Wie hat sich die europäische Modebranche seit der Rana-Plaza-Tragödie 2013 verändert?

Auf diesem Foto vom 19. April 2018 arbeiten Auszubildende in einer Bekleidungsfabrik in der Snowtex Bekleidungsfabrik in Dhamrai, in der Nähe von Dhaka, Bangladesch.
Auf diesem Foto vom 19. April 2018 arbeiten Auszubildende in einer Bekleidungsfabrik in der Snowtex Bekleidungsfabrik in Dhamrai, in der Nähe von Dhaka, Bangladesch. Copyright A.M. Ahad/AP
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Von Alexandra Leistner
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10 Jahre nachdem mehr als 1.100 Menschen beim Zusammensturz einer Fabrik in Bangladesch ums Leben kamen, fragen wir: Was hat sich konkret seither verändert? Was können Verbraucher:innen tun, um ethisch korrekte Produktion von Kleidung anzutreiben?

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Als am 24. April 2013 in Bangladesch das achtstöckiges Geschäftsgebäude Rana Plaza, in dem mehrere Bekleidungsfabriken untergebracht waren, einstürzte, mehr als 1.100 Menschen ums Leben kamen und 2.500 weitere verletzt wurden, ging eine Schockwelle um die Welt.

Viele in Europa und der Welt bekannten Marken hatten in dem Gebäude Kleidung produzieren lassen und (wissentlich oder unwissentlich) in Kauf genommen, dass die Sicherheit der Näher:innen dort keine Rolle spielte - von anderen Arbeitsbedigungen mal ganz abgesehen.

10 Jahre nach einer der tödlichsten Industriekatastrophen der Geschichte in Bangladesch stellen wir die Frage: Wie hat sich die europäische Bekleidungsindustrie angepasst und verändert?

Expertinnen und Experten sind sich einig, dass die Katastrophe und das von ihr ausgehende menschliche Leid zu groß waren, um weiter zu ignorieren, unter welchen Bedigungen Kleidung für den globalen Markt hergestellt wird.

Der schon wenige Zeit nach dem Unglück geschlossene Accord on Fire and Building Safety, eine rechtsverbindliche Vereinbarung zwischen Marken, Gewerkschaften und NGOs, sei eine "robuste Initiative" und "einzigartig in seiner Herangehensweise und Kooperation", sagt Peter McAllister von der Organisation Ethical Trading Initiative, die für ein ethisches Handeln von Unternehmen und verbesserte Bedigungen für Arbeitnehmer:innen einsteht.

Das Abkommen enthält Bestimmungen über unabhängige Sicherheitsinspektionen, Schulungsprogramme sowie ein Beschwerdeverfahren für Arbeitnehmer:innen. Zu den großen europäischen Marken, die es unterzeichnet haben, gehören unter anderem H&M, Primark, C&A, Zara und Marks & Spencer.

Doch während sich durch den Accord ein stärkeres Bewusstsein für Sicherheitsrisiken in Bangladesch entwickelt hat, werden in der Industrie etwa weiter Löhne gezahlt, die unter der existenzsichernden Lohngrenze liegen.

"Marken wissen, dass sie für alles, was sie tun, Verantwortung übernehmen müssen", so Tamsin Blanchard von der Bewegung Fashion Revolution, die ein Umdenken in Sachen Transparenz seit der Rana-Plaza-Tragödie beobachtet.

Was können Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa tun?

Allerdings sei die Modebranche in anderen Bereichen "weitgehend unreguliert". Es gebe keinen Grund so viel Kleidung zu produzieren, wie es derzeit der Fall ist - mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt. Auch die Verlegung der Produktion in Länder, in denen Arbeitskräfte billig sind und Gesetze zum Umweltschutz oder zum Schutz von Arbeitnehmer:innen quasi inexistent sind, sei nach wie vor weit verbreitet.

Und während europäische Marken eine Reihe von Arbeitsvorschriften für sozialen Schutz eingeführt haben, profitieren Länder außerhalb der EU von diesen Richtlinien nicht.

Fashion Revolution empfiehlt, Marken in sozialen Netzwerken öffentlich nach der Produktion zu fragen?Versehen mit dem Hashtag #WhoMadeMyClothes antworteten mehr und mehr Kleidermarken auf solche Art von Fragen, sagt auch Peter McAllister. 

"Es ist wichtig, dass sich Verbraucher:innen zu Wort melden", sei es bei Social Media oder auf der Webseite ihrer Lieblingsmarke. "Man sollte die Marken wissen lassen, dass dies für sie von Bedeutung ist."

"Marken hören zu, und wenn ihre Kund:innen ganz klar sagen: Wir erwarten, dass ihr unsere Standards einhaltet. Wir erwarten, dass wir einkaufen können, ohne uns Gedanken darüber machen zu müssen, ob die Menschen sicher sind oder anständig bezahlt werden oder ob sie am Arbeitsplatz belästigt werden."

Die Europäische Union plant mit der EU Corporate Sustainability Due Diligence Directive (EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflicht für nachhaltige Unternehmen), Richtlinien, um Marken zur Verantwortung zu ziehen.

"Wir brauchen eine Gesetzgebung, denn nur so können wir wirklich verfolgen, was die Marken tun", so Aruna Kashyap von Human Rights Watch.

Um herauszufinden, on eine Marke sich dem Accord angeschlossen hat, können Verbraucherinnen und Verbraucher die Liste auf der Seite des Clean Clothes Netzwerks. 

Je billiger die Kleidung, desto schlechter die Bedingungen in der Herstellung?

Natürlich müsse man immer vorsichtig sein, wenn Dinge billig sind, so Mc Allister. "Aber es ist nicht immer gesagt, dass ein niedriger Preis mit schlechten Standards einhergeht". Manchmal sei die günstige Herstellung auch über das Volumen der Bestellung zu erklären. Bei billigen Produktion stelle sich dagegen die Frage nach der Nachhaltigkeit. 

Denn die Produktion von Kleidern, vor allem in dem Ausmaß, in dem es bei Super Fast Fashion der Fall ist, trägt einen erheblichen Teil zum Klimawandel bei. Herstellungsprozesse in der Modeindustrie produzieren Mengen an CO2 und verbrauchen extrem viel Wasserverbrauch. Hinzu kommt die Spedition der Kleidung, die durch Emissionen weiter zur Umweltbelastung beiträgt.

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Wenn Unternehmen überlegen, wo sie in Zukunft produzieren werden, wie sie produzieren werden, welche Materialien sie verwenden werden, müssen sie auch die Auswirkungen auf die Menschenrechte, auf die Fabriken und auf die Gemeinden verstehen, so McAllister.

Doch während die Industrie einen Großteil der Probleme, die sie heute hat, selbst verursacht hat, gibt es immer mehr kreative Ideen, um Mode nachhaltiger zu machen. Neben Second-Hand-Länden, gibt es Unternehmen, die Kleidung vermieten, tauschen oder etwa alte Kleidung in Workshops neu aufzuwerten.

Wie können wir sicherstellen, dass Näher:innen in Bangladesch und anderen Ländern, fairen Lohn erhalten für ihre Arbeit?

Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ist der Mindestlohn für Berufsanfänger in der Bekleidungsindustrie in Bangladesch seit der Rana-Plaza-Katastrophe von etwa 63 auf 95 US-Dollar im Jahr 2019 gestiegen. Dies war das Ergebnis des Drucks von Arbeitsrechtsgruppen und der Arbeiter selbst. Diese Lohnerhöhung liegt jedoch immer noch unter dem geschätzten existenzsichernden Lohn in Bangladesch, der etwa 190 US-Dollar pro Monat beträgt.

Und die Pandemie hat die Lage für die Näherinnen und Näher in Bangladesch weiter verschärft. Auch die steigende Inflation wird ein Problem: Mit den Gehältern, die in der Modeindustrie gezahlt werden, können sie sich das Leben nicht mehr leisten, so Kashyap.

Zahlreiche Organisationen, die sich für eine nachhaltige und faire Produktion in der Modebranche einsetzen, darunter auch Fashion Revolution und HRW, fordern mit der Good Clothes Fair Pay Kampagne existenzsichernde Löhne in der gesamten Bekleidungs-, Textil- und Schuhindustrie.

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Dabei handelt es sich um eine Europäische Bürgerinitiative (European Citizen's Initiative, ECI), bei der die Europäische Kommission bei einer Million Unterschriften über Folgemaßnahmen entscheiden muss.

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