Sozialhilfen für Familien helfen bei der Bekämpfung von Kinderarmut, aber die staatlichen Ausgaben pro Person sind in Europa sehr unterschiedlich. Euronews Business wirft einen genaueren Blick auf dieses Thema.
Sozialleistungen für Famien spielen eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung von Armut und der sozialen Eingliederung. Sie tragen zur Unterstützung der Haushalte bei und sind besonders wichtig, um Kinderarmut zu verhindern.
In Europa gibt es große Unterschiede zwischen den Systemen der sozialen Sicherheit und den Familienleistungen. Eine Möglichkeit, sie zu vergleichen, besteht darin, sich anzusehen, wie viel jedes Land pro Person ausgibt.
Im Jahr 2022 invesierten die EU-Länder im Durchschnitt 830 € pro Person in Sozialleistungen für Familien. Das ist ein Anstieg um 47 % gegenüber 566 € im Jahr 2012.
Doch wie sehen diese Leistungen im europäischen Vergleich aus? Welche Länder geben am meisten für die Unterstützung von Familien aus?
In der EU reichten die Ausgaben für Familienleistungen pro Person im Jahr 2022 laut Eurostat von 211 € in Bulgarien bis 3 789 € in Luxemburg. Bezieht man die EU-Beitrittskandidaten und die Länder der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) mit ein, so gibt es in Albanien mit nur 48 EUR die niedrigsten Leistungen pro Person, dicht gefolgt von der Türkei (57 EUR) und Bosnien und Herzegowina (59 EUR).
Nordwest- vs. Südost-Gefälle bei den Familienleistungen
Im Allgemeinen sind die Familienleistungen pro Person in Nord- und Westeuropa am höchsten und im Süden und Osten am niedrigsten.
Nach Luxemburg führen die nordischen Länder die Liste an: Norwegen (2.277 €), Dänemark (1.878 €), Island (1.874 €), Schweden (1.449 €) und Finnland (1.440 €).
"Die nordischen Länder und Frankreich geben nach wie vor am meisten Geld für Familienleistungen aus, obwohl ihr Ansatz mehr auf Sachleistungen wie Kinderbetreuung beruht, die von den Pro-Kopf-Geldleistungen nicht vollständig erfasst werden", erklärte Dr. Anne Daguerre von der Universität Bristol gegenüber Euronews Business.
Deutschland (1.616 €), die Schweiz (1.375 €), Österreich (1.340 €) und Irland (1.026 €) geben ebenfalls über 1.000 € pro Person aus. Belgien (976 €) und Frankreich (877 €) liegen zwar über dem EU-Durchschnitt, erreichen aber nicht die 1.000-Euro-Marke.
Die Niederlande bieten 670 € pro Person an Familienleistungen. Das sind 160 € weniger als der EU-Durchschnitt. Italien (524 €) und Spanien (427 €), die beide zu den vier größten Volkswirtschaften der EU gehören, liegen ebenfalls darunter.
Die EU-Kandidatenländer bieten die niedrigsten Familienleistungen. Montenegro (131 €) und Serbien (117 €) liegen vor Albanien, der Türkei und Bosnien und Herzegowina, die die drei Schlusslichter sind.
Prof. Grega Strban von der Universität Ljubljana äußerte sich zurückhaltend zum Ländervergleich: "Die Frage ist, ob alle Länder alle Leistungen auf die gleiche Art und Weise klassifizieren."
Der Experte betonte, dass dahinter viele politische Überlegungen stehen. "Einige konzentrieren sich auf die Unterstützung der Eltern (oder Erziehungsberechtigten), andere auf die Kinder (und Studenten) selbst. Einige sind universell, andere zielgerichtet. Einige sind mit einer Behinderung oder Sozialhilfe verbunden", fügte er hinzu.
Wie haben sich die Familienleistungen in den letzten 10 Jahren verändert?
Von den 32 Ländern sind die Familienleistungen pro Person in Euro nur in zwei Ländern gesunken, während die Steigerungen in den letzten 10 Jahren sehr unterschiedlich ausfielen. In der EU stieg der Durchschnitt von 566 Euro im Jahr 2012 auf 830 Euro im Jahr 2022. Das ist ein Anstieg um 47 % oder 264 €.
In Norwegen sank er um 5 % (oder -130 €) und in Zypern um 18 % (oder -62 €). Ein Teil dieser Veränderung könnte auf Wechselkursschwankungen zurückzuführen sein.
Prozentual gesehen verzeichnete Polen einen noch nie dagewesenen Anstieg von 320 %, gefolgt von Lettland (245 %), Rumänien (227 %) und Litauen (198 %).
Auch in Estland (125 %), Serbien (115 %), Bulgarien (112 %), Island (110 %) und Kroatien (101 %) haben sich die Familienleistungen pro Person mehr als verdoppelt.
In Luxemburg, Österreich, Finnland, Ungarn, Frankreich, Schweden, Dänemark und Irland lag der Anstieg unter 30 %. Die meisten dieser Länder boten bereits höhere Leistungen an, mit Ausnahme von Ungarn.
In Euro ausgedrückt, wurden die höchsten Steigerungen in Island (980 €), Luxemburg (819 €) und Deutschland (558 €) verzeichnet.
Triebkräfte der Veränderung bei den Familienleistungen
"Die Ausgaben für Familienleistungen pro Person sind seit 2012 in der gesamten EU deutlich gestiegen, aber die Ursachen für dieses Wachstum sind in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich", so Dr. Daguerre gegenüber Euronews Business.
Sie stellte fest, dass die auffälligsten Steigerungen in den mittel- und osteuropäischen Ländern zu verzeichnen sind, insbesondere in Ungarn und Polen: "In diesen Ländern ist das Wachstum weitgehend auf eine selektive pronatalistische Politik zurückzuführen, die darauf abzielt, die Geburtenrate zu erhöhen und traditionelle Familienmodelle zu unterstützen. Diese kapitalintensiven Strategien spiegeln eine breitere Verlagerung hin zu sozialkonservativen Wohlfahrtsprogrammen wider".
Sie fügte hinzu, dass Italien unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni seit 2022 einen ähnlichen Weg eingeschlagen hat.
Das Wachstum der Familienleistungen kann auch unterschiedliche Prioritäten widerspiegeln. "Litauen zum Beispiel hat ebenfalls erhebliche Steigerungen zu verzeichnen, allerdings durch die Einführung eines universellen Kindergeldes im Jahr 2018. Diese Reform diente in erster Linie dazu, die Kinderarmut zu verringern und einen umfassenderen Zugang zu Unterstützung zu gewährleisten, insbesondere für Familien mit niedrigem Einkommen, die zuvor von steuerbasierten Systemen ausgeschlossen waren", erklärte sie.
Dr. Anne Daguerre wies darauf hin, dass in einigen südeuropäischen Ländern wie Griechenland und Zypern die Ausgaben trotz anhaltend niedriger Geburtenraten stagnieren oder nur geringfügig steigen.
Was sind Familienleistungen?
Familienleistungen sind laut Europäischer Kommission "alle Sach- oder Geldleistungen, die nach den Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit eines Mitgliedstaates zur Deckung von Familienkosten bestimmt sind".
Zu den Familienleistungen gehören Eltern- und Erziehungs- oder Kindergeld, das dazu beiträgt, die Kosten für die Erziehung eines Kindes zu decken und Einkommensverluste zu kompensieren, wenn ein Elternteil aufhört zu arbeiten. Kinderbetreuungsbeihilfen für erwerbstätige Eltern fallen ebenfalls unter die Familienleistungen.
Das obige Schaubild zeigt die Auswirkungen der steuerlichen Familienzulagen: Einverdienerpaare mit zwei unterhaltsberechtigten Kindern haben im Verhältnis zu ihren Bruttogehältern ein deutlich höheres Nettoeinkommen.