Der Angeklagte Issa al H. hat zum Auftakt des Prozess zum Messerangriff auf dem Solinger Stadtfest ein Geständnis abgelegt. Drei Menschen wurden getötet, zehn weitere verletzt. Über eine mögliche Verbindung zum IS hat der Angeklagte keine Angaben gemacht.
Der Angeklagte im Prozess um einen Messerangriff, bei dem drei Menschen getötet wurden, hat gestanden. Heute hat der Prozess gegen Issa al H. am Oberlandesgericht Düsseldorf begonnen.
In einer Erklärung, die über seine Verteidiger veröffentlicht wurde, teilte er mit: "Ich habe schwere Schuld auf mich geladen. Ich bin bereit, das Urteil entgegenzunehmen".
Vor neun Monaten ist der Angeklagte mit einem Messer auf dem Solinger Stadtfest bei Düsseldorf auf Menschen losgegangen. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm dreifachen Mord und zehnfachen versuchten Mord vor.
Außerdem soll er IS-Terrorist sein und wenige Stunden vor der Tat am Abend des 23. August 2024 dem sogenannten "Islamischen Staat" in Videos die Treue geschworen haben.
Der Prozess findet in einem Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts Düsseldorf statt. Für den Fall sind 22 Verhandlungstage angesetzt.
Der heutige Bundeskanzler Friedrich Merz, damals CDU-Parteivorsitzender forderte nach der Tat in Solingen in einem persönlichen wöchentlichen Newsletter entschlossenes Handeln der Bundesregierung, um solche Terroranschläge in Zukunft zu verhindern.
"Wir müssen aufhören, eine naive Einwanderungspolitik zu machen. Und wir müssen dafür sorgen, dass diejenigen, die zu uns kommen, sich an die Regeln unseres Landes halten. Und wenn sie dies nicht tun, müssen sie das Land wieder verlassen", sagte er in einem Interview im ARD-Brennpunkt nach der Tat.
Was ist am 23. August 2024 in Solingen passiert?
Solingen richtete gerade ein Stadtfest zum 650-jährigen Bestehen aus, bei dem rund 75.000 Menschen erwartet wurden. Issa al H. soll dort am 23. August in die Menge gegangen sein. Dann soll er vor einer der Bühnen drei Besucher erstochen und versucht haben, zehn weitere zu töten.
Bei den Todesopfern handelt es sich um zwei Männer (56 und 67 Jahre alt) und eine Frau (56). Acht weitere Menschen wurden verletzt. Von zwei zusätzlichen Besuchern hat der mutmaßliche Täter die Kleidung beschädigt. Auch diese Attacken wertet die Bundesanwaltschaft als Mordversuche.
Der 27-jährige Angeklagte soll Verbindungen zum sogenannten "Islamischen Staat" (IS) haben. Wenige Stunden vor der Tat habe er dem IS in Videos die Treue geschworen. Dazu hatte er sich gegenüber den Ermittlern und dem Haftrichter bisher nicht geäußert.
Prozess zu Solingen: mögliches IS-Motiv
Am Dienstag, rund neun Monate nach der Tat, beginnt am Oberlandesgericht der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter. In einem Hochsicherheitstrakt soll er zur 95-seitigen Anklage der Bundesanwaltschaft aussagen. Zwei Pflichtverteidiger wurden dem Angeklagten zur Seite gestellt. Zwölf Verletzte und Angehörige von Todesopfern treten als Nebenkläger auf.
Dem Angeklagten wird auch vorgeworfen, IS-Terrorist zu sein. Eine "mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland" stehe im Raum. Als radikaler Islamist habe Issa al H. eine möglichst große Anzahl aus seiner Sicht "Ungläubiger" töten wollen. Einen Tag nach dem Messerangriff reklamierte der IS den Anschlag für sich. Es war das erste Bekenntnis dieser Art seit dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt 2016.
Der Solinger Rechtsanwalt Simon Rampp vertritt acht Betroffene - sowohl Verletzte als auch Angehörige von Todesopfern des Anschlags. "Aus meiner Sicht ist die Beweislage erdrückend. Die Ermittler haben extrem gute Arbeit geleistet", sagte er vor Prozessbeginn. Er werde sich für die Höchststrafe einsetzen, sollten sich die Vorwürfe bestätigen.
Der Prozessvertreter des Generalbundesanwalts, Jochen Weingarten, leitet den Prozess.
Mögliches Strafmaß: lebenslange Haft
Für den Fall einer Verurteilung hatten die Vertreter der Nebenkläger laut der Zeitung Solinger Tagesblatt vor dem Prozess erklärt: „Aus unserer Sicht gilt: Alles, was das Gesetz an Strafe hergibt, soll er kriegen.“
Auf Mord kann eine Verurteilung zu einer lebenslägnlichen Haftstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung folgen - es ist das hochste Strafmaß im deutschen Recht. Dazu müsste eine besondere Schwere der Schuld festgestellt werden.
Ein Urteil wird frühestens Ende September erwartet.
Abschiebung fehlgeschlagen
Im Untersuchungsausschuss zum Solingen-Attentat im Landtag von Nordrhein-Westphalen äußerten Rechtsprofessoren Kritik am Asylsystem.
Der Leipziger Bundesverwaltungsrichter und Düsseldorfer Rechtsprofessor Martin Fleuß sagte dabei, Defizite des deutschen und des europäischen Migrationsrechts hätten, neben weiteren Faktoren, "den Boden für den Anschlag von Solingen bereitet". Sie könnten "jederzeit für die Verübung weiterer Anschläge vergleichbarer Art ausgenutzt werden".
Der mutmaßliche Täter und Syrer Issa al H. hätte 2023 den EU-Asylregeln zufolge nach Bulgarien abgeschoben werden sollten. Der Versuch scheiterte, weil er in seiner Flüchtlingsunterkunft nicht anzutreffen war. Warum kein erneuter Versuch stattfand, ist derzeit Tatbestand eines Untersuchungsausschusses im Landtag von Nordrhein-Westphalen.
Der Angeklagte kommt aus einem Vorort der Stadt Deir al-Sor, die während des Bürgerkriegs in Syrien ein zentraler Punkt für den IS war. Über Schleuser kam der Syrer 2022 von der Türkei nach Bulgarien und erreichte Deutschland im Dezember 2022.