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SPD-Manifest: Kritik an Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung

SPD-Manifest: Kritik an der Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung.
SPD-Manifest: Kritik an der Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung. Copyright  AP Photo
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Von Euronews
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Ein "Manifest" von SPD-Genossen kritisiert die Bundesregierung. Mehrere Dutzend prominente SPD-Politiker fordern direkte Gespräche mit Russland und bezeichnen die Nato-Ausgaben als "irrational". Das steht im Manifest.

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Ein sogenanntes Manifest von mehr als 100 prominenten SPD-Mitgliedern stellt sich gegen die eigene Parteiführung. Inbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung fordern die Unterzeichnenden einen eindeutigen Kurswechsel.

Sie fordern im Schriftstück Gespräche mit Russland und nannten die erhöhten Nato-Ausgaben "irrational". Das gesamte "Manifest" liegt dem Stern intern vor. Die Tagesschau hat es hier veröffentlicht.

Im Hinblick auf den SPD-Bundesparteitag Ende Juni zerrüttet das "Manifest" die Partei. Eigentlich sollte dort die Wahlniederlage der vergangenen Bundestagswahl aufgearbeitet werden, nun muss auch die Debatte um Außen- und Sicherheitspolitik neu justiert werden.

Manifest entfacht SPD-interne Debatte über Sicherheitspolitik

Die Partei steht unter Druck, denn fast zeitgleich mit dem Parteitag findet auch der Nato-Gipfel statt, auf dem sich die deutsche Regierung zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben verpflichten wollte.

Bundesvorsitzender der SPD und Vizekanzler Lars Klingbeil unterstützt gemeinsam mit Bundeskanzler Friedrich Merz die Pläne der Nato zur Aufrüstung. Die Bundeswehr sollte laut Merz die "stärkste Armee Europas" werden, Deutschland wolle massiv aufrüsten. Die SPD-Genossen halten diese Pläne für falsch und kritisieren sie im sogenannten "Manifest".

"Gestern Abend wurde auch das friedenspolitische Manifest des Erhard Eppler Kreises bekannt, dessen Co-Vorsitzender ich bin", teilte Ralf Stegner auf seinem Facebook-Account.

"Mit verschiedenen Friedensgruppen innerhalb der SPD wollen wir gemeinsam die öffentliche Diskussion beeinflussen", erklärt er weiter. Diese würde zurzeit mit wachsender Intensität und Eigendynamik in Richtung milliardenschwerer Aufrüstung, Kriegsvorbereitung, Wehrpflicht und weiteres abdriten.

Was steht im Manifest der SPD-Mitglieder?

Einige prominente Genossen der SPD haben ein - so bezeichnen sie es selbst - Manifest aufgesetzt, in dem sie einen Kurswechsel in der Außenpolitik fordern. Unter dem Titel "Friedenssicherung in Europa durch Verteidigungsfähigkeit, Rüstungskontrolle und Verständigung" wird insbesondere die Sicherheitspolitik ins Kreuzverhör gestellt.

Aus bisherigen Medienberichten über das Manifest, das einigen auch vollständig vorliegt, gehen bisher drei große Kritikpunkte hervor:

1. Annäherung an Russland durch Gespräche

Die Verfasser und Unterzeichner fordern direkte Gespräche mit Russland als Alternative zur Aufrüstung der Bundeswehr. Das Manifest kritisiert die Pläne des Verteidigungsministers Boris Pistorius, der unter anderem eine Rückkehr zur Wehrpflicht für sinnvoll hält.

Die Manifest-SPDler hingegen fordern eine Wiederannäherung an Russland, indem nicht Konfrontation, sondern Zusammenarbeit im Vordergrund stehe und so der Frieden gesichert werde.

"Die Unterstützung der Ukraine in ihren völkerrechtlichen Ansprüchen muss verknüpft werden mit den berechtigten Interessen aller in Europa an Sicherheit und Stabilität", zitiert der Stern das Manifest.

"Auf dieser Grundlage muss der außerordentlich schwierige Versuch unternommen werden, nach dem Schweigen der Waffen wieder ins Gespräch mit Russland zu kommen." Die Unterzeichner fordern diplomatische Anstrengungen.

2. Stopp der Stationierung neuer amerikanischer Mittelstreckenraketen

Durch die Stationierung von Waffen würde sich Deutschland selbst zum Angriffsziel machen, heißt es laut dem Stern im Manifest. Das würde die angespannten Beziehungen weiterhin verschärfen, statt aktiv Entspannung auszuüben.

Dies könnte durch bessere Zusammenarbeit auch in anderen Bereichen wie der Bekämpfung gemeinsamer Bedrohungen durch Klimaveränderungen erreicht werden.

3. Geplante Aufstockung der Verteidigungsausgaben "irrational"

Die Nato hat sich bereits für eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent ausgesprochen, formell verpflichten wollten sich die Bündnisländer auf einem geplanten Gipfel Ende Juni.

Im Manifest wird das Fünf-Prozent-Ziel der Nato als "irrational" bezeichnet, es handele sich um einen Zwang zu immer mehr Rüstung und einer Vorbereitung auf einen angeblich drohenden Krieg. Die Militarisierung hätte jedoch keine sicherheitspolitische Begründung, bemängelt das Manifest laut Stern.

Es fehle die Verknüpfung von Verteidigungsfähigkeit mit Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik. Durch weitere Aufrüstung sei Friedensfähigkeit nicht gegeben. Dies stehe auch einer Wiederannäherung an Russland im Wege.

"Militärische Alarmrhetorik und riesige Aufrüstungsprogramme schaffen nicht mehr Sicherheit für Deutschland und Europa, sondern führen zur Destabilisierung und zur Verstärkung der wechselseitigen Bedrohungswahrnehmung zwischen Nato und Russland", heißt es im Manifest.

Wer hat das SPD-Manifest unterzeichnet?

Mehrere Dutzend Sozialdemokraten haben ihre Unterschrift unter das "Manifest" gesetzt, darunter beispielsweise der frühere Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich, der Außenpolitiker Ralf Stegner sowie Ex-Parteichef Norbert Walter-Borjans oder auch der ehemalige Bundesfinanzminister Hans Eichel. Die Unterstützer stammen größtenteils aus dem linken Flügel der SPD.

Ralf Stegner äußerte sich auf Facebook nach dem Publikwerden des Manifests. Er stellte das Leid, das durch die Kriegshandlungen in der Ukraine, aber auch in Gaza und Aleppo entstehen, den Leitsätzen der Aufrüstung gegenüber.

"Mit Milliardensummen werden die Waffen produziert, verkauft und eingesetzt, mit ebensolchen Summen werden dann Gaza, Aleppo, Ukraine und andere vom Krieg verwüstete Gebiete wieder aufgebaut", schrieb er auf Facebook.

"Dabei flöten die Resilienzpropheten, man müsse all diese teuren Waffensysteme unbedingt beschaffen, um sie niemals einsetzen zu müssen."

Er machte seine Haltung deutlich: "Humanität ist eine knappe Ressource, wo Militarisierung das Denken beherrscht und Landkriege herbeigeredet werden, die eine neue Zwangswehrpflicht erforderten."

"Verteidigungsminister- und Bündnisfähigkeit brauchen wir Deutsche unbedingt, eine militärische Führungsmacht Deutschland dagegen braucht kein Mensch", so Ralf Stegner.

SPD ist sich uneins: Manifest macht Unterschiede deutlich

Dass sich die SPD uneins ist, zeigt auch wiederum Kritik aus eigenen Rängen am Manifest. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Sebastian Fiedler, sagte gegenüber den Sendern RTL und n-tv, das "Manifest" habe ihn "irritiert, verstört und verärgert".

"Da ist sogar von Zusammenarbeit mit Russland die Rede, also mit einem Kriegsverbrecher, der sich darauf vorbereitet, weitere Angriffsziele in den Blick zu nehmen", sagte Fiedler.

Adis Ahmetovic, der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion distanzierte sich ebenso vom Dokument. Der Nachrichtenagentur AFP in Berlin sagte er, es handele sich um ein "inhaltlich in weiten Teilen fragwürdiges Papier", das "nicht Beschlusslage in der Fraktion oder Partei sei".

Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Verteidigungsexperte Fritz Felgentreu kritisierte auf X: "Die letzten sozialdemokratischen Protagonisten einer gescheiterten Politik und ehemalige Protagonisten, die sich hinter sie stellen, beschwören die Zauberformeln von 1982 - was in einer überalterten Partei durchaus Wirkung zeigen kann."

Der Bundesparteitag der SPD soll vom 27. bis 29. Juni in Berlin stattfinden. Dort soll die SPD programmatische Weichen für die kommenden Jahre stellen.

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