele Menschen in Deutschland. Deshalb sind mobile Elektroheizgeräte inzwischen restlos ausverkauft.

WERBUNG

Die Sorge bei Minustemperaturen im Kalten zu sitzen, bringt viele Menschen in Deutschland dazu, mobile Elektroheizungen zu kaufen.

Nach Angaben des Marktforschungsunternehmens GFK wurden in den ersten sechs Monaten des Jahres 2022 in Deutschland 600.000 Elektroheizungen verkauft. Das entspricht einer Umsatzsteigerung von 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Bei vielen Händlern sind mobile Elektrogeräte ausverkauft: "Vielleicht kommen die Heizgeräte im September, Oktober oder November. Kein Unternehmen kann sagen, ob die Lieferung stattfinden wird oder nicht. Denn alles ist restlos ausverkauft. Das ist das größte Problem. Jeder will eine elektrische Heizung kaufen, denn wenn es kein Gas gibt, ist das Haus kalt", sagt Daniel Strenger, Mitarbeiter bei Döring Eisenwaren in Berlin-Charlottenburg.  

Vorsicht vor enormen Stromrechnungen: Heizlüfter sind die teuerste Heizmethode

Die Aussicht auf den bevorstehenden Winter beunruhigt viele: "Meine Befürchtung ist, dass es Probleme geben wird. Wenn ich keine Heizung habe und wenn man gesundheitliche Probleme hat, braucht man es wenigstens im Badezimmer warm. Möglicherweise können wir ja noch nicht einmal heiß duschen, ich weiß es nicht", sagt eine Kundin.

Experten warnen jedoch, dass die Anschaffung von Elektroheizungen die Verbraucher:innen am Ende teuer zu stehen kommt. Der Betrieb eines Heizlüfters kostet im Schnitt bei gleicher Wärmeleistung dreimal so viel wie eine Gasheizung, und es gibt ein weiteres Problem: sind zu viele dieser Geräte gleichzeitig angeschaltet, drohen massive Stromausfälle.

In einem ungewöhnlichen Schritt haben sich mehrere Fachverbände an die Öffentlichkeit gewandt. Sie warnen dringend vor dem massenhaften Einsatz von „elektrischen Direktheizgeräten“.

Warnung vor einem großflächigen Blackout

Denn eine viel größere Gefahr als die Überschuldung privater Haushalte wegen hoher Heizlüfer-Stromkosten ist ein großer Blackout in Deutschland. Solch ein Ausflall des Stromnetz kann Folgen für die Gesundheitsversorgung in Krankenhäusern haben, zum Erliegen des öffentlichen Verkehrsnetzes führen und industrielle Produktionen lahmlegen.  

Der Leiter des Fachbereichs Erzeugung und Speicherung elektrischer Energie beim VDE Verband, Dr. Martin Kleimaier, warnt vor großflächigen Blackouts. "Unsere Stromversorgung ist für eine gleichzeitige Zusatzbelastung nicht ausgelegt", so der Fachmann im Gespäch im Euronews. 

"Es geht um die Gleichzeitigkeit." Wenn viele Menschen etwas gleichzeitig tun, ist das System überlastet - während der Corona-Pandemie gab es kein Toilettenpapier mehr, während des Ukraine-Kriegs kein Sonnenblumenöl. Überlastungen von Stromkreisläufen kenne man manchmal sogar aus der eigenen Wohnung, wenn mehrere Geräte gleichzietig laufen, erklärt Dr. Kleinmaier.  

Ein Problem: Wenn das Netz dann ausgefallen ist, bleiben die Heizlüfter aber in der Steckdose und eingeschaltet. Wenn der Netzbetreiber die Haushalte wieder zuschalten will, würden die Sicherungen gleich wieder rausfliegen. "Geräte mit eingebautem Thermostat, die ausgeschaltet sind, würden dann sogar wieder allein anspringen, weil der Raum mittlerweile ausgekühlt ist", so Dr. Kleinmaier. Das bedeutet, die Haushalte müssten aufgefordert werden, ihre Heizlüfter aus der Steckdose ziehen, bevor das Stromnetz wieder eingeschaltet wird. Per Lautsprecherdurchsage? 

Wenn Heizlüfter, wie werden sie richtig genutzt?

Wenn man nun doch einen Heizlüfter nutzen will, zum Beispiel im Badezimmer, wenn ältere Menschen oder kleine Kinder bei der Morgentoilette frieren, sollte man bedenken: Heizlüfter eignen sich nur für den räumlich begrenzten, kurzzeitigen Einsatz. 

Ein Heizlüfter ist im Grunde nichts anderes als ein Ventilator mit vorgeschaltetem Heizelement. Das  Funktionsprinzip ist vergleichbar mit einem Haarföhn. Auf der Rückseite des Geräts wird die Raumluft angesaugt, mit elektrischen Heizelementen erhitzt und dann über den Ventilator im Raum verteilt. 

Damit die Wärme optimal verteilt wird und es zu keinem Hitzestau kommt, sollte der Heizlüfter möglichst frei im Raum stehen. Je stärker die Leistung des Geräts, desto heißer werden die Heizelemente und desto größer ist auch die Gefahr einer Überhitzung. 

Die meisten Heizlüfter bieten einen Überhitzungsschutz, oft auch einen Kippschutz, der das Gerät sofort ausschaltet, wenn es nicht mehr mit der korrekten Seite auf dem Boden steht. Viele Geräte kommen im Badzimmer zum Einsatz und sollten vor sicher vor Spritzwasser aufgestellt werden, um Unfälle und Kurzschlüsse zu vermeiden. 

Grundsätzlich erzeugen Heizlüfter nur direkte Wärme und keine Strahlungswärme und können dauerhaft keine Heizung ersetzen.

Argumente für den Weiterbetrieb der 3 Atomkraftwerke

Ein massenhafter Gebrauch von Heizlüftern spielt auch den Befürwortern von längeren Laufzeiten für die noch laufenden drei Atomkraftwerke Isar 2 (Bayern/Eon), Neckarwestheim (Baden-Württemberg/EnBW) und Emsland (Niedersachsen/RWE) in die Hände. 

Wegen des drohenden Energiemangels wird eine Laufzeitverlängerung der drei AKWs immer wahrscheinlicher. Selbst Bundesdkanzler Olf Scholz hat heute am Mittwoch in Mülheim an der Ruhr Offenheit für eine längere Nutzung von Atomkraft signalisiert. Es könne Sinn machen, AKW länger laufen zu lassen als geplant, sagte der Kanzler. In Mülheim an der Ruhr besichtigte er die von Kanada gewartete Nord-Stream-1-Turbine.

Die Kraftwerke seien "ausschließlich relevant für die Stromproduktion und nur für einen kleinen Teil davon", sagte Scholz. Vor einer Entscheidung solle aber zunächst das Ergebnis des laufenden erneuten Stresstests zur Energieversorgung abgewartet werden, sagte Scholz weiter. Er wies auch darauf hin, dass die Gasspeicher in Deutschland derzeit besser gefüllt seien als in früheren Jahren.  

WERBUNG

***

Weitere Quellen • Anadolu

Diesen Artikel teilenKommentare

Zum selben Thema

Angst vor Gasstopp: Glasindustrie am Rennsteig bangt um ihre Existenz

Umstrittene Entscheidung: Atomkraft und Gas sind laut EU-Kommission "nachhaltig"

Erneuerbare Energien: Diese Länder machen am meisten Wind