Wasserspeicherbecken als Vorrat für Trockenzeiten: Sinnvoll oder schädlich?

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Von Bryan Carter
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Vor allem in Frankreich ist das Thema Wasserspeicherbecken sehr umstritten. Es betrifft die Landwirtschaft, Umweltverbände, die Industrie und natürlich die Politik. Wir haben das Thema für Sie aufgearbeitet.

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Riesige Wasserspeicherbecken sorgen in Frankreich im wahrsten Sinne des Wortes für hitzige Auseinandersetzungen. Ausgefochten werden diese nicht nur mit Worten, sondern bei Kundgebungen in Sainte-Soline im Westen des Landes knallte es auch ganz handfest, als Demonstranten und Polizeikräfte aufeinandertrafen.

Der Gedanke: Wasser für Trockenzeiten speichern

Was steckt hinter den Wasserspeicherbecken? Diese werden angelegt, um Vorräte für trockene Sommer anzulegen, um dann der Landwirtschaft Wasser zur Verfügung zu stellen, damit die Felder bei Bedarf bewässert werden können. Ernteausfälle sollen auf diese Weise unterbunden werden, selbst bei langen Trockenzeiten. Abgedeckt werden die Becken durch Planen. Gefüllt werden die Becken in den Wintermonaten mit Grundwasser.

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Jean-Jacques Guilleteuronews

„Eher wünschenswert, Feuchtgebiete wiederherzustellen"

Gegner dieser großen Becken prangern die Auswirkungen auf die Umwelt an. „Bevor man Becken baut, wäre es eher wünschenswert, diese Feuchtgebiete wiederherzustellen, die sowohl als Wasserspeicher dienen, als auch gleichzeitig das Wasser reinigen. Wenn wir morgen versuchen müssen, Lösungen zur Abschwächung der Erderwärmung zu finden, besteht die Lösung nicht darin, das Grundwasser der Sonne auszusetzen, sondern alles zu tun, um das Wasser wieder in den Boden zu bringen: Dort ist es am besten aufgehoben, geschützt vor Licht und Verschmutzungen", meint Jean-Jacques Guillet, Sprecher eines Zusammenschlusses von Menschen, die gegen die Wasserspeicherbecken sind.

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François Pétorineuronews

Weniger Wasser, geringere Erträge

François Pétorin ist Geschäftsführer der Coop de l'eau 79. Diese Genossenschaft, der 220 landwirtschaftliche Betriebe angehören, betreibt ein Projekt, das einmal 16 Wasserspeicherbecke einschließen soll. Und zwar in einem Gebiet, das das Sumpfgebiet Marais Poitevin und die Wasserläufe, die es versorgen, umfasst. Bisher ist nur eines der Becken fertiggestellt.

„Ich bin Getreide- und Saatgutbauer", sagt Pétorin. „Das Projekt ging von den großen Dürrejahren aus, die wir hatten: 2005, 2007 und auch 2003 und daher von sehr frühen Verordnungen der Präfektur, die uns verboten, im Frühjahr und Sommer zu bewässern, was zu katastrophalen Ertragseinbußen führte, selbst bei Weizen", erläutert er. „Heute ist die Wasserspeicherung also eine der Lösungen, die es ermöglicht, die Landwirtschaft in der Gegend aufrechtzuerhalten", erläutert er.

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Emma Hazizaeuronews

Emma Haziza befasst sich als Wasserwissenschaftlerin mit dem umstrittenen Thema. „Wenn man eine gute Landwirtschaft haben will, braucht man einen ziemlich hohen Grundwasserspiegel", sagt sie. „Der Grundwasserspiegel wirkt sich unmittelbar auf die Wassermenge in den ersten Bodenschichten aus, das sogenannte grüne Wasser", so Haziza. „Aber er bringt auch unmittelbar Wasser in alle Quellen und Flüsse, und wenn man diesen Austausch unterbricht, indem man eine Wassertasche entnimmt und sie vollständig von der Umwelt abkoppelt, wird nicht nur der Wasserhaushalt im Fluss schneller zusammenbrechen, sondern auch alles Leben, das damit zusammenhängt", warnt sie.

Wenn man eine gute Landwirtschaft haben will, braucht man einen ziemlich hohen Grundwasserspiegel.
Emma Haziza
Wasserwissenschaftlerin

Die Coop de l'eau 79 und die französische Regierung stützen sich unter anderem auf einen Bericht der Forschungsstelle für Geologie und Bergbau (BRGM), in dem es heißt, dass die Wasserspeicher „begrenzte Auswirkungen" auf die Grundwasservorkommen und die Wassermengen in den Flüssen hätten. Der Bericht steht in der Kritik - auch seitens der Forschungsstelle BRGM bestehen offenbar Zweifel. Denn bei einer Anhörung durch den Senat wurde verlautbart: „Wir haben weder die Folgen der Erderwärmung simuliert, noch haben wir gesagt, dass man zwangsläufig im Winter Wasser entnehmen kann", so BRGM-Leiterin Michèle Rousseau.

Veraltete Daten

„Diese Studie stützt sich auf Daten von 2001 bis 2011, Daten, die völlig veraltet sind, weil sich der Klimawandel ab 2016-2017 in Frankreich bemerkbar macht", sagt Wasserwissenschaftlerin Haziza. „Von da an hatten wir Nicht-Winter und Zeiträume, in denen wir keine Auffüllung unserer Grundwasservorkommen mehr hatten", unterstreicht sie.

Die französische Regierung scheint dennoch entschieden, weiterhin auf die Wasserspeicherbecken zu setzen. Die Gegner haben ihren Kampf deshalb auch an die Europäische Kommission herangetragen. Das Thema habe sich aber nicht auf der Tagesordnung befunden, sagte Peter Kullgren, der schwedische Landwirtschaftsminister, Ende April im Rahmen des Treffens der EU-Landwirtschaftsminister. Janusz Wojciechowski, EU-Kommissar für Landwirtschaft, stellte hingegen klar: „Wir sind offen für Diskussionen über diesen Vorschlag, der interessant und überlegenswert ist."

Die Landwirte, die geschützt werden und deren Interessen im Mittelpunkt der Arbeit von COPA-COGECA und anderen Lobbys stehen, stellen nicht die Mehrheit der Landwirte dar.
Marco Contiero
Greenpeace

Großen Einfluss - auch auf den Landwirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments - haben offenbar Lobbyvereinigungen wie COPA-COGECA. Marco Contiero von der Umweltschutzgruppe Greenpeace meint: „Die Landwirte, die geschützt werden und deren Interessen im Mittelpunkt der Arbeit von COPA-COGECA und anderer Lobbys stehen, stellen nicht die Mehrheit der Landwirte dar. Es handelt sich um eine sehr kleine Minderheit von größeren, teils industriellen Betrieben, die für die meisten Verschmutzungen verantwortlich sind. Und dennoch verteidigt ein Ausschuss, der sich um die Landwirtschaft kümmern, aber auch den Agrarsektor bei der Umstellung unterstützen soll, sehr hartnäckig den Stand der Dinge, und das ist ein Problem", so Contiero.

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