Trotz Krieg und Sanktionen agieren 2025 noch 23 französische Unternehmen in Russland. Konzerne wie Auchan, Leroy Merlin und L’Oréal zahlen weiter Steuern. Sie tragen laut Experten indirekt zur Finanzierung des Kriegs bei.
Im Jahr 2025 sind noch 23 französische Unternehmen in Russland tätig. Das ist nur ein Drittel der 75 Firmen, die Anfang 2022, vor der groß angelegten russischen Invasion in die Ukraine, dort Geschäfte machten. Seither haben sich zahlreiche Konzerne wie Société Générale, LVMH oder Safran zurückgezogen – aus Überzeugung, aufgrund von Sanktionen oder aus Reputationsgründen.
Über ähnliche Fälle aus Deutschland hat Euronews bereits berichtet.
Das Gewicht der verbliebenen Unternehmen ist beträchtlich. Laut einem Bericht gehören zwei französische Konzerne zu den 20 umsatzstärksten Unternehmen in Russland im Jahr 2024.
Auchan belegt mit 3,27 Milliarden US-Dollar Umsatz Platz acht, während der Baumarkt Leroy Merlin mit 6,8 Milliarden US-Dollar sogar den dritten Rang einnimmt. Beide Unternehmen gehören zur französischen Mulliez-Gruppe. Leroy Merlin zählt zudem zu den größten Steuerzahlern in Moskau, gemeinsam mit L’Oréal.
Zwar zahlen US-amerikanische und deutsche Unternehmen insgesamt die höchsten Steuern an den russischen Staat, doch auch Frankreich liegt mit 565 Millionen US-Dollar an entrichteten Unternehmenssteuern weit vorn. Die Steuern wurden vor allem von Firmen gezahlt, die keinen Rückzug planen.
Eine Summe, die laut einem Bericht der Kyiv School of Economics (KSE), von B4Ukraine und der Initiative "Druck auf Putin ausüben" konkret Russland stärkt. Ihnen zufolge haben internationale Unternehmen, die noch in Russland tätig sind, allein im Jahr 2024 mindestens 17,2 Milliarden Euro an Steuern an den russischen Staat gezahlt oder 51,8 Milliarden Euro seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine. Das entspricht fast der Hälfte des russischen Verteidigungshaushalts von 125 Milliarden Euro (laut Internationalem Institut für Strategische Studien).
Frankreichs Engagement in Russland
Vor der großangelegten Invasion war Frankreich einer der wichtigsten Investoren in Russland. 2020 war Frankreich laut der Handelskammer Nord-de-France sogar der größte ausländische Arbeitgeber dort. Französische Unternehmen waren besonders in den Bereichen Lebensmittel, Finanzen, Einzelhandel, Energie, Automobil, Bau, Transport, Luft- und Raumfahrt sowie Pharmazie stark vertreten, heißt es in dem Bericht.
Viele dieser Branchen mussten Russland seitdem verlassen, da Geschäfte rechtlich oder wirtschaftlich kaum noch möglich sind. So wurde die Luft- und Raumfahrtindustrie mit EU-Sanktionen belegt.
In der Automobilbranche kündigte der Hersteller Renault bereits einen Monat nach Beginn des Konflikts seinen Rückzug an. Mit 500.000 verkauften Fahrzeugen pro Jahr machte Russland jedoch 10 % der Einnahmen des Konzerns aus. Der Verkauf seiner Anteile für einen symbolischen Rubel kostete den Konzern 2,2 Milliarden Euro.
Ein Beispiel, dem Auchan offenbar nicht folgen will. Ein Rückzug wäre der Warenhauskette teuer zu stehen gekommen: Rund 10 % seines weltweiten Umsatzes, etwa 3 Milliarden Euro, hängen am russischen Markt. Der französische Einzelhändler hat dort Hunderte von Millionen investiert, insgesamt tragen 94 Hypermärkte und 138 Supermärkte das Auchan-Logo in Russland.
Mit der Verödung der russischen Einkaufszentren seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine ist dieser Wert jedoch stark gesunken. Im Jahr 2025 wird Auchan Russia laut Nachrichten der Fachzeitschrift _"_Informé" nur noch mit 179 Millionen Euro bewertet.
Medienberichte über einen möglichen Verkauf an die Gazprombank wies das Unternehmen zurück. Auchan wolle weiterhin vor Ort bleiben, um „die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen“. Laut der Zeitung La Lettre lehnte der Konzern Ende 2024 den Verkauf seiner russischen Tochtergesellschaft endgültig ab.
Tennisschläger und Kosmetik
Viele französische Firmen, die trotz des Krieges in Russland bleiben, berufen sich auf ihre Rolle bei der Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern. Branchen wie Pharma und Lebensmittel sind bislang von Sanktionen weitgehend ausgenommen.
So rechtfertigte etwa der Konserven- und Tiefkühlkosthersteller Bonduelle im März 2022 seine Präsenz mit der Produktion „lebenswichtiger Nahrungsmittel“ für über 200 Millionen Verbraucher in Russland und den Nachbarländern. Inzwischen hat das Unternehmen seine Aktivitäten dort deutlich reduziert.
Von den 23 verbliebenen französischen Unternehmen verkauft jedoch etwa die Hälfte nicht lebensnotwendige Konsumgüter, darunter Clarins, Dessange, Etam oder der Tennisschlägerhersteller Babolat. Letzterer hatte seinen Rückzug angekündigt, tauchte 2025 jedoch erneut in der Liste desYale Chief Executive Leadership Institute auf. Grund: Ein russischer Vertriebspartner vertreibt weiterhin Babolat-Produkte. Offenbar stammen sie in großen Mengen aus alten Beständen.
Mit einem Umsatz von 32,7 Milliarden Euro ist der Konsumgütersektor der profitabelste Bereich für ausländische Unternehmen in Russland. Gleichzeitig ist er einer der wichtigsten Steuerzahler. Frankreich spielt hier mit Auchan und Leroy Merlin eine führende Rolle.
Stillstand statt Rückzug
Von den 52 französischen Unternehmen, die 2022 noch in Russland aktiv waren, haben sich nur 16 vollständig zurückgezogen. Für viele ist ein Ausstieg schlicht zu teuer.
Als Reaktion auf die Sanktionen gegen sein Land hat der Kreml ab 2022 ein ganzes Arsenal an rechtlichen und administrativen Maßnahmen eingeführt, um die Abwanderung von Unternehmen zu verhindern oder zumindest davon profitieren zu können.
Eine spezielle Unterkommission muss alle Verkäufe genehmigen. Unternehmen müssen inzwischen Abschläge von mindestens 60 % auf den Vermögenswert akzeptieren und zusätzlich eine sogenannte Exit Tax von 35 % des Verkaufspreises entrichten, eine Steuer, die faktisch zur Kriegsfinanzierung beiträgt und nach westlichem Recht strafbar sein kann.
Selbst wer frühzeitig den Rückzug plante, stößt auf Hürden: So wurden im August 2025 die russischen Tochtergesellschaften des Industriegasherstellers Air Liquide, trotz geplanter Veräußerung, per Erlass Putins unter staatliche Verwaltung gestellt.
Viele Firmen entschieden sich daher für eine Art „Standby“-Modus: Sie entließen Mitarbeiter, setzten Verträge aus, behielten aber eine minimale Struktur, oft verwaltet durch lokale Treuhänder. So verfahren etwa Kering, Décathlon oder Hermès.
Für Nezir Sinani, Direktor der NGO B4Ukraine, ist das jedoch keine Lösung: „Unternehmen, die in Russland bleiben, unterstützen mit ihren Steuern die Kriegswirtschaft." Selbst im Ruhezustand erzielen viele noch einen kleinen Umsatz in Russland.
Sinani zieht ein drastisches Fazit: „Der Preis für das Bleiben ist weit höher als die Kosten des Rückzugs. Er wird in Hunderttausenden von Menschenleben gemessen.“