Schottland könnte die erste "Rewilding-Nation" der Welt werden. Wie kam es dazu?

Morgensonne über dem Loch Tay, Killin, Großbritannien
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Von Rosie Frost
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Umweltgruppen in Schottland ermutigen Politiker, sich für die Erholung der Natur stark zu machen.

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In den vergangenen 50 Jahren sind zwei Drittel der weltweiten Artenvielfalt verloren gegangen. Etwa 40 Prozent der Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht und Wissenschaftler befürchten, dass wir sie möglicherweise schneller verschwinden, als sie gefunden, benannt und erforscht werden können.

Unsere Welt existiert in einem fragilen Gleichgewicht, doch das ist aufgrund des Artensterbens und des Klimawandels bedroht. Die Wiederherstellung dieses natürlichen Mosaiks von miteinander miteinander in Wechselbeziehung stehenden Arten ist für die zukünftige Gesundheit des Planeten und für unsere eigene lebenswichtig, so die Experten.

Baumpflanzungsprogramme, aktive Naturschutzmaßnahmen und Hightech-Lösungen zur Kohlenstoffbindung sollen helfen, den Verlust der Artenvielfalt und die Klimakrise zu bekämpfen.

Eine wachsende Zahl von Menschen glaubt, dass der einzige Weg, um das, was wir verloren haben, wiederherzustellen, darin besteht, der Natur zu vertrauen, dass sie sich selbst erholt - ein Prozess, der "Rewilding" oder auch Renaturierung genannt wird. 

Für manche ist das ein Streitthema, sie lehnen die Wiedereinführung von Wildtieren wie dem Wolf oder dem Eurasischen Luchs ab.

Diese moderne Naturschutzbewegung hat jedoch in einer europäischen Nation besondere Resonanz gefunden.

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Wölfe im Yellowstone National Park, USAGetty via Canva

Was ist "Rewilding"?

"Rewilding" basiert auf dem Prinzip, dass die Natur am besten weiß, wie sie sich selbst schützen kann.

Doch wegen der Schäden, die wir ihr bereits zugefügt haben, braucht sie Unterstützung, um sich selbst zu schützen. In ganz Europa haben wir enorme Mengen an einheimischer Flora und Fauna eingebüßt, die für das Gleichgewicht unserer Ökosysteme essenziell sind.

Um unsere Umwelt wieder wilder zu machen, müssen wir die richtigen Bedingungen schaffen. Dies kann durch Maßnahmen wie die Wiederansiedlung verschwundener Arten, die Regeneration von Wäldern und die Verhinderung der Unterbrechung von Flussläufen geschehen. Renaturierte Ökosysteme könnten bedrohten Tier- und Pflanzenarten einen neuen Lebensraum bieten. 

Die Theorie besagt, dass wir den unglaublichen Verlust der Artenvielfalt und die Verschärfung der Klimakrise aufhalten können, indem wir der Natur einen kleinen Schubs geben und dann zurücktreten.

Ein klassisches Beispiel für den Erfolg von "Rewilding" findet sich im Yellowstone Nationalpark in den USA. Als die Wölfe zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis fast zur Ausrottung gejagt wurden, vermehrten sich ihre präferierten Beutetiere stark. Die Zahl der Elche nahm derart zu, dass der Lebensraum völlig überweidet wurde.

Die Baumbestände der Espen und Weiden litten unter den Einfall der Tiere, oft gelang es ihnen nicht, ihre volle Größe zu entfalten und Samen auszubilden. Das wiederum bedeutete, dass Singvögel ihren Lebensraum verloren und Biber kein Material mehr hatten, mit dem sie ihre Dämme bauen konnten. Die Flussufer begannen zu erodieren, die Wassertemperaturen stiegen ohne den natürlichen Schatten der Bäume. Der Verlust der Wölfe im Yellowstone Nationalpark rief einen kaskadenartigen Effekt auf das gesamte Ökosystem des Parks hervor.

1995 wurden 14 Wölfe aus dem kanadischen Jasper-Nationalpark eingefangen und von Wildhütern in die USA gebracht. Sie wurden nach einer Zeit der Umgewöhnung im Park freigelassen - ein Versuch, die den vergangenen Jahrhunderten erjagten Tiere zu ersetzen.

Über die nächsten 20 Jahre stieg ihre Zahl an und die erneute Anwesenheit dieses für das Ökosystem wichtigen Raubtiers brachte das Gleichgewicht im Yellowstone zurück. Heute gilt die Wiederansiedlung als Modell dafür, wie scheinbar kleine Schritte dazu beitragen können, die von uns verwüstete natürliche Umwelt zu "heilen".

Die erste Rewilding-Nation der Welt

"Rewilding" ist in den letzten Jahren zu einer immer populäreren Bewegung in Schottland geworden. Die Scottish Rewilding Alliance (SWA) fordert die Politiker auf, eine Strategie zu entwickeln, die das Land zur ersten "Rewilding-Nation" der Welt macht.

Im Vorfeld der schottischen Parlamentswahlen im kommenden Monat will die SWA ein solides Bekenntnis der politischen Parteien zur Bewältigung der Natur- und Klimakrise sowie zur Schaffung von Arbeitsplätzen in ländlichen Gemeinden sehen. "Rewilding", so glaubt die Allianz, sollte ein Teil dieser Verpflichtungen sein.

"Die Parteien und die Öffentlichkeit stehen bei dieser Wahl vor vielen Entscheidungen, darunter auch wichtige Entscheidungen, die die Zukunft von Schottlands Landschaften und Meeren prägen werden", sagt Steve Micklewright, Koordinator der SWA.

Er erklärte, dass man alle politischen Parteien dazu auffordere, sich zu fünf verschiedenen Maßnahmen zu verpflichten, um die Natur zu schützen und die Wirtschaft anzukurbeln:

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  • die Verpflichtung, 30 Prozent des öffentlichen Landes zu renaturieren
  • Einrichtung eines Gemeinschaftsfonds zur Unterstützung der Wiederbegrünung in Städten und Gemeinden.
  • Unterstützung der Wiederansiedlung und -eingliederung von Schlüsselarten wie Bibern und des Eurasischen Luchses, an Orten, an denen es lokale Unterstützung gibt
  • Schaffung einer Küstenzone, in der Bagger- und Schleppnetzfischerei nicht erlaubt sind
  • Einen Plan zur Kontrolle der Hirschpopulationen einführen, damit sich das Land von der Überweidung erholen kann

Auch die schottische Öffentlichkeit steht hinter dieser Idee. Letztes Jahr gab die SWA eine Umfrage in ganz Schottland in Auftrag, die eine breite Unterstützung für das Prinzip des "Rewilding" ergab. Mehr als drei Viertel der Menschen, die ihre Meinung äußerten, unterstützten das Konzept, zehnmal so viele wie diejenigen, die es ablehnten.

"Wir wissen, dass die Öffentlichkeit von den Politikern echte Fortschritte beim Thema "Rewilding" erwartet, und wir möchten die Menschen ermutigen, diese Themen zu berücksichtigen, wenn sie sich die Wahlprogramme der Parteien ansehen", fügt Micklewright hinzu.

"Die Chancen, die sich hier bieten, sind beträchtlich - für unser Klima, die Artenvielfalt und für eine Vielzahl potenzieller sozialer und wirtschaftlicher Vorteile, die damit verbunden sind, Schottland zur ersten Rewilding-Nation der Welt zu machen."

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