Warum so viele Firmen weiter in Russland Geschäfte machen - und der Rückzug schwer ist

Mitarbeiter warten auf Besucher in einem neu eröffneten Schnellrestaurant in einer ehemaligen McDonald's-Filiale in der Bolshaya Bronnaya-Straße in Moskau, Russland, Sonntag,
Mitarbeiter warten auf Besucher in einem neu eröffneten Schnellrestaurant in einer ehemaligen McDonald's-Filiale in der Bolshaya Bronnaya-Straße in Moskau, Russland, Sonntag, Copyright Dmitry Serebryakov/AP
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Von Alexandra Leistner
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Viele ausländische Unternehmen betreiben ihre Geschäfte in Russland weiter, als gäbe es den Krieg in der Ukraine nicht. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Und wer sich für den Rückzug aus Russland entscheidet, blickt einem langwierigen und schwierigen Prozedere entgegen.

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Als im Januar 1990 der erste McDonalds in Moskau seine Türen öffnete, war der Ansturm groß. Doch was nach dem Kalten Krieg als Wind des Wandels galt, hat sich mittlerweile in einen Sturm entwickelt, der für viele vor allem eine Kurs nimmt: Raus aus dem Land.

Denn Russland hat begonnen, ausländische Unternehmen unter seine Kontrolle zu bringen. Die Behörde für staatliches Eigentum Rosimuschtschestwo hat laut staatlicher Nachrichtenagentur Tass mitgeteilt, dass sie Firmen entsprechend ihrer Bedeutung für die russische Wirtschaft führen werde.

Im Fall des in Deutschland verstaatlichten Erdgas-Importeurs Uniper mit der russischen Kraftwerkstochter Unipro und des finnischen Versorgers Fortum Oyj bedeutet das zwar nicht gleich Enteignung - Management-Entscheidungen werden aber jetzt von Rosimuschtschestwo getroffen.

Einige Unternehmen, die zunächst in Russland bleiben wollten - und dafür verschiedene Gründe anführten, haben über ein Jahr nach der Vollinvasion in die Ukraine jetzt entschieden, die Zelte in Russlands doch abzubrechen. Aber so einfach ist es für Unternehmen nicht, das Land zu verlassen.

Zum einen ist es eine finanzielle Frage: Westliche Unternehmen müssen laut einem neuen Beschluss ihre Anteile an russischen Vermögenswerten mit einem Rabatt von 50 % verkaufen und außerdem 10 % einer "freiwilligen Ausstiegssteuer" an den russischen Haushalt abgeben.

Mit diesem Geld will Russland laut Regierungssprecher Dmitry Peskov einen Entschädigungsfonds aufbauen als Reaktion auf "die illegale Enteignung russischer Vermögenswerte im Ausland".

Die EU hat zusätzlich zu den seit 2014 geltenden Sanktionen gezielte individuelle Sanktionen, Wirtschaftssanktionen und Visamaßnahmen gegen Russland verhängt. 

Warum es so schwer ist, in Russland alle Zelte abzubrechen

Doch die erste Hürde ist der Verkauf an sich, erklärt Alexandra Prokopenko, ehemalige Angestellte der russischen Zentralbank und Beraterin bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik gegenüber Euronews.

Denn einen Käufer zu finden, ist nicht so einfach. Weil mit etwa 6.000 Personen und Unternehmen auf den unterschiedlichen Sanktionslisten kein Handel stattfinden kann. Hinzu kommt, dass der russische Staat dem Verkauf zustimmen muss und in manchen Fällen Putin persönlich - und das kann dauern.

"Wer in Russland einen guten Partner hatte, könnte Glück haben und bei dem Verkauf sogar Gewinn machen", so Prokopenko, die auf die Verbindung der Unternehmen zu Regierungskreisen anspielt. So geschehen im Fall Shell, das für seine Beteiligung an dem verstaatlichten Sachalin-2-Flüssiggasprojekt mehr als eine Milliarde Euro bekam.

Andere Unternehmen, darunter der französische Autobauer Renault, verließen das Land offensichtlich um den Schaden zu begrenzen: "Einen symbolischen Rubel" soll das französische Unternehmen laut dem damaligen Wirtschaftsminister der Russischen Föderation, Denis Manturov, bezahlt haben - dafür aber eine sechsjährige Rückkaufoption erhalten haben.

Warum ziehen die Unternehmen jetzt raus?

Wer zu Anfang des Krieges noch ausreichend Argumente fand, um seine Aktivität in Russland zu rechtfertigen, ist mit einer immer unsicheren Lage konfrontiert. Hinzu kommt, dass westliche Unternehmen zunehmend befürchten, "als Unterstützer von Putins Krieg gebrandmarkt zu werden", so Prokopenko.

Sie glaubt, dass auch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig, das im März die Klage des russischen Ölkonzerns Rosneft gegen die Treuhandverwaltung für zwei deutsche Tochterfirmen abwies, hat eine Rolle spielt bei der Verabschiedung von Putins neuem Dekret.

Die deutsche Bundesnetzagentur hat ihrerseits seit September 2022 die deutschen Rosneft-Tochterunternehmen RDG GmbH und RNRM GmbH unter Treuhand gestellt, um die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs und somit der Versorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten.

Denn Versicherungen, IT-Unternehmen und Banken waren nach Angaben der deutschen Regierung nicht mehr bereit, mit den beiden russischen Rosneft-Raffinerien zusammenzuarbeiten.

“Diese Entscheidung wurde in Russland als Raubüberfall bei Tageslicht angesehen”, so die Finanzexpertin. Eine Entscheidung, die der perfekte “Vorwand” für das Putin-Dekret gewesen wäre.

"Russland ist kein verlässlicher Wirtschaftspartner"

Geschäfte in Russland zu machen, während russische Drohnen und Raketen in der Ukraine Menschen töten, werde in der Öffentlichkeit kritisiert und sei auch zunehmend bei Anlegern unbeliebt, erklärt Prokopenko.

Deutschlands größter Öl- und Gasförderer Wintershall Dea, eine BASF-Tochter, hat im Januar überraschend seinen Abzug aus Russland bekannt gegeben und zunächst moralische Gründen abgeführt.

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"Russland ist kein verlässlicher Wirtschaftspartner", erklärt das Unternehmen auf Anfrage von Euronews am 2. Mai 2023. Russland sei "in jeder Hinsicht unberechenbar" geworden.

Wie schnell der komplette Rückzug vollzogen werden könne, hänge auch davon ab, wann verschiedene Genehmigungen aus Russland und Deutschland vorliegen, so das Unternehmen.

In einer Pressemitteilung zum Abzug des Unternehmens aus Russland heißt es zudem, die Joint Ventures des Unternehmens seien "de facto wirtschaftlich enteignet" worden.

Was will der Kreml mit dem “Ausgleichsfonds” erreichen?

Prokopenko glaubt, dass der Kreml mit dem neuen Dekret vor allem erreichen will, dass ausländische Firmen den Druck auf ihre Regierungen erhöhen, Sanktionen fallen zu lassen oder die Umwelt für russische Unternehmen im Westen zu verbessern.

"Das Problem ist, weder der Westen noch Russland haben eine Strategie für gestrandete Vermögenswerte", so Prokopenko, die hier die Parlamente und Politikberatenden in der Verpflichtung sieht.

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Der Westen müsse sich zudem darauf vorbereiten, dass auch private Geldanlagen in Russland in einem nächsten Schritt beschlagnahmt werden könnten. Bisher seien diese noch sicher gewesen, sollte es in der angespannten Lage keine Lösung geben, kann sich das nach Einschätzung von Prokopenko ändern.

McDonalds heißt in Russland unter seinem neuen Besitzer jetzt "Wkusno & Totschka” - auf Deutsch: "Lecker und Punkt.". Allerdings soll die Qualität der Gerichte gelitten haben denn das Know How für das schnelle und schmackhafte Essen verließ mit der US-Marke das Land - und Pommes gibt es aufgrund einer Kartoffelknappheit im Land auch nicht mehr.

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