Die Reichweitenbeschränkung für Waffenlieferungen an die Ukraine werde aufgehoben, so Bundeskanzler Friedrich Merz. Der Kreml kritisiert das Vorgehen als "ziemlich gefährliche Entscheidung".
Deutschland und Verbündete lockern die Regeln für Waffenlieferungen an die Ukraine. "Es gibt keinerlei Reichweitenbeschränkungen mehr für Waffen, die an die Ukraine geliefert worden sind - weder von den Briten, noch von den Franzosen, noch von uns, von den Amerikanern auch nicht", sagte der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz am Montag beim WDR Europaforum auf der Digitalkonferenz re:publica.
Es sei das Ergebnis der Treffen zwischen Merz und seinen Amtskollegen aus anderen Ländern in den vergangenen Wochen gewesen. Der Kanzler erklärte, die Ukraine könne sich jetzt "verteidigen, indem sie zum Beispiel militärische Stellungen in Russland angreift".
Russland nennt es eine "ziemlich gefährliche Entscheidung".
Reichweitenbeschränkung aufgehoben - Was bedeutet das?
Bisherige Waffenlieferungen waren in der Reichweite beschränkt. Auch in der Debatte um Lieferungen von Taurus-Marschflugkörpern ist ein ausschlaggebender Punkt, dass diese eine relativ große Reichweite haben. Die Luftrakete kann bis zu 500 Kilometer weit fliegen.
"Bis vor kurzem konnte die Ukraine das nicht, und bis auf ganz wenige Ausnahmen hat sie das auch nicht getan", so Merz über mögliche Angriffe auf militärische Ziele in Russland.
Der Bundeskanzler betonte, während Kyjiw seine Waffen gegen russische Militäreinrichtungen einsetzen würde, greife Russland in der Ukraine weiterhin "völlig rücksichtslos zivile Ziele an, bombardiert Städte, Kindergärten, Krankenhäuser und Altenheime." Die Ukraine würde dies nicht tun und dies soll auch ohne die Reichweitenbeschränkung weiterhin der Fall sein.
Russland: "ziemlich gefährliche Entscheidung"
Der Vorstoß von Bundeskanzler Merz löste in Russland Kritik aus. Der Sprecher des Kremls, Dmitrij Peskow, nannte Merz Äußerungen "ziemlich gefährliche Entscheidungen, wenn es sie gegeben hat."
Der Kreml bezweifelt, dass es sich um eine neue Sachlage handelt. Die Äußerungen von Merz auf der Digitalkonferenz könnten sich auch auf die seit letztem Herbst bekannten Einsätze westlicher Raketen gegen russisches Gebiet beziehen.
Peskow erklärte, die Lieferung weitreichender Waffen an die Ukraine liefe "den Bemühungen Moskaus um eine politische Lösung zuwider". Zuletzt hatten sich durch zunehmenden Druck aus den USA Vertreter der Ukraine und von Russland getroffen, um Gespräche über ein mögliches Ende des Krieges wiederaufzunehmen.
Dabei wurde der Austausch von jeweils 1.000 Gefangenen beschlossen, darüber hinaus jedoch keine weitere Einigung erzielt. US-Präsident Donald Trump kritisierte Wladimir Putin scharf auf der Plattform Truth Social: "Er ist absolut wahnsinnig geworden". Putin würde unnötigerweise eine Menge Menschen töten und auf Städte in der Ukraine schießen, schrieb er weiter.
"Präsident Putin trifft die notwendigen Entscheidungen, um die Sicherheit unseres Landes zu gewährleisten", reagierte Peskow am Montag in Moskau. Da man am Anfang des Gesprächsprozesses stehe, sei dieser "verbunden mit emotionaler Überlastung absolut aller", so Peskow laut der russischen Nachrichtenagentur Tass.
Kyjiw-Besuch von Kanzler Merz
Dies sei auch einer der Gründe für seinen Besuch in Kyjiw zusammen mit den Staats- und Regierungschefs Frankreichs, Großbritanniens und Polens am 10. Mai gewesen, erklärte Merz. Bei diesem Besuch in der ukrainischen Hauptstadt kurz nach seinem Amtsantritt sagte er auch, dass alle künftigen Gespräche mit der Ukraine über Waffenlieferungen vertraulich behandelt würden.
In der Vergangenheit erhielt die Ukraine Langstreckenraketen von den USA, dem Vereinigten Königreich und Frankreich, durfte diese jedoch nur gegen russische Streitkräfte in den besetzten ukrainischen Gebieten einsetzen. Dies soll sich nun ändern.
Bereits vor seinem Amtsantritt hatte Merz signalisiert, in der Debatte um Taurus-Marschflugkörper eine andere Position als sein Vorgänger einzunehmen. Der ehemalige Bundeskanzler Olaf Scholz hatte ein Verbot erlassen, deutsche Taurus-Marschflugkörper zu liefern. Es ist möglich, dass Merz dieses Verbot aufheben könnte.
Am Montag sagte der Bundeskanzler: "Den Vorwurf, dass wir nicht alle diplomatischen Mittel ausgeschöpft haben, die es gibt, den kann uns nun niemand mehr machen." Alle getroffenen Maßnahmen, um Druck auszuüben und somit ins Gespräch mit Putin zu kommen, wären jedoch "bisher erfolglos", kommentierte Merz.
Nach seinem öffentlichen Auftritt teilte er ebenso auf der Plattform X, dass Deutschland alles tun werde, "was in unseren Kräften steht, um die Ukraine zu unterstützen."
Die Aufhebung der Beschränkungen für den Einsatz von Langstreckenwaffen werde "den entscheidenden qualitativen Unterschied in der Kriegsführung der Ukraine ausmachen", erklärte Merz.
"Ein Land, das sich nur im eigenen Territorium einem Angreifer entgegenstellen kann, verteidigt sich nicht ausreichend." Merz fügte hinzu, dass es nun auch Verteidigung auf russischem Territorium brauche - mit der Einschränkung auf militärische Stellungen und Einrichtungen.