Die Union drängt auf Einsparungen beim Bürgergeld. Eine mögliche Reform steht längst auf der Agenda der schwarz-roten Koalition. Welche Ergebnisse könnte das Spitzentreffen am Mittwoch bringen?
Das Thema Bürgergeld soll am Mittwoch bei einem Treffen von Spitzenvertretern der Koalition voran gebracht werden. Bereits im Vorfeld machte die Union deutlich, dass sie Einsparungen fordert.
"Beim Bürgergeld gibt es durchaus erhebliches Einsparpotenzial. Damit ließen sich jedenfalls mittelfristig auch Stromsteuersenkungen finanzieren", sagte Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg (CDU) im Bundestag.
Ein zu hoher Anteil der Bürgergeld-Beziehenden könne arbeiten, tue es aber nicht. "Vor allem, wenn wir mehr Bürgergeldempfänger in Arbeit vermitteln würden, ließe sich viel sparen", argumentierte der Haushalts- und Finanzpolitiker.
Der Unionspolitiker sagte, dass von 5,5 Millionen Bürgergeldempfängern rund vier Millionen Personen erwerbsfähig sein könnten. Nicht alle würden dies im ihnen möglichen Umfang tun. 1,8 Millionen Bürgergeldempfänger seien arbeitslos gemeldet, stünden dem Arbeitsmarkt also unmittelbar zur Vermittlung zur Verfügung.
1,7 Millionen Bürgergeldempfänger erwerbsfähig
Auch Bundeskanzler Merz stimmte dem bereits in einer Rede im Bundestag zu. "Wir haben 700.000 offene Stellen und 1,7 Millionen Bürgergeldempfänger, die arbeiten könnten", sagte er. Merz sieht den Fehler im System.
Eine Recherche des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ergab jedoch, dass das Problem in der Qualifikation für die Stellenangebote liege: Knapp zwei Drittel der Bürgergeldempfänger haben keinen Berufsabschluss, teilweise keine vollständinge Schulausbildung und kämpfen mit gesundheitlichen Problemen.
Alleine aufgrund der Kosten und Risiken würden potenzielle Arbeitgeber diese Menschen häufig nicht einstellen. Unternehmen suchen kaum ungelernte Arbeitskräfte. Nur 1,4 Prozent der offenen Stellen aus dem Jahr 2024 sind für Ungelernte geeignet, zeigt eine Analyse der Stellendatenbank von Index Research im Auftrag von Ippen.Media.
"Viele arbeitslos gemeldete Bürgergeldempfänger sind gerade erst in den vergangenen Jahren zugewandert. Sie sind jung, leistungsfähig und wären bei gezielter Förderung durchaus vermittelbar", so CDU-Politiker Middelberg.
Er zog den Vergleich zwischen sozialversicherungspflichtig beschäftigen Polen oder Rumänen in Deutschland. Von dieser Gruppe würden Middelberg zufolge rund 59 beziehungsweise 67 Prozent arbeiten. Nur 6,4 Prozent bzw. 8,9 Prozent würden Bürgergeld beziehen.
Große Einstellungshürden: Sprache, Abschluss, Betreuung
Bei durch Asyl zugewanderten Menschen aus Syrien oder Afghanistan hingegen würden auch nach vielen Jahren erst rund jeder Dritte sozialversicherungspflichtig arbeiten.
Hierbei fehlt jedoch eine weitgreiferendere Einordnung. Das DIW spricht von "vielen Hürden – von der Anerkennung von Qualifizierungen, über rechtliche Hürden und Wohnsitzauflagen bis hin zu Sprachkenntnissen". Diese müssten abgebaut werden, damit Geflüchtete schneller in die Arbeit kommen können.
Wird einem die Ausbildung im Heimatland in Deutschland nicht anerkannt, kann man seine Fähigkeiten nicht anwenden. Auch Sprachskills müssen über mehrere Jahre erlernt werden, für Kinder müssen entsprechende Betreuungsangebote zur Verfügung stehen.
Laut DIW sind 86 Prozent der zwischen 2014 und 2016 nach Deutschland geflüchteten Männer heute in Beschäftigung. Das übersteige sogar die Erwerbstätigenquote der männlichen Gesamtbevölkerung. Diese liegt bei 83,6 Prozent.
Kritik: Wird Bürgergeld-Reform Einsparungen bringen?
Durch die Reform des Bürgergeldsystems erwartet die Union Einsparungen, die wiederum anderweitig verwendet werden können. Die Chefin der Bundesagentur für Arbeit (BA), Andrea Nahles, warnt jedoch vor zu großen Hoffnungen. "Ich plädiere da wirklich für realistische Erwartungen", sagte sie bei der Vorstellung der neuen Arbeitsmarktzahlen am Dienstag.
Seit Ende 2022 sei eine langsam, aber stetig steigende Zahl von Arbeitslosen zu beobachten. Nahles warnt, dass sich dieser Trend noch einige Monat weiter fortsetzen werde. Es bleibe für erwerbslose Menschen sehr schwierig, eine neue Arbeitsstelle zu finden, sagte Nahles. Mit einer Trendwende rechne sie frühestens im Sommer 2026, wahrscheinlich eher im Herbst 2026.
Eine mögliche Reform des Bürgergeldsystems steht auf der Agenda der schwarz-roten Koalition für die nächte Koalitionsrunde.