Wie viel Geld dürfen sechs Milliarden Masken für die Corona-Pandemie kosten? Das Gesundheitsministerium unter Jens Spahn soll sie für viel Geld gekauft haben. Zu viel - ein Gutachten bringt neue Erkenntnisse.
Hat der ehemalige Gesundheitsminister Jens Spahn zu viel Geld für Masken ausgegeben? Ein neuer Bericht, der inzwischen ungeschwärzt vorliegt, belastet den jetzigen Fraktionsvorsitzenden der Union.
Schon vor mehreren Wochen keimte die Diskussion über die Maskenaffäre zu Coronazeiten wieder auf. Das Gesundheitsministerium will Jens Spahn offenbar schützen, indem es zunächst verweigerte, ein Gutachten herauszugeben. Jetzt liegt es mehreren Medienhäusern auch ungeschwärzt vor.
Kritik an Spahns Maskendeals: Diese Fehler sehen Parteien und Verbände
Die Grünen sowie Lobbyverbände werfen sowohl Spahn als auch Warken mangelnden Aufklärungswillen vor. "Die Enthüllung des Maskenberichts zeigt schwarz auf weiß: Jens Spahn hat gelogen. Nicht einmal, nicht in guter Absicht, nicht nur in Details – sondern wiederholt, systematisch und mit dem Ziel, sich selbst und Netzwerke in seinem Umfeld zu schützen", teilte der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen auf X.
Er kritisiert zudem das Vorgehen der aktuellen Gesundheitsministerin Warken: "Durch die offensichtlich politisch motivierten Schwärzungen im Masken-Bericht gerät nun auch CDU-Ministerin Nina Warken in den Glaubwürdigkeitsstrudel des Spahn-Skandals."
Auch die Linken sprechen von Rückendeckung der Union. Ates Gürpinar, Sprecher für Gesundheitsökonomie der Linken-Fraktion sagte, die Union schütze den Fraktionsvorsitzendem "aus parteipolitischem Kalkül" und würden dabei den Sudhof-Bericht "diskretidieren".
Die Organisation Lobbycontrol geht einen Schritt weiter: Sie fordert Spahns Rücktritt als stellvertretender Unionsfraktionschef. Experte Aurel Eschmann sagt, der Bericht "stellt unmissverständlich klar, dass Spahns persönliche Alleingänge die Ursache für die Verschwendung von Steuergeldern in Milliardenhöhe sind."
Ein Sonderbericht soll aufklären, ob Jens Spahns Maskendeals während der Coronapandemie rechtmäßig zugegangen sind. Die Untersuchung enthält jedoch Details, die Spahn belasten und wirft die Frage auf, ob Milliardenbeträge Steuergelder falsch verwendet wurden.
Gutachten über Maskendeal: Vom Gesundheitsministerium zurückgehalten
Das Gutachten wurde von der Sonderbeauftragten Margaretha Sudhof (SPD) im Auftrag des Gesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD), vom 2021 bis 2025 im Amt, verfasst. Darin stehen deutliche Vorwürfe gegenüber Spahn, der Bericht ist 168 Seiten lang.
Nachdem die jetzige Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) zunächst verweigerte, den Bericht zu veröffentlichen, stieg der Druck von außen. Sie legte ihn letztendlich dem Haushaltsausschuss im Bundestag vor - allerdings mit geschwärzten Passagen.
Warken begründet die zahlreichen geschwärzten Passagen damit, dass sie persönliche Informationen sowie Geschäftsgeheimnisse enthalten. Das Dokument sei nur für die Abgeordneten gedacht. Warken betonte auch, dass sich das Gesundheitsministerium von dem Bericht distanziere und sich die Aussagen nicht zu eigen mache.
Nun liegt mehreren Medienhäusern eine ungeschwärzte Version des Berichts vor. Daraus geht hervor, dass das Bundesgesundheitsministerium nicht nur Persönlichkeitsrechte und Prozessrisiken im Blick hatte. Offenbar wollte das Ministerium Spahn schützen.
Das steht im Sonderbericht und diese Stellen wurden geschwärzt
Es wurden auch Belege für bestimmte Entscheidungen von Spahn unkenntlich gemacht, berichtete die Süddeutsche Zeitung (SZ). Der Spiegel teilte mit, dass bei bestimmten Bestellungen Hinweise auf eine Bedarfsprüfung fehlen würden. Es war dadurch nicht klar, welche Stückzahl an Masken notwendig war und in welchem Verhältnis die eingekauften Masken dazu stehen.
Spahn räumte zudem manchen Maskenlieferanten Sonderrechte ein. Für die meisten verlangte das Ministerium eine strikte Einhaltung von Lieferterminen - für das Unternehmen Emix jedoch ist laut Bericht der Zeit die Rede von einem "dreimaligen Nachlieferungsrecht" bis Ende 2020. Masken wären teuer eingekauft worden, obwohl andere Anbieter deutlich günstigere Alternativen boten. Diese Informationen waren zunächst geschwärzt auf Seiten 45 bis 48 verborgen.
Hinter den geschwärzten Stellen befanden sich laut SZ unter anderem Belege dafür, dass der heutige Unionsfraktionschef persönlich an Beschaffungsentscheidungen beteiligt war. Dabei handele es sich laut Eschmann nicht um "legitime Schwärzung", sondern den "Schutz des Ex-Ministers".
Sechs Milliarden Masken: Das war der Deal
Als in der Pandemie Abhilfe für das Miteinander geschaffen werden sollte, kaufte der Bund rund 5,7 Milliarden Masken. Gekostet haben sie 5,9 Milliarden Euro. Davon wurden allerdings nur zwei Milliarden an die Bevölkerung weitergereicht. Ein erheblicher Teil blieb übrig - mehr als die Hälfte wurden nicht mehr gebraucht und mussten vernichtet werden.
Darüber hinaus wurde für die schnelle Beschaffung ein besonderes Verfahren entwickelt: Mit dem unbürokratischen Open-House-Verfahren des Gesundheitsministeriums sollte dies möglich gemacht werden. Letztendlich sorgte es für ein Überangebot - mehr als 700 Unternehmen reagierten auf die Ministeriums-Ausschreibung.
Die Lieferanten blieben letztendlich auf ihren Masken sitzen, die Konditionen, die das Gesundheitsministerium gestellt hatte, wurden von diesem selbst nicht eingehalten. Viele der Lieferanten legten Klagen aufgrund ausstehender Rechnungen ein und gewannen. Aus den Forderungen der Lieferanten entsteht eine Summe von 2,3 Milliarden Euro, Verfahrenskosten noch nicht einberechnet.
Aufklärung der Maskenaffäre, aber kein Untersuchungsausschuss
Viele Entscheidungen während der Corona-Pandemie mussten sofort getroffen werden. Schnelles Handeln war gefragt, doch ob es immer richtig war, muss eine Aufarbeitung zeigen. Union und SPD wollen dies mithilfe einer Enquête-Kommission tun.
Eine solche Kommission hat zwar nicht die weitreichenden Befugnisse eines Untersuchungsausschusses, doch die Aufarbeitng kann breiter gestaltet werden. Im Ausschuss sitzen nur Abgeordnete, in der Enquête-Kommission hingegen auch nicht-politische Experten.
Auf Verlangen von Linken und Grünen wird der Bundestag das Thema auch in zwei Aktuellen Stunden behandeln. Eine Organisationseinheit aus dem Bundesgesundheitsministerium soll der geplanten Enquête-Kommission zuarbeiten.