Das ungarische Drogengesetz war bereits eines der strengsten in der EU, jetzt sollen die Strafen nochmal verschärft werden. Die meisten Menschen im Land freuen sich darüber, das Problem kann aber nicht allein durch polizeiliche Maßnahmen gelöst werden.
Laut einer aktuellen Europion-Umfrage unterstützt eine deutliche Mehrheit der Ungarn die Verschärfung der Drogengesetze. Nur zwölf Prozent der Befragten sind mit der Maßnahme nicht einverstanden, während zwei Drittel das Paket der Regierung, das Strafen erhöhen und Abzweigungen einschränken soll, eindeutig unterstützen.
"Wie ein Terrorist, der eine Kinderkrippe in die Luft sprengt"
Die Polizei hat in den letzten Wochen eine Reihe von Razzien im Namen des Kampfes gegen Drogen durchgeführt. Nach Ansicht des Drogenexperten Péter Sárosi, Gründer der Organisation "Drogriporter", die sich für eine liberalere Drogenpolitik einsetzt, ist eine weitere Verschärfung eines der strengsten Drogengesetze in der EU eher ein Wahlversprechen als ein guter Weg, um ein Problem zu lösen.
"Im Gegensatz dazu machen die Alternativen Sinn. Es gibt wirksame Präventionsprogramme, es macht Sinn, in die Behandlung von Menschen mit Drogensucht zu investieren, es macht Sinn, Gemeinschaftsprogramme zu schaffen. An diesen Dingen mangelt es in Ungarn, es gibt kein Geld dafür, es gibt keine Unterstützung", so Sárosi, der darauf hinweist, dass Studien zum Thema eindeutig zeigen, dass eine Verschärfung der Maßnahmen keine kriminalpräventive Wirkung hat.
Was in Ungarn geschehe, sei also eher Strafpopulismus - ein Versuch, Wählerstimmen zu gewinnen - als ein echter Weg, das Problem anzugehen. Sárosi gab auch ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie streng die Gesetzgebung bereits ist:
"Der Fall von Fahrerflucht auf der Árpád-Brücke, bei der ein Autofahrer mit 150 Kilometern pro Stunde über die Brücke gefahren ist und einen unschuldigen Radfahrer getötet... nun, die Polizei hat eine Gefängnisstrafe für ihn gefordert. Das ist die Mindeststrafe, bei guter Führung könnte man in ein oder zwei Jahren wieder draußen sein. Wer dagegen eine Hanfpflanze anbaut, kann sehr leicht zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt werden. Diese wird in der Regel von den Gerichten verhängt. Wenn jemand wegen Drogenhandels erwischt wird, kann er sogar lebenslänglich bekommen, wie ein Terrorist, der eine Kinderkrippe in die Luft sprengt."
Auch ein Gesetzesentwurf steht im Raum, der im Hinblick auf mögliche Verurteilungen eine weitere Verschärfung bringen könnte. Aktuell können Drogenabhängige einen Gefängnisaufenthalt noch dadurch verhindern, wenn sie sich dazu verpflichten, ein Rehabilitationsprogramm zu absolvieren. In Zukunft sollen Haftstrafen nur mehr dann abgemildert werden können, wenn die Abhängigen auch angeben, von wem sie die Drogen bekommen haben. Es wäre eine weitere, einschneidende Verschärfung der geltenden Gesetze.
Menschen, die in extremer Armut leben, sind am meisten gefährdet
Drogen sind das sichtbarste Problem in den ärmsten ländlichen Gebieten, wo viele Menschen vor allem billige, synthetische und äußerst schädliche Stoffe konsumieren, um der Realität zu entfliehen. Letzte Woche besuchte Viktor Orbán eines der betroffenen Gebiete, Süd-Heves.
"Sie wissen, dass es ein Problem gibt, denn die Drogen, die unsere Kinder und sogar Erwachsene zerstören, breiten sich aus. Besonders in diesem Gebiet. Und ich arbeite daran, das zu stoppen. Deshalb bin ich hier, um es auszurotten", sagte Orbán in Tarnazsadany, wohin wir den Ministerpräsidenten ebenfalls begleiteten. In dem Dorf erzählten uns mehrere Leute, dass die Razzien die Dealer von der Straße geholt haben und die Einheimischen nicht mehr mit Drogen handeln.
"Ich glaube nicht, dass irgendjemand zehn Jahre lang diese Drogen behalten und verkaufen wird", sagte eine Frau. Ein Mann erklärte, er sei froh, dass die Drogenhändler verschwunden seien:
"Ich habe am Wochenende in der Kneipe gesehen, dass sie jetzt trinken. Sie saßen zusammen, unterhielten sich und dann tranken sie. Ich bin wirklich froh, dass sie mit dem Crystal und allem anderen aufgehört haben. In Tarnazsadány gibt es wirklich keine Drogen mehr, man kann sie nicht mehr finden."
Viele Menschen haben Angst vor Dealern
Andere gaben zu, dass es noch immer Dealer in der Gemeinde gibt, sie trauen sich aber nicht, öffentlich über sie zu sprechen, weil sie Angst vor ihnen haben. Viele von ihnen sind namentlich bekannt.
Die Situation ist in vielen Dörfern der Region ähnlich. Wir trafen auch einen Süchtigen in Tarnaörs, der sich weigerte, vor unseren Kameras zu sprechen, uns aber erzählte, dass eine Dosis der Droge, die er konsumiert, etwa tausend Forint kosten würde. Ein anderer Einheimischer erzählte uns, dass in der Stadt mit etwa 1800 Einwohnern derzeit 11 Personen mit Drogen handeln würden. Einige Dealer werden von der Polizei festgenommen, aber selbst wenn sie ins Gefängnis kommen, kommen bald neue nach.
Nach Ansicht von Péter Sárosi kann das Problem der in extremer Armut lebenden Drogenabhängigen nur durch ein umfassendes Programm gelöst werden:
"Der Konsum von Designerdrogen ist in diesen armen Kleinstädten praktisch ein Symptom. Drogenkonsum ist eine Flucht vor Perspektivlosigkeit, bitterer Armut, Ausgrenzung. Wenn wir etwas dagegen tun wollen, sollten wir das Problem an der Wurzel packen. Wir sollten jungen Menschen Perspektiven bieten, damit sie eine Zukunft haben, damit sie sich weiterbilden können und Auswege finden. Auch die Wohnungsnot sollte bekämpft werden. Es sollte auch mehr junge Menschen geben, die ihre Freizeit strukturiert und sinnvoll verbringen können", so der Experte.
In den letzten Tagen haben wir uns wiederholt an den Drogenbeauftragten der Regierung, László Horváth, gewandt, um ihn zu fragen, ob die Regierung plant, neben den Razzien auch die soziale Situation, die zum Drogenkonsum führt, zu verbessern. Der Politiker lehnte ein Interview jedoch ab, ebenso wie die Polizei.